Vivie Ann
“When The Harbour Becomes The Sea”
(CD, My Oh My Records, 2019)
Daran, dass Vivie Ann stimmliche Schönheit und Klasse mit sich bringt, lassen schon die ersten Töne ihres zweiten Albums “When The Harbour Becomes The Sea” keinen Zweifel. Der 46 Sekunden lange Opener “No Start” verzichtet auf Instrumentierung und wir hören nur ihre Stimme, die einen hier etwas an Suzanne Vega oder Dido erinnert. Der Opener ist Teil eines feinen Rahmens für den Longplayer, ist er doch nichts anderes als der Beginn des letzten Stücks “No End”, welches die Scheibe würdig abschließt, das Ganze ist also weit mehr als ein gelungenes Wortspiel.
(Foto: © Marie Hochhaus)
Die 48 Minuten des Albums lassen sich bestens anhören und wissen einen zu fesseln. Neben dem Gesang sind hierfür tolle Kompositionen zwischen Gitarren- und Piano-basiertem Pop und seichterem Rock mit starken Melodien verantwortlich, aber auch interessante Texte. In denen erzählt Vivie Ann aus ihrem Leben, und diesen verlief alles andere als geradlinig.
Wenn aus dem Sicherheit verkörpernden Hafen eine raue, stürmische See wird – der Titel des Longplayers deutet bereits an, dass Turbulenzen eine Rolle für die 27-Jährige spielten. Als Tochter zweier Musiker kam sie früh in Berührung mit der Musik und entwickelte eine Leidenschaft, die sie als Talent gelten ließen. Nach dem Abitur aber wurde Vivie immer wieder von sogenannten transitorisch ischämischen Attacken heimgesucht, wobei es sich um Durchblutungsstörungen im Gehirn handelt, die mit migräneartigen Kopfschmerzen beginnen und unbehandelt innerhalb kurzer Zeit zum Schlaganfall führen. Inzwischen scheint die Krankheit überwunden, doch es ist Vivie sehr wohl bewusst, dass sie in dieser Zeit dem Tod mehrmals nur mit Glück entronnen ist.
Mehr als vielen anderen war Vivie Ann hierdurch klar, dass sie ihrer Vision und ihren Vorstellungen folgen wollte, anstatt Kompromisse mit der Musik als Geschäft einzugehen. Die Wahl-Hamburgerin gründete ihr eigenes Label, sammelte Geld via Crowdfunding und erarbeitete sich so auf absolut ehrliche Art und Weise einen Weg ins Business. Beim zweiten Album hat sich dies nicht geändert, vom Songwriting über die Produktion bis hin zum Coverdesign war Vivie verantwortlich.
Die Songs überzeugen. “Cold Water” widmet sich den kalten, tiefen Wasser, in das man geworfen werden kann, aus dem man aber eben auch extrem gestärkt hervor gehen kann, und Vivie strahlt auch gesanglich viel Energie und Optimismus aus. “Obsolete Majesty” kommt weit unaufgeregter und sanfter daher, ist eine sehr feine Popnummer, die mit einer guten Melodie überzeugt, was aber hier eigentlich für alle Stücke gilt.
Insgesamt geht es abwechslungsreich zu. “Survivor” ist ein Akustikgitarren-Stück in bester Singer/Songwriter-Manier, “The Moor” schleicht gemächlich voran. “Anytime” weiß einen mit einem Wechsel zwischen ruhigeren und kraftvollen Momenten zu packen, was auch für das in seiner zweiten Hälfte mit knarzigen Riffs ausgestattete “Windmills” gilt, oder für “Until My Arms Break” mit seinen aufheulenden Gitarren. “Euphoria” setzt auf der Suche nach Euphorie auf treibende Struktur. Das wundervolle “Loverboy” kommt leicht jazzig und betörend als Power-Ballade daher, und auch “Glow” beginnt ruhig, wird aber dann von energetische E-Gitarren-Stürmen durchzogen.
Ein sehr interessantes und sehr gutes Album, das niemals langweilig wird und von Stimme über Kompositionen bis zur Instrumentierung durchweg zu gefallen weiß.
Hier ist Vivie Ann live zu sehen – Tickets gibt es z.B. hier bei Eventim (Partnerlink).
18.03.2019 Hamburg, Nochtspeicher
03.05.2019 Einbeck, Alte Synagoge
06.05.2019 München, Ampere
07.05.2019 Frankfurt, Brotfabrik
08.05.2019 Berlin, Auster Club
17.05.2019 Stuttgart, Schräglage
18.05.2019 Köln, Subway
20.05.2019 Hannover, Lux
www.vivieann.com
facebook.com/vivieannmusic
Bewertung: 9 von 10 Punkten
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