Ausgeflogen
Darsteller: Sandrine Kiberlain, Thaïs Alessandrin, Mickael Lumière, Victor Belmondo
Regie: Lisa Azuelos
Dauer: 85 Minuten
FSK: freigegeben ab 6 Jahren
Website: ausgeflogen-film.de
Facebook: facebook.com/ausgeflogen.film
Schon in ihrem Sensationserfolg “LOL” (2008) konfrontierte uns Lisa Azuelos, selbst alleinerziehende Mutter dreier Kinder, mit den Sorgen und Nöten im Alltag mit einer pubertierenden Tochter. Während sie damals ihren Blick aber hauptsächlich auf die Liebeswirren der Tochter richtete, konzentriert sie sich jetzt mit “Ausgeflogen” weitestgehend auf die Gefühlswelt einer Mutter, die ihre jüngste Tochter bald in deren eigenes Leben entlassen muss.
Und mehr Autobiografie als in ihrem neuen Film geht wohl nur in einer Dokumentation, weshalb es dann auch nahelag, die Rolle der Tochter Jade der Einfachheit halber gleich mit ihrem eigenen Nachwuchs Thaïs zu besetzen. Das aber funktioniert ganz wunderbar, fällt ja für sie das essenzielle Hineinfühlen in ihren Part gleich komplett weg und stimmt die Chemie zwischen ihr und Sandrine Kiberlain als Mutter Heloïse von der ersten Sekunde an. Warum Azuelos allerdings beim Erzählen ihrer eigenen Geschichte Wert auf die Namensänderungen legte, erschließt sich bei Kenntnis der Hintergründe nicht unbedingt, tut aber genau genommen auch gar nichts zur Sache.
Viel wichtiger ist da doch, dass Heloïses Ängste, in Tochter Jade einen Großteil ihres Lebensinhalts zu verlieren, absolut nachvollziehbar sind, ob man nun Kinder hat oder nicht. Die Frage des Loslassenkönnens nämlich stellt sich ja allen Eltern früher oder später, und deren Problematik ist sicherlich auch Außenstehenden bestens ersichtlich. Hier drehte sich Heloïses komplettes Leben bisher um ihre Kinder, von denen sie zwei bereits erfolgreich in ihr eigenes Leben entlassen hat. Als sich mit dem Eintreffen des Annahmeschreibens einer kanadischen Uni jedoch auch der Abschied von Nesthäkchen Jade konkretisiert, scheint sie vor Verlustängsten fast den Boden unter den Füßen zu verlieren. So fängt sie an, zur Erinnerung an sie jede noch so alltägliche Situation mit ihrer Handykamera festzuhalten, was nicht nur für Jade überaus nervig ist, sondern auch gewisse psychotische Züge aufweist.
(© Alamode Film)
Das aber entsprach laut Regisseurin Azuelos durchaus der Realität und wurde schon durch Richard Linklaters Filmprojekt “Boyhood” von 2014 begründet, bei dem der die Entwicklung seines Protagonisten über ein Jahrzehnt mit der Kamera begleitete. Allen Ernstes zu glauben, die Anwesenheit der Tochter durch Aufzeichnungen ersetzen zu können, stellt Azuelos dann auch ins Zentrum der Vorstellung ihrer Heloïse, die beim Verlust ihres Handys dem Nervenzusammenbruch gefährlich nahekommt. Gut, dass sie da gerade noch die Kurve kriegt, und von ihren Kindern aufgefangen wird.
Mit “Ausgeflogen” gewährt uns Azuelos einen intimen Blick in ihr eigenes Seelenleben, den uns das einfühlsame Spiel von Sandrine Kiberlain zusammen mit Thaïs Alessandrine erst ermöglicht. Das ist bis zu einem gewissen Punkt sehr nett anzuschauen und erzeugt wirklich einiges an Mitgefühl. Nach einiger Zeit aber dreht sich die Handlung doch gewaltig im Kreis und kann nichts großartig Neues mehr beisteuern. Da wirkt dann trotz überaus lebhaft gezeichneter Charaktere auch Heloïses Baraufriss etwas ermüdend und unrealistisch. Und dass die so ganz nebenbei auch noch ein gut gehendes Restaurant betreibt, passt zwar exzellent zur gestressten, emanzipierten Alleinerziehenden und ist auch schnell ins Drehbuch geschrieben, sorgt beim Realisten aber durchaus für Kopfschütteln. Das hätte Azuelos dann doch lieber bei einer Filmtätigkeit belassen sollen, wo sie uns schon so schön in die Gefühlswelt einer loslassenden Mutter mitnimmt.
Trailer:
Bewertung: 5 von 10 Punkten
