Gorillaz
“Song Machine – Season One: Strange Timez”
(CD, Parlophone, 2020)
Die Gorillaz kennt man als erfolgreichste virtuelle Band der Welt, gegründet von Damon Albarn (Blur) und Jamie Hewlett. Ende Januar schlugen die Charaktere 2D (Leadgesang und Keyboard), Murdoc Niccals (E-Bass), Noodle (Leadgitarre und Hintergrundgesang) und Russel Hobbs (Schlagzeug und Perkussion) das nächste Kapitel ihres Kreativitäts-Almanachs auf und erschufen mit der “Song Machine” eine sich immer weiter anreichernde Sammlung an Kollaborationen mit verschiedensten Künstlern. Jede Episode wird hierbei im Video von “Machine Bitez” begleitet als Unterhaltungen zwischen den Cartoon-Band-Mitgliedern und ihren Real-Life-Kollaborateuren.
“‘Song Machine’ ist eine ganz neue Art, das zu tun, was wir tun”, erklärte Russel. “Die Gorillaz brechen die Form, weil die Form alt geworden ist. Die Welt bewegt sich schneller als ein überladenes Teilchen, also müssen wir bereit sein, uns fallen zu lassen.”
Es war ähnlich wie bei Ed Sheeran mit seinem “No. 6 Collaborations Project” – wenn Superstars zum Tanz bitten, kommen namhafte Partner. Musikalisch geht es hier allerdings doch wie erwartet ganz anders zu, und in den Kong Studios haben die Gorillaz Stücke erschaffen, bei denen es ihnen wunderbar gelungen ist, ihren eigenen Stil mit dem der Gäste zu fusionieren, so dass charakteristische Merkmale der Kollaborateure immer genug Raum bekommen haben, um eben weit mehr zu sein als nur Namedropping-Features.
(© Warner Music)
Bisher gab es sieben Episoden, jede mit einem ganz eigenen Video versehen – und nun beschert das Album “Song Machine – Season One: Strange Timez” eine erste Sammlung mit elf Tracks, auf der uns vorliegenden 65-minütigen Deluxe Version sogar mit 17 Tracks.
Natürlich sind die bisher erschienenen Episoden allesamt vertreten. Zu allererst zeigten sich die Gorillaz hierbei an der Seite von slowthai und Slaves, und die Single “Momentary Bliss” bot hierbei ein sehr interessantes Hin- und Herspringen zwischen gemütlichen und progressiv britpoppigen Passagen.
Ende Februar ging Episode zwei online, und auf dem schönen, entspannt poppigen “Désolé” (französisch für “tut mir leid” kollaborierten die Gorillaz mit der mehrfach Grammy-nominierten, malischen Sängerin Fatoumata Diawara. Im dazugehörigen Clip ließ sich die kühnen Helden aus einem Portal in den Kong Studios an den Comer See teleportieren.
Weiter ging es mit “Aries”, bei dem sie mit dem ehemaligen New-Order-Bassisten Peter Hook und der 80er-Jahre-Stil in die Moderne hievenden Solo-Künstlerin Georgia zusammen arbeiteten. Das Stück ließ Hooks typischen, wie Leadgitarre gespielten Bass ebenso klar durchklingen wie die E-Drums der Britin, die gesanglich allerdings nicht in Erscheinung trat.
Nachdem das experimenteller daher kommende “Friday 13th” mit Octavian zwischen souligen Momenten und Spoken Word wenig an typische Songstrukturen erinnerte, widmeten sich die Gorillaz in der fünften Episode einem Klassiker. Zum 40-jährigen Jubiläum des legendären Arcade- und Videospiels “Pac-Man” erschufen sie zusammen mit dem bereits für mehrere Grammys nominierten, amerikanischen Rapper ScHoolboyQ eine Hommage als relaxte, funky daher kommende Rap-Pop-Nummer, die auch originale Samples und Sound-Effekte des Spiels aufbietet.
Sowohl 2-D als auch ScHoolboy Q vergleichen ihr Leben im noch vor dem Lockdown in London aufgenommenen Track mit dem gleichnamigen Spiel, indem sie mehrfach darauf hinweisen, dass sie sich festgefahren fühlen und versuchen, ins nächste Level aufzusteigen – und natürlich kommt das Kult-Spiel auch in dem dazugehörigen Musikvideo vor: Nachdem Bassist Murdoc ein Arcade-Exemplar für die Bandeigenen Kong Studios beschafft hat, kommt 2-D davon gar nicht mehr los.
Mit der sechsten Episode “Strange Timez” eröffnen die Gorillaz das Album und nutzten diese ja auch namensgebend. Kein Geringerer als The-Cure-Legende Robert Smith hat hierfür mit der Band kollaboriert, und der Song ist dann auch eine spannende Fusion von typischen Piano-Klängen und Gesang aus dem Universum der Goth-Wave-Legenden mit treibendem Rhythmus und Sprechgesang der Gorillaz.
Ähnlich faszinierend und noch bewegungsfördernder ist das starke “The Valley Of The Pagans” geworden, das die Band zusammen mit Beck erarbeitet hat, und auch “Chalk Tablet Towers” mit St Vincent kommt recht druckvoll daher. Die Midtemponummer “The Lost Chord” mit Leee John setzt hingegen auf chillige Atmosphäre und warme Klänge, lullt einen so ebenso wunderbar ein wie der relaxte R&B-Rap-Song “Dead Butterflies” mit Kano und Roxani Arias.
Das normale Album wird komplettiert von “The Pink Phantom”, und kein Geringerer als Sir Elton John ist als weitere Musik-Legende beim ruhig basierten Stück zu hören, ebenso wie der dreifach Grammy-nominierte Rapper/Sänger/Songwriter 6LACK. Eine tolle und ertragreiche Kollaboration, zu der Elton John sagte: “Damon hat mich kontaktiert und gebeten, etwas beizusteuern. Was am Ende aus dem Song wurde, ist schlicht großartig. Ich war in London im Studio und er am anderen Ende in Devon, doch selbst über die Entfernung war es ein so spannender und kreativer Prozess. Ich habe Damon schon immer geliebt, weil er so viele unterschiedliche Arten von Musik einschließt. Er hat seine Finger bei so vielen Sachen im Spiel und so viel erreicht und doch steht er kreativ nie still. Er strebt beständig vorwärts und ist offen für Neues, was bewundernswert und selten ist. Er arbeitet immer, hat ständig etwas in der Mache. Er hat so viel getan, um Musik aus aller Welt zu verbreiten, aus Afrika, aus China, die den Leuten vorher nicht bekannt war. Und das bewundere ich sehr. Abgesehen davon war ich sowieso schon immer ein Gorillaz-Fan und als er mich fragte, ob ich bei einem Track mitmachen will – war es ein Selbstläufer. Ich freue mich sehr, sehr darüber, dass es geklappt hat.”
Die Bonustracks der Deluxe-Version machen es nachzuvollziehbar, dass sie als Extras deklariert wurden, sie sind aber in jedem Fall eine gerne genommene Ergänzung und machen die Scheibe noch abwechslungsreicher. “Opium” mit EARTHGANG untermauert dies bereits als technoide Nummer, während “Simplicity” mit Joan As Police Woman sich hypnotisierend trocken und hierbei durchaus reizvoll voran schleppt und “Severed Head” mit Goldlink sowie dem Unknown Mortal Orchestra leichte Progressivität experimentell mit entspanntem Techno und Rap fusioniert. “With Love To An Ex” bietet mit Moonchild Sanelly langsamen Groove und verspieltes Klangbild, “MLS” mit JPEGMAFIA und CHAI ist eine Rap-Nummer mit poppigem Einschlag, und als Abschluss verabreicht “How Far?” mit Tony Allen und Skepta gradlinigeren HipHop, der aber trotz flotter Flows nicht ohne entspannte Grundnote bleibt. Alles in allem ein überzeugendes Kollaborations-Album der Gorillaz, das viel Freude bereitet.
Das Tracklisting:
01 Strange Timez (ft. Robert Smith)
02 The Valley of The Pagans (ft. Beck)
03 The Lost Chord (ft. Leee John)
04 Pac-Man (ft. ScHoolboy Q)
05 Chalk Tablet Towers (ft. St Vincent)
06 The Pink Phantom (ft. Elton John and 6LACK)
07 Aries (feat. Peter Hook and Georgia)
08 Friday 13th(ft. Octavian)
09 Dead Butterflies (ft. Kano and Roxani Arias)
10 Désolé (ft. Fatoumata Diawara) (Extended Version)
11 Momentary Bliss (ft. slowthai and Slaves)
Bonustracks der Deluxe Version:
12 Opium (ft. EARTHGANG)
13 Simplicity (ft. Joan As Police Woman)
14 Severed Head (ft. Goldlink and Unknown Mortal Orchestra)
15 With Love To An Ex (ft. Moonchild Sanelly)
16 MLS (feat. JPEGMAFIA and CHAI)
17 How Far? (ft. Tony Allen and Skepta)
Im Rahmen der “Song Machine Tour” werden die Gorillaz am 12. und 13. Dezember ihre erste Show seit 2018 live übertragen, bevor sie im kommenden Sommer Köln, Berlin und Luxemburg besuchen und am 11. August 2021 im Londoner The O2 eine Homecoming-Show geben werden. Hier die Daten – Tickets gibt es z.B. hier bei Eventim (Partnerlink).
16.06.2021 Köln, Tanzbrunnen
18.06.2021 Berlin, Parkbühne Wuhlheide
01.07.2021 Luxemburg, Rockhal
11.08.2021 London, The O2
gorillaz.com
facebook.com/gorillaz
Bewertung: 8 von 10 Punkten
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