Nick Cave And The Bad Seeds

“Ghosteen”

(2CD, Ghosteen Ltd., 2019)

Für die Veröffentlichung seines 17. Studioalbums “Ghosteen” hat sich Nick Cave Besonderes ausgedacht. Am 3. Oktober 2019 feierte das zweiteilige Werk seine globale Premiere auf YouTube mit einem Video, bei dem nach und nach Wörter und Lyrics in einer sich farblich verändernden Wolkenlandschaft enthüllt wurden – hier noch komplett zu sehen.

Am 4. Oktober dann wurde die Scheibe auf allen digitalen Plattformen veröffentlicht, und mehr als einen Monat später nun können sich die Fans “Ghosteen” seit dem 8. November auch als Doppel-LP auf Vinyl und als Doppel-CD nach Hause holen.

Genauso besonders ist auch das Album selbst geworden. Zusammen mit seiner Band The Bad Seeds, die aus Warren Ellis (Synthesizer, Loops, Flöte, Violine, Piano, Backing Vocals), Martyn Casey (Bass),  George Vjestica (Gitarre), Thomas Wydler (Drums) und Jim Sclavunos (Vibraphone, Percussion) besteht, bietet Cave zwei Kapitel und erklärt: “The songs on the first album are the children. The songs on the second album are their parents. Ghosteen is a migrating spirit.”

Auf den 39 Minuten von “Part 1” bietet Cave gewohnt melancholische, schöne Stücke, die hier aber noch weit getragener, reduzierter und von Besinnlichkeit geprägt daher kommen als bisher – was auch für “Part 2” gelten soll. Manche von ihnen wie der Opener “Spinning Song” oder “Sun Forest” sind mit elektronischen Flächen unterlegt und erinnern mit Caves gesprochenen Texten dazu etwas an die frühen Tage der damaligen Elektro-Poetin Anne Clark, nur dass diese zumeist weit mehr auf Rhythmen setzte, die hier größtenteils überhaupt keine Rolle spielen. Andere Stücke wie “Bright Horses” oder “Waiting For You” bauen auf Pianoklänge mit klagend erscheinenden Gesängen im Hintergrund, manchmal Streichern, manchmal verhaltenen Synthieklängen.

Auf den 30 Minuten von “Part 2” wird es episch, findet man hier doch gerade einmal drei Stücke. “Ghosteen” macht als Titelsong den Anfang und startet mit vier Minuten sphärischer Klangwelten zwischen elektronischen Klängen und Streichern, bevor Gesang dazu kommt und im weiteren Verlauf auch volle Klangbilder erzeugt werden, bei denen sogar Drummer Thomas Wydler mal hörbar beteiligt ist, bevor die sechs Minuten der zweiten Hälfte dann wieder ruhig und minimalistisch daher kommen und man die Gitarre von George Vjestica weiterhin suchen darf.

“Fireflies” ist mit dreieinhalb Minuten und Poesie auf Klagteppich eher als Zwischenspiel des zweiten Teils zu sehen, bevor “Hollywood” alles andere ist als das protzige Getöse, was man mit diesem Namen verbindet. Ganz ruhig geht es hier los mit Sprache zu einzelnen Elektroklängen und langsam, aber bedrohlich wummerndem Bass. Die Nummer steigert sich auch nicht groß in puncto ihres Klangbilds, wohl aber wird sie etwas intensiver und eindringlicher, wenn in der zweiten Hälfte dann auch gesungen wird, mit “And I’m just waiting now for my time to come, and I’m just waiting now for peace to come, for peace to come” abschließend.

Mit dem ruhigen Album, dessen Melancholie so viel Schönheit mit sich bringt, verarbeitet Nick Cave den Tod seines 2015 im Alter von 15 Jahren von einer Klippe an der südenglischen Küste gestürzten Sohnes Arthur sicherlich weit besser noch als mit dem eher trotzigen Vorgänger “Skeleton Tree”. Sicher keine Songs für fröhliche Momente oder zum Nebenbei-Dudeln-Lassen, die Cave hier abliefert, aber hervorragende Kopfmusik voller Gefühl, von Zerbrechlichkeit ebenso geprägt wie von Stärke.

Hier sind Nick Cave And The Bad Seeds 2020 live zu sehen – Tickets gibt es z.B. hier bei Eventim (Partnerlink).

17.05.2020  Köln, Lanxess Arena
18.05.2020  Hamburg, Barclaycard Arena
27.05.2020  Berlin, Mercedes-Benz-Arena
06.06.2020  München, Olympiahalle

nickcave.com
facebook.com/nickcaveandthebadseeds

Bewertung: 8 von 10 Punkten

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