Home MusikInterviews Die Ohrbooten sprechen über das Album “Tanz mal drüber nach” (07/15)

Die Ohrbooten sprechen über das Album “Tanz mal drüber nach” (07/15)

Autor: Tobi

Ohrbooten

Die Ohrbooten gibt es seit 2003. Im Jahr 2005 veröffentlichten sie ihr Debüt “Spielbetrieb” auf dem Label der Toten Hosen, JKP, bei dem dann 2007 noch “Babylon bei Boot” und 2009 “Gyp Hop” folgten. 2013 wurde “Alles für alle bis alles alle ist” bei BMG veröffentlicht, nun überzeugen Ben (Gesang, Gitarre), Matze (Gitarre), Onkel (Schlagzeug, Percussion) und Spange (Keyboard) mit den 43 Minuten und elf Tracks von “Tanz mal drüber nach”. Die Tracks des neuen Albums greifen den selbsternannten Gyp Hop Stil aber wieder gut auf und verbinden HipHop, Reggae, Indie und wieder vermehrt Gypsie-Folklore in hervorragender und abwechslungsreicher Art und Weise. Dazu gibt es starke Texte, die Spaß bereiten, ab und an aber auch zum Nachdenken bewegen, wobei Stimmung und Humor doch im Vordergrund stehen – nicht umsonst sind die Livekonzerte der Berliner stets fette Parties, bei denen die Fans tanzen, singen, einfach massig Freude haben. “Tanz mal drüber nach” ist ein ganz hervorragendes Album einer der besten deutschsprachigen Bands – Musik stark, Texte stark, Produktion stark, Unterhaltungsfaktor riesig. Wer die Chance hat, die Ohrbooten live zu erleben, sollte sich diese nicht entgehen lassen. Wir ließen es uns nicht entgehen, Matze einige Fragen zum Album zu stellen:

Ohrbooten "Tanz mal drüber nach" Jetzt bestellen bei Amazon.de

“Live geht’s ab – das ist für uns die Erfüllung.”

MUM: Glückwunsch zu einem gelungenen neuen Album. Für mich liegt die Scheibe stilistisch wieder mehr im Gyp Hop verglichen mit dem Vorgänger – siehst du das auch so?

M: Die Meinung kann ich nachvollziehen. Auf der aktuellen Platte gibt es mehr balkanartige Melodien, die mit Rap kombiniert sind, als auf auf der letzten. “Gyp Hop” ist ja eine von uns selbst gewählte Stilrichtung, die alles mit einschliesst, was wir machen – und damit auch die letzte Platte. Was dann jeder selbst darunter versteht, sei ihm oder ihr überlassen.

MUM: Was sind für dich die größten Unterschiede im Vergleich mit “Alles für alle bis alles alle ist”?

M: Aus unserer Perspektive war die Produktion von “Tanz mal drüber nach” um einiges entspannter. Wir haben früh genug angefangen, Aufnahmen zu machen und sind viel klarer an die Arbeit gegangen als bei der letzten Platte. Weniger nachgedacht. Und wir haben die Songs, bevor wir sie aufnahmen, schon sehr konkret arrangiert. Bei der “Alles für alle bis alles alle ist” haben wir das teilweise erst im Studio gemacht. “Tanz mal drüber nach” ist außerdem komplett von unserem Drummer Onkel gemischt.

MUM: Nach den Touren zu Alben scheint ihr euch erst einmal in alle Welt zu verstreuen, wenn man sich eure Facebook-Posts anschaut. Wie findet ihr dann wieder zusammen und motiviert euch, an neuem Material zu arbeiten? Wer definiert den Zeitpunkt, und ist das dann eher ein Muss oder große Lust auf neue Songs?

M: Die Songwriting-Phasen sind im Vergleich zum Tourleben ein großartiger kreativer Spielplatz, auf den wir uns dolle freuen, wenn wir wieder zusammenfinden. Musik machen wir eh die ganze Zeit, ob nun auf Tour oder privat unterwegs in anderen Ländern, und wenn es dann wieder zurückgeht, freuen wir uns sehr darauf, die Köpfe zusammenzustecken, um neue Lieder auszuhecken. Diese Auszeiten umreißen wir gemeinsam, bevor wir aufbrechen, damit alle einigermaßen gleichzeitig wieder in Berlin ankommen.

MUM: Für mich hat die neue Scheibe mit “Gewächshaus”, “Stadtkind 2.0” und “Nichts ist alles” drei Highlights inmitten von durchweg starken Songs. Welches ist dein Highlight, und warum?

M: Meine Highlights sind “Wasser ohne Grund” und “Schwerelos”. Beide berühren inhaltlich recht ernste Themen, und dennoch kannst du sie laut anmachen und dazu tanzen. “Schwerelos” hat auch schon einen festen Platz in unserem Live-Set und wird fleißig vom Publikum mitgesungen: “Wenn ich sterbe und unter die Erde komm, feiert das Leben auf meiner Beerdigung” – da krieg ich Gänsehaut!

MUM: Ihr gehört für mich zu den besten Livebands, weil ich eure Musik sehr mag und eure Konzerte einfach nur große Parties sind. War das schon immer so? Und wie toll ist das für euch, zu sehen, dass die Fans stets megamäßig abgehen und Spaß haben?

M: Live geht’s ab – das ist für uns die Erfüllung. Bei einigen Liedern sind die Leute so textsicher, dass wir sie selbst gar nicht zu singen brauchen und nur diesen großen Chor begleiten. Mit vielen Menschen gemeinsam singen, tanzen und freidrehen ist meiner Meinung nach eins der größten Geschenke, die es so gibt auf der Welt. Deswegen machen wir ja den ganzen Quatsch!

MUM: Habt ihre denn bei den Konzerten auch wirklich so viel Spaß, wie es einem erscheint – selbst beim zigsten Konzert einer Tour, machmal sicherlich auch in dürftigen Locations?

M: Ich glaube, dass dieser Spass nicht vorgetäuscht werden kann. Wir haben natürlich unsere Methoden entwickelt, wie wir uns auf die Bühne vorbereiten – wir singen und spielen uns warm, beispielsweise. Bei mir persönlich ist es so, dass ich, um mir die Zerknautschtheit der oft stundenlangen Autofahrten zu vertreiben, einen einsamen Spaziergang brauche oder so lange Seil springe, bis ich vergessen habe, dass ich schlechte Laune hatte. Location-mäßig sind wir hartgesotten. Da gibt es eigentlich nur zwei Sachen, die wichtig sind – dass man im Winter nicht friert und was Ordentliches zu essen bekommt.

MUM: Könnt ihr euch vorstellen, mal so groß zu werden, dass ihr Hallen füllt und die jetzige Nähe zum wirklich Fan nicht mehr da ist – wo dann halt nicht mehr alle singen und tanzen, dafür gibt es massig Kohle auf Grund der Menge der Besucher und natürlich dann überhöhter Ticketpreise?

M: Ich glaube, wenn Ohrbooten in der Halle spielen, wird auch dort gesungen und getanzt. Und was du hier ansprichst, ist ein Phänomen, dem jede Band in kommerziellen Gefilden ausgeliefert ist und mit dem auch wir uns auseinandersetzen müssen. So eine Art Isolation des Künstlers. Wir lösen das, indem wir aktiv mit den Leuten in Kontakt treten – sei es auf der Bühne oder nach dem Konzert an unserem Merchandise-Stand. Das machen wir dann auch in der Halle, versprochen!

MUM: Über all die Jahre gesehen von euren Anfängen bis jetzt – was war euer bester Song und warum?

M: Das kann ich nicht so recht sagen, weil ich einerseits keinen unserer Songs wirklich kacke finde und andererseits keinen als “den Besten” bezeichnen würde. Es gibt in der Tat aber Lieder, die nie ausgekoppelt wurden, obwohl sie richtig gut sind, z.B. “Gipsy Queen”, “Freier Fall”, “Kommen und Gehen” oder “Bild dir deine Meinung”, um nur ein paar zu nennen.

MUM: Ihr spielt ja auch gerne mal umsonst und draußen, ob bei der “Fete de la Musique” oder beim “Karneval der Kulturen”. Wie ist das, wenn von den Passanten nur die wenigsten einen als Band Ohrbooten erkennen? Back to the roots als Straßenmusiker?

M: Na die, die uns kennen, merken schon, dass wir es sind, wenn wir auf der Straße spielen, spätestens an den Liedern. Wir wurden aber auch schon mal gefragt, warum wir nur Ohrbooten-Songs spielen und keine eigenen, das war lustig. Und Leute, die uns noch gar nicht kennen, entdecken uns für sich auf der Straße auf ganz charmante Weise.

MUM: Welches sind deine drei Lieblingsalben aller Zeiten?

M: Im Moment “Below the Bassline” von Ernest Ranglin & Monty Alexander, das erste von Rage Against The Machine und “WAR” von Eric Burdon & War. Fies, dass man nur drei sagen kann. Morgen sind’s ein paar andere.

MUM: Wenn du dir drei Bands oder Künstler aussuchen könntest, um mit ihnen auf Tour zu gehen, wer wäre dies?

M: Jimi Hendrix, Bob Marley und aktuell Manu Chao.

MUM: Wie geht es für euch weiter in den nächsten Monaten? Einige Gigs bei Festivals sind verkündet, aber folgt denn auch eine Ohrbooten-Tour?

M: Ende des Jahres im Zeitraum November/Dezember fahren wir mit “Tanz mal drüber nach” auf Tour, jaaa!

MUM: Auf welches Festival freut ihr euch am meisten, und warum?

M: Fusion, weil geil! Summerjam, weil See!

MUM: Welche Frage wolltest du schon immer mal gestellt bekommen, und wie wäre die Antwort?

M: Als Weiterführung der Phrase “Wir sind nur zu Gast auf dieser Welt”: Wo sind wir dann zu Hause? Meine Antwort: Sirius B. Als Vermutung. Aber wer weiß das schon so genau?

_____________________

MUM: Mucke und mehr
M: Matze von den Ohrbooten

Mehr Informationen zu den Ohrbooten findet man auf www.ohrbooten.de.

 

Related Articles