Schachnovelle
Darsteller: Oliver Masucci, Albrecht Schuch, Birgit Minichmayr, Rolf Lassgård
Regie: Philipp Stölzl
Spieldauer: 111 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.studiocanal.de/kino/schachnovelle
Facebook: facebook.com/STUDIOCANAL.GERMANY
“Die ‘Schachnovelle’ ist mir schon früh begegnet”, erklärt Regisseur Philipp Stölzl, und das tut sie auch heute noch vielen, gehört der zwischen 1938 und 1941 vom österreichischen Autor Stefan Zweig im brasilianischen Exil verfasste Roman doch zu den absoluten Klassikern deutschsprachiger Literatur und wird immer noch gerne und oft im Schulunterricht behandelt.
Nun liegt also eine Neuverfilmung von Zweigs letztem und zugleich bekanntestem Buch vor, und nachdem Gerd Oswalds Adaption aus dem 1960 bereits mit großen Charakterdarstellern wie Curd Jürgens und Mario Adorf zu überzeugen wusste, bietet auch die neue Umsetzung grandiose Schauspielleistungen und weiß zudem mit einer in diversen Punkten von der Vorlage abweichenden Handlung zu fesseln.
Als das Nazi-Regime 1938 Österreich nach und nach besetzt, wird es in Wien für den Notar Josef Bartok (Oliver Masucci) und seine Frau Anna (Birgit Minichmayr) eng, auch wenn er dies zunächst nicht wahr haben möchte. Seine Rolle als Vermögensverwalter des Adels macht ihn allerdings zur Zielscheibe der Deutschen, und so plant er dann doch seine Flucht in die USA. Bevor es allerdings hierzu kommt, steht die Gestapo vor seiner Tür, und so verbrennt er pflichtbewusst rasch noch alle wichtigen Papiere, bevor er verhaftet wird.
Im edlen Hotel Metropol, das zum Hauptquartier der Nazis umfunktioniert wurde, wird Bartok vom Gestapo-Leiter Böhm (Albrecht Schuch) aufgefordert, ihm die Zugangscodes zu den Konten zu nennen. Als der Notar sich weigert, kommt er in Isolationshaft. Diese hat er durchaus unterschätzt, denn sie dauert über Wochen und Monate an, in denen Bartok zwar trotz einiger zusätzlich von Böhm verordneter Foltermethoden standhaft bleibt, die aber ihn auch immer verzweifelter werden lassen. Sein Körper hält zwar noch irgendwie durch, aber als Intellektueller krankt sein Geist, der sich nach Abwechslung sehnt. Bei einem Verhör mit Böhm gelingt es ihm, ein Buch mitgehen zu lassen – die große Hoffnung auf erzählerische Literatur erweist sich allerdings als falsch, handelt es sich doch um ein Werk über das Schachspiel. Also bastelt sich Bartok heimlich Figuren und beginnt, auf dem gefliesten Boden in das anspruchsvolle Strategiespiel einzutauchen.
Als Rahmenhandlung fungiert wie schon bei Zweig die Fahrt eines Passagierdampfers, auf dem der wortkarge und mürrische amtierende Schachweltmeister Mirko Czentovic (ebenfalls Albrecht Schuch) gleich gegen eine ganze Reihe von Gegnern antritt, initiiert vom selbstverliebten Reichen McConnor (Rolf Lassgård).
Bei Zweig nur als Rahmen im ABA-Schema genutzt wird diese Schifffahrt durch dichten Nebel im Film auch zwischendurch immer wieder geschickt eingeflochten. Stölzls Inszenierung nach einem Drehbuch von Eldar Grigorian weicht aber auch in einigen anderen Punkten vom Original ab, wo die Frau an der Seite von Dr. B – wie Bartok dort nur genannt wurde – nur beiläufig erwähnt wird, wo in Ich-Form erzählt wird und wo auch die Figur des Gestapo-Leiters Böhm keine so große Rolle als Person einnimmt.
Während es sich bei einer Novelle um eine kürzere Erzählungsform handelt, wird hier nun über fast zwei Stunden großes Schauspielkino geboten. Als Böhm und auch als Czentovic, wobei die Idee zur Doppelrolle erst während der Arbeiten am Film entstand, glänzt Albrecht Schuch, der kürzlich ja erst in “Berlin Alexanderplatz” und “Systemsprenger” zu begeistern wusste und dem dieses hier erneut gelingt. Sein Ausdruck der kühlen Freude an immer fieser werdenden Verhör- und Foltermethoden ist ebenso diabolisch gut wie seine hierbei gewahrte Ruhe und Gelassenheit.
Ebenso grandios agiert Oliver Masucci, der also mal wieder mit den Nazis in Berührung kommt, nachdem er in “Er ist wieder da” bereits als Hitler selbst schockierte und in “Als Hitler das rosa Kaninchen stahl” mit seiner Familie dank offener Regime-Kritik vor ihnen fliehen musste. In der Rolle des Bartok brilliert er und verkörpert den fremdgesteuerten Verfall vom selbstbewussten Notar zu einem wahngeplagten psychischen Wrack, das dennoch nie seine Würde verliert, so glaubhaft, dass man im Kinosessel mit ihm leidet.
“Unser Ziel war es, einen sinnlichen, intensiven Kinofilm zu gestalten, der ein breiteres Publikum anspricht mit einer tollen Besetzung, einer dichten Inszenierung und einer starken Visualität, die die Leinwand wirklich ausfüllt”, erklärt Stölzl, und das ist ihm gelungen. Die Szenenbilder sind toll, die Kameraeinstellungen von Thomas W. Kiennast ziehen einen ins Geschehen, und die düstere Atmosphäre nimmt einen gefangen. Eine starke, packende Adaption von Zweigs Roman, deren Ende dann sogar noch der Realität angepasster daher kommt als beim Schriftsteller, was durchaus Sinn ergibt.
Trailer:
Bewertung: 9 von 10 Punkten