Home MusikCD-Rezensionen Die Punkrocker von Dritte Wahl sind nach drei Jahrzehnten auf dem Höhepunkt ihres Schaffens angekommen

Die Punkrocker von Dritte Wahl sind nach drei Jahrzehnten auf dem Höhepunkt ihres Schaffens angekommen

Autor: Tobi

Dritte Wahl "3D"

Dritte Wahl

“3D”

(CD, Dritte Wahl Records, 2020)

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Zwei Jahre ist es her, da feierten die Punkrocker von Dritte Wahl ihr 30-jähriges Bandjubiläum. Nachdem die Rostocker mit dem krebsbedingten Tod von Sänger/Bassist Marko “Busch’n” Busch 2005 einen derben Nackenschlag zu überwinden hatten, kamen die beiden Gründungsmitglieder Gunnar Schröder, der zusätzlich zur Arbeit an der Gitarre zum neuem Frontmann wurde, und Jörn “Krel” Schröder an den Drums zusammen mit dem damals als neuen Bassisten rekrutierten Stefan Ladwig zu fast schon unerwarteten Erfolgen.

Mit ihrem Album “Geblitzdingst” stiegen die Jungs 2015 erstmals in die Charts ein und kletterten bis auf Platz 23, um dann mit Neumitglied Holger H. als zweitem Gitarrist und Keyboarder das zehnte Album “10” aufzunehmen, welches 2017 mit Platz 12 sogar an den Top Ten schnupperte.

Dritte Wahl (© Robert Eickelpoth)

(© Robert Eickelpoth)

“Der größte Vorteil daran war, das man bei so Dingen wie Elternabenden plötzlich ernster genommen wird”, merkte die Band augenzwinkernd an. Natürlich aber spielten Dritte Wahl nun plötzlich in größeren Hallen und wurden auch bei Festivals prominenter platziert. “Man wächst halt mit seinen Aufgaben. Aber egal ob da nun dreißig oder dreihundert Leute stehen – du musst genauso abliefern wie vor dreitausend Besuchern” untermauerte Bandleader Gunnar die richtige Einstellung.

Dritte Wahl bleiben natürlich auch jetzt auf dem Boden, und auf den 51 Minuten ihres neuen Albums “3D” verabreichen sie 14 neue Songs, in denen sie Themen aus dem Alltag und unserer Gesellschaft gewohnt treffsicher thematisieren.

Zusammen mit ihrem langjährigen Produzenten Jörg Umbreit haben die Jungs in den Münsteraner Principal Studios frisch und frei aufgespielt. “Wir müssen niemandem mehr etwas beweisen. Und aus dieser Position heraus lässt es sich herrlich entspannt musizieren. Das gibt uns die Freiheit Dinge zu tun, auf die wir Lust haben. Wir müssen nicht mehr die Härtesten sein, haben nicht mehr den Anspruch, Melodien zu erfinden, die es noch nicht gegeben hat. Wichtig ist, dass es uns gefällt. Wir sind bei uns angekommen, wissen was zu uns passt, worauf wir Bock haben und worauf nicht.”

Hierbei sind Dritte Wahl mal wieder zur Höchstform aufgelaufen und präsentieren sich facettenreich. Der Opener “Ikarus” über falsch eingeschlagene Wege kommt mit einigem Groove daher, weiß einen mit Energie und hymnenhaftem Refrain dann rasch zu packen. Auch wenn Berührungstänze in Corona-Zeiten gerade eher nicht zu empfehlen sind, hauen einem die Jungs natürlich auch wieder einige pogotaugliche Treiber um die Ohren, wie das kurz mal mit einer Kirmes-artigen, gemütlichen Passage durchbrochene “Was zur Hölle…?!”, in dem sich Gott wundert, was auf der Erde heute so alles los ist, wie das peitschende “Fabelhafte Voraussetzung” über drohendes Unheil, das mit einigem Witz angerichtete “Ohne mich” über Dinge, die man nicht machen muss, “Zur See” über Ausreiß-Lust oder “Zusammen” als Ode an Freundschaft und Fans.

Dritte Wahl verstehen es aber auch, mal das Tempo zu drosseln und mit Riffs, Beats und Gunnars rauem, ausdruchsstarkem Gesang noch Progressivität zu vermitteln, wie in “Abends halb zehn” über den Ausklang eines ganz normalen Tags in Deutschland, im melodischen “Warm anziehen” mit geschicktem Wortspiel oder in “Alles nur Chemie” über schwierige Liebesbekundungen. Ja, da handelt dann eben die einzige Ballade auch mal von einem dichtgemachten Elektro-Fachgeschäft.

Mit dem starken “Brennt alles nieder” findet das Quartett zudem deutliche Worte gegen den Rechtsruck in unserer Gesellschaft und macht klar: “Wenn man noch alte, schreckliche Bilder, wie die aus Rostock-Lichtenhagen, vor den Augen hat, sind Busse voll mit flüchtenden Kindern, die verjagt werden, einfach nicht in Kauf zu nehmen. Wir führen hier ein halbwegs behütetes Leben, doch Dinge wie Vertreibung sind auf der ganzen Erde allgegenwärtig.”

Die Mischung aus politischen, gesellschaftskritischen und unterhaltsamen Themen passt, und so zeigen die Jungs, dass deutscher Punkrock noch lange nicht tot ist. “Unsere Attitüde, wie wir Dinge angehen, wird auch immer so sein. Wir sind politisch, wir zeigen Haltung. Und wir machen, was wir für richtig halten. Deswegen passt dieser Begriff nach wie vor zu uns.”

Auch weil Dritte Wahl auf ihrem eigenen Label veröffentlichen, ist ihre musikalische wie textliche Freiheit nicht eingeschränkt und mündet erneut in überzeugende Songs. “Das ist ein sehr großes Privileg für uns. Manche Künstler schränken sich selbst vielleicht etwas zu sehr ein, wir hingegen denken, dass ein Publikum auch mal die ungeschönte Wahrheit vertragen kann und es begrüßt, wenn sich Künstler äußern. Man darf nie vergessen, dass diejenigen die am lautesten pöbeln, eben nicht die Mehrheit sind.”

Aber auch der Spaß kommt nicht zu kurz, wenn die “Schöne Frau mit Geld” hoffentlich noch kommt und “Wenn ich groß bin” jede Menge guter Vorsätze formuliert – für später mal. Die Wahl des Album-Titels war hingegen längst überfällig. “Wenn man schon Dritte Wahl heißt, dann muss man eigentlich mal ein Album namens ‘3D’ machen. Hätten wir auch früher drauf kommen können.” Die Verpackung des Tonträgers spiegelt das Ganze in entsprechender, konsequenter Form wider.

Keine Frage, Dritte Wahl haben noch jede Menge Bock auf Musik und sind anscheinend gerade erst auf dem Höhepunkt ihres Schaffens angekommen. “Wenn uns jemand gesagt hätte, dass wir nach dreißig Jahren Bandgeschichte immer noch auf der Bühne stehen, Platten aufnehmen und Punkrock machen dürfen, dann hätten wir ihm einen Vogel gezeigt. Umso dankbarer sind wir dieses tolle Gefühl weiterhin erleben zu dürfen.”

Ihr Tour mussten Dritte Wahl abgesehen vom Release-Konzert ins nächste Jahr verschieben, und hier haben sie dann auch gleich noch ein paar neue Termine hinzu gefügt. Hier die Daten – Tickets gibt es z.B. hier bei Eventim (Partnerlink).

18.09.20 Halle (Saale) – Peißnitz Insel (Release Konzert – bestuhlt)
26.02.21 Essen – Turock (NEU)
27.02.21 Münster – Skaters Palace (NEU)
05.03.21 Chemnitz – AJZ (NEU)
06.03.21 Jena – F-Haus (NEU)
12.03.21 Wilhelmshaven – Pumpwerk (NEU)
13.03.21 Kiel – Pumpe (NEU)
19.03.21 Ulm – Roxy (NEU)
20.03.21 Karlsruhe – Substage (NEU)
16.04.21 Memmingen – Kamminwerk (NEU)
17.04.21 Ch-Olten – Schützi (NEU)
22.04.21 Magdeburg – Factory (verlegt vom 11.09.20)
23.04.21 Marburg – KFZ (NEU)
24.04.21 Köln – Live Music Hall (NEU)
13.05.21 Göttingen – Musa (NEU)
14.05.21 Schwerin – Zenit (NEU)
15.05.21 Cottbus – Gladhouse (NEU)
09.10.21 Hamburg – Große Freiheit (verlegt vom 7.11.20)
21.10.21 Stuttgart – LKA (verlegt vom 6.11.20)
22.10.21 Bielefeld – Forum (verlegt vom 18.12.20)
23.10.21 Bremen – Schlachthof (verlegt vom 21.11.20)
06.11.21 Düsseldorf (verlegt vom 28.11.20)
18.11.21 Saarbrücken – Garage (NEU)
19.11.21 CH-Bern – Dachstock (verlegt vom 26.11.20)
20.11.21 Erfurt – Club Central (verlegt vom 14.11.20)
25.11.21 Wien – Flex (NEU)
26.11.21 Nürnberg – Der Hirsch (verlegt vom 04.12.20)
27.11.21 München – Backstage Halle (verlegt vom 13.11.20)
02.12.21 Aschaffenburg – Colos Saal (NEU)
03.12.21 CH-Zürich – Dynamo (verlegt vom 27.11.20)
04.12.21 Wiesbaden – Schlachthof (verlegt vom 05.12.20)
10.12.21 Hannover – Faust (verlegt vom 20.11.20)
11.12.21 Berlin – C-Halle (verlegt vom 12.12.20)
18.12.21 Leipzig – Haus Auensee (verlegt vom 11.12.20)

www.dritte-wahl.de
facebook.com/drittewahl

Bewertung: 8 von 10 Punkten

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