The Cranberries
“In The End”
(CD, BMG, 2019)
Normalerweise sollte ja nicht direkt Wehmut aufkommen, wenn man ein neues Album einlegt, aber wenn The Cranberries mit “In The End” dem Titel entsprechend ihr letztes Album vorlegen und man weiß, dass die charismatische Sängerin/Gitarristin Dolores O`Riordans völlig unerwartet am 15. Januar 2018 verstarb, dann ist Traurigkeit nicht zu umgehen.
Diese wird auch nicht zwingend bekämpft, wenn die insgesamt elf Tracks auf 43 Minuten mit “All Over Now” eröffnet werden, das ja bereits im Januar anlässlich des einjährigen Todestags der Frontfrau als erste Single voraus geschickt wurde. Der kraftvolle, wavelastig melancholische Song geht mit Zeilen wie “Do you remember? Do you recall? Do you remember? I remember it all. And it’s all over now, it’s all over now.” direkt ins Ohr, auch wenn es hier natürlich nicht um das Ende der Band geht, sondern um eine tragische Beziehung.
Klanglich knüpft das achte und letzte Album der Band, erneut von Stephen Street produziert, an gute alte Tage an – man darf schließlich nicht vergessen, dass die Musik der Cranberries schon länger nicht mehr die Faszination einstiger Tage hervor rief, als mit Songs wie “Zombie” oder “Linger” wahre Perlen vorgelegt wurden. Das Comeback nach sechsjähriger Trennung verlief ab 2009 dann auch eher unauffällig, und während “Roses” 2012 bei uns noch Platz 13 der Album-Charts erreichen konnte, kam “Something Else” 2017 nicht über Platz 60 hinaus – und selbst in der irischen Heimat der Cranberries ging es für beide Scheiben nur auf Platz 17. Die Hoch-Zeiten mit den drei Erfolgsalben “No Need To Argue” (1994), “To The Faithful Departed” (1996) und “Bury The Hatchet” (1999) waren also auch schon länger over.
Trotzdem ist es schön, diese letzte Scheibe der Band zu hören, als Vermächtnis natürlich, aber auch ohne diesen Fakt. Die Entstehungsgeschichte des Longplayers begann bereits im Mai 2017, während die Band sich auf Tour befand. Bis zum Winter 2017 hatten Gitarrist Noel und Dolores an den Demoversionen der Songs gearbeitet, die heute zu hören sind – und so lagen auch schon Gesangsaufnahmen vor, die nun verwendet werden konnten. “Dolores’ Energie sprudelte in Erwartung, diese Platte zu machen, die Songs herauszubringen und sie live zu spielen förmlich über.”
Noel, Bassist Mike und Drummer Fergal diskutierten die Fertigstellung des Albums mit Dolores’ Familie und gemeinsam entschied man sich, sie auf diese Weise zu würdigen. Noel erinnert sich an die Bedenken, die die Band damals hatte: “Wir wussten, dieses müsste eines der, wenn nicht sogar das beste Cranberries Album werden, das wir in der Lage waren abzuliefern. Unsere Sorge war, dass wir das Vermächtnis der Band mit einem Album zerstören würden, das den Ansprüchen nicht genügt. Aber als wir erst einmal alle Demos angehört hatten, an denen Dolores und ich gearbeitet haben, wussten wir sofort, dass wir in sehr starkes Album in unseren Händen hielten, und es herauszubringen, der einzig richtige Weg war, um Dolores Ehre zu erweisen.”
Ein entscheidender Faktor war sicherlich die Nähe zu den klanglichen Wurzeln der Formation. “Als wir uns gemeinsam mit Stephen die Demos anhörten, fiel uns sofort auf, dass der Sound viel näher an unserem ersten Album ist als alles, was wir in der Zwischenzeit veröffentlicht hatten. Bei einigen Songs ist Dolores’ Gesang so einfühlsam wie in unserer Anfangszeit, aber auch die Einfachheit mancher Songs versetzte uns zurück in diese Zeit”, resümiert Noel.
Was Schöngerede sein könnte, ist es nicht. Den Fans wird tatsächlich das beste Cranberries-Album seit 20 Jahren geboten. Die von Streichern unterlegte Ballade “Lost” weiß einen zu berühren, “Wake Me When It’s Over” ist eine kraftvolle Hymne für abgenervte Momente, mit dem akustischeren Midtempo-Stück “A Place I Know” kommt etwas mehr Folk ins Spiel, “Got It” treibt gut an und “Illusion” besitzt lakonische Gemütlichkeit.
Gut gelungene Nummern sind auch das getragene “Catch Me If You Can”, das sanften Rock, Streicher und viel Groove fusioniert, und der abschließende Titeltrack “In The End” – “Ain’t it strange? When everything you wanted was nothing like you wanted? In the end!” Abzüge in der B-Note gibt es allerdings für die eher langweiligeren Stücke “Crazy Heart”, “Summer Song” und “The Pressure”, die mit dem Rest der Scheibe nicht mithalten können und vor sich hin plätschern. Trotzdem ein insgesamt gelungenes Album mit vielen guten Stücken und noch ein letztes Mal der tollen Stimme von Dolores.
www.cranberries.com
facebook.com/TheCranberries
Bewertung: 7 von 10 Punkten
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