Home Film “Promising Young Woman” – ein imposanter Rachefeldzug als akribisch durchdachtes Vergewaltigungsdrama

“Promising Young Woman” – ein imposanter Rachefeldzug als akribisch durchdachtes Vergewaltigungsdrama

Autor: Mick

"Promising Young Woman" Filmplakat (© 2020 Focus Features)

Promising Young Woman

Darsteller: Carey Mulligan, Bo Burnham, Alison Brie, Adam Brody
Regie: Emerald Fennel
Dauer: 113 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.upig.de/micro/promising-young-woman
Facebook: facebook.com/PromisingYoungWoman.DE


Das Thema Vergewaltigung ist spätestens seit Jonathan Kaplans „Angeklagt“ (1988), der damals hohe Wellen schlug und mit dem Hauptdarstellerin Jodie Foster für ihre Performance als Opfer den Oscar bekam, auch im Kino angekommen. Und obwohl im Zuge der „MeToo“-Kampagne unlängst gerade in Hollywood scheinbar unantastbare Alphatiere nicht mehr ungestraft davonkamen, scheint sich gesellschaftlich nicht viel verändert zu haben. Das muss wohl auch die Britin Emerald Fennell so empfinden, die man als Camilla aus der erfolgreichen TV-Serie „The Crown“ kennt und jetzt mit ihrem selbstgeschriebenen Langfilmdebüt „Promising Young Woman“ eine ganz andere Herangehensweise verfolgt als das klassische Gerichtsdrama aus den 80ern, dabei aber nicht weniger vehement immer noch bestehende Missstände anprangert.

Dafür schickt sie die 30-jährige Cassie (Carey Mulligan) auf die Piste, die sich regelmäßig scheinbar volltrunken von Kerlen abschleppen lässt. Und noch ehe man im kunterbunten Treiben richtig begriffen hat, wohin uns der Film eigentlich führen will, verschlägt es einem wie Jerry (Adam Brody), der mit der fast Besinnungslosen offensichtlich nur eins im Sinn hat, buchstäblich die Sprache. Cassie nämlich ist stocknüchtern und konfrontiert ihn, schon mit dem von ihr nur widerwillig hergegebenen Slip in der Hand, mit seinem inakzeptablen Verhalten. Der ist genauso perplex wie wir, findet das in seiner Erklärungsnot aber weit weniger lustig.

Ein erstes Ausrufezeichen, das der Streifen hier setzt und anschließend nicht im Geringsten nachlässt. Zwar nimmt Regisseurin Fennell die Schlagzahl ein wenig zurück, verschafft uns dafür jedoch genügend Zeit, uns mit dem Schicksal der einst so vielversprechenden Medizinstudentin Cassie vertraut zu machen. Carey Mulligan spielt die genauso zerbrechlich wie gnadenlos und lässt uns Stück für Stück weiter in die traumatisierte Seele ihrer Cassie schauen, die nach dem nicht überwundenen Verlust ihrer Freundin Nina völlig aus der Bahn geriet, ihr Studium schmiss und sich nun verzweifelt auf einem Kreuzzug gegen die größtenteils unverbesserliche Männlichkeit befindet.

Als wäre das nicht schon intensiv genug, trifft sie zufällig auf ihren früheren Kommilitonen Ryan, der sie mit den neusten Informationen aus der heilen Welt ihres früheren, gemeinsamen Freundeskreises versorgt. Der schaute damals tatenlos Ninas Vergewaltigung zu, ja gab der Betrunkenen der Einfachheit halber sogar die Schuld an den brutalen Vorkommnissen und ihren Folgen. Diese Scheinheiligkeit streut neuerlich Salz in Cassies ohnehin schon klaffende seelische Wunde und bringt sie dazu, nun einen ausgeklügelten Racheplan an allen damaligen Beteiligten zu verfolgen.

"Promising Young Woman" Szenenbild (© 2020 Focus Features)

(© 2020 Focus Features)

Emerald Fennell inszeniert den mit einem enormen Gespür für Timing, gliedert Cassies klug durchdachten Feldzug in klar gekennzeichnete Kapitel und hat unsere Sympathien für ihre Sache eigentlich schon mit deren entlarvender Aktion nach dem anfänglichen Clubabend gewonnen. So bereitet sie uns trotz aller Tragik der zugrundeliegenden Ereignisse, die sie mit ihrer wunderbaren Hauptdarstellerin nie aus den Augen verliert, ein unglaubliches Vergnügen beim Verfolgen der minutiös geplanten Schritte, die sich mit bewundernswerter Konsequenz einem unvermeidlichen Ziel annähern.

Dass wir zusammen mit Cassie bei ihrem Streben nach Gerechtigkeit ungebremst gegen die gleichen gesellschaftlichen Mauern laufen wie schon immer, empört nachdrücklich und regt angesichts der absolut authentischen Konfliktsituationen zum Nachdenken an. Gerade dadurch gewinnt der intelligente, auch so schon ungemein fesselnde Streifen, an Tiefe, die über die anfänglich etwas unangemessen humoristische Tonart und das doch recht pathetisch geratene Ende hinwegtröstet.

Trailer:

Bewertung: 9 von 10 Punkten

 

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