Es gibt Bands, denen man nicht auf die Schliche kommt, woher sie stammen. Homeslice sind eine solche: Sie klingen zu amerikanisch für britische Rock-Ästheten, zu britisch für US-College-Kollegen. Zu europäisch für die skandinavische Gitarrenfraktion und zu skandinavisch für die europäische Alternativ-Generation. Und doch passt des Rätsels Lösung ins Bild: Homeslice kommen geografisch aus dem oberbayerischen Moosburg, sind musikalisch aber in der Welt zuhause – eine Geschichte, die typisch ist für Bands aus diesem Landstrich. Seit 1998 verfolgen die vier Jungs ihr gemeinsames Ziel: die Suche nach Alternativ-Gold auf dem Boden, den einst ihre erklärten Vorbilder Radiohead und Smashing Pumpkins durchpflügten. Dabei beweisen Homeslice einiges an Phantasie. Sie stecken ihren Claim seither an der rauen Seite des Feldes ab und drücken sich nicht vor gewaltig Arbeit, um die größeren, gehaltvolleren Nuggets zutage zu fördern. Soll heißen: Homeslice bauen auf dem Werk ihrer Vorbilder auf, spinnen jedoch den goldenen Faden weiter, dabei könnte so manches Idol ins staunen geraten. Zwischen ausufernder Proberaum-Werkerei gehen die Jungs in sehr regelmäßigen Abständen auf Tour. Wertvolle Freundschaften zu Bands wie Blackmail sind daraus entstanden – und noch etwas haben Homeslice vom Leben auf der Straße mit nach Hause genommen: Eindrücke, Geschichten, Weltoffenheit und echte Gefühle, was sich zunächst in den Songs auf ihrer ersten EP (produziert von Mario Thaler im Weilheimer Uphon Studio) niederschlug. Die Presse applaudierte. Nach weiteren Touren und einer längeren Songwritingphase gingen Homeslice nun erneut ins Studio. So weit die Biografie der Band – und hier unsere Rezension zum Ergebnis, dem Album “What Is Wrong With You”:
Die zwölf Songs auf den 57 Minuten des Debütalbums von Homeslice sind ein guter Start ins Musikjahr 2005. Ein gelungenes, gemütliches Instrumental namens “Almost” eröffnet die Scheibe, bevor es zur Sache geht. Den Stil von Homeslice könnte man wohl am besten als melodischen Alternativ Rock beschreiben, der in Richtung frühere Manic Street Preachers, Smashing Pumpkins, Radiohead oder Muse geht. Okay, die Ausnahmeklasse dieser vier Formationen besitzen Homeslice vielleicht nicht, ihre Musik weiß aber doch komplett zu überzeugen. Mal geht es rauh und knarzig zu, mal sphärisch und ruhig, und ihre Songs sind gut strukturiert und interessant gebaut, hierdurch nie langweilig. Dass solche Musik aus Oberbayern kommt, hätte man vielleicht nicht vermutet, jedoch bewiesen ja schon Slut, dass im Freistaat durchaus einiges geht in Sachen einfallsreicher Indie-Rock. Klasse, weiter so!
(Bewertung: 9 von 10 Punkten)
Grund genug, ein Interview mit der Band zu führen, und zwar mit Drummer Christian:
“Da ist bei uns schon viel Enthusiasmus dabei.”
MUM: Willkommen im Musik-Business. Seid ihr sanft gelandet? Ich habe euch 9 von 10 Punkten für euer Debüt gegeben – war ich der einzige?
C: Also sanft gelandet sind wir nicht wirklich. Es waren uns zwar viele Dinge, die mit dem Release des Albums einhergehen bereits vorher klar, aber es kommt dann doch immer anders als man denkt. Man stellt auf jeden Fall fest, dass man nichts geschenkt bekommt, und ein Plattenvertrag heißt eben nicht, dass alles automatisch von alleine läuft. Es herrscht einfach ein ziemlich großer Pessimismus “in der Industrie”. Jeder jammert und die sinkenden CD-Verkäufe machen die Labels auch nicht spendierfreudiger. Das macht es eben noch schwerer. Die Rezensionen fallen zwar doch zumeist positiv aus, aber trotzdem sehr unterschiedlich. Abgesehen von einigen Negativausreißern scheiden sich vor allem am Musikstil die Geister. Einige halten uns für musikalisch sehr eigenständig und in Deutschland damit recht “einzigartig”, andere unterstellen uns eine zu starke Anlehnung an die vielzitierten “Vorbilder”. Insgesamt gibt’s alles: von überschwänglich bis Verriss. Damit haben wir allerdings gerechnet.
MUM: Ich hangele mich mal weiter entlang meiner Rezension. Eure Musik geht irgendwie in Richtung frühere Manic Street Preachers, Smashing Pumpkins, Radiohead oder Muse. Seht ihr dies ähnlich oder euch völlig woanders angesiedelt?
C: Zu den früheren Manic Street Preachers kann ich nichts sagen. Da kenn ich nur die neueren Sachen. Smashing Pumpkins, Radiohead und Muse sind einfach die drei großen Alternative-, Indie oder WieAuchImmer-Rock-Bands, die so in unseren Köpfen und Ohren rumgeistern. Wie hören viel Musik in der Richtung (aber auch ganz andere), wobei ich keine der Bands für wirklich zutreffend halte. Außerdem stecken wir uns natürlich ungern selbst in eine Schublade. Der Hinweis in der Bandinfo kommt auch nicht von uns, die hat ein Außenstehender geschrieben. Sollten wir vielleicht mal vermerken.
MUM: Bevor ich von der Rezension weg komme – ich erwähnte dort Slut als bestes Beispiel, dass “im Freistaat durchaus einiges geht in Sachen einfallsreicher Indie-Rock” – wie seht ihr die bayrische Musikszene?
C: So richtig involviert waren wir in dieser Indie-Szene noch nie. Ich kenne nicht wirklich viele kleinere Indiebands hier in Bayern. Slut ist natürlich das Aushängeschild, aber sonst gibt’s da ja nicht viel Rockiges, das in letzter Zeit einen überregionalen Status erreicht hätte. Groß ist halt eher die Indie-Pop-Szene hier. Die brummt, ist aber nicht wirklich das Unsere. Auch einer der Gründe, warum man es nicht nur als deutsche, sondern vor allem als Rock-Band zur Zeit schwer hat. Es ist einfach nicht wirklich hip. Sowas wie Trail of Dead funktioniert halt; zum einen weil’s natürlich genial, aber vor allem auch amerikanisch ist. Das ist aber ja auch eine Herausforderung für uns.
MUM: Der Opener eines Albums ist ja immer besonders wichtig – entweder eröffnet man mit einem Knaller, damit auch jeder “Zufällig-Reinhörer” sofort bei der Stange gehalten wird, oder man traut sich eine orchestrale, instrumentale oder sonstwie besondere Einleitung zu, so wie ihr es tut. Diese ist klasse, aber habt ihr hierüber nicht einige Nächte diskutiert? Vielleicht finde ja nur ich sie klasse!
C: Doch, da gab’s gerade bei uns ungemein viele Diskussionen. Nicht nur bei Intro/Outro sondern auch generell im Studio oder bei der Auswahl der Tracklist. Wir wollten kein stinknormales Album machen im Sinne von “Lied 1 – Pause – Lied 2 – Pause.”. Es war uns wichtig, es ein bisschen anders zu machen, den Hörer sozusagen in das Album hineinzuführen. Der Song entstand im Studio und bot sich nach einiger Zeit einfach an, geteilt als Intro/Outro benutzt zu werden. Klar macht man sich da angreifbar (kam auch einmal in einer Rezension vor), man kann es als gewollt oder wie auch immer bezeichnen, aber das tun wir auch mit dem Artwork oder der Musikrichtung an sich. Es ist ein Risiko, aber auch eine Chance. Für uns schlüssiger, als immer den vermeintlich sicheren Weg zu gehen.
MUM: Meistens wird zu einem Album ja der Songschreiber oder Sänger interviewt – Christopher, du bist der Drummer, also eher ein ungewöhnliches Opfer. Ich habe damals mal selbst zwei Jahre Schlagzeug-Unterricht genommen, es aber nie zu einem Band-Drummer geschafft. Erklär mir mal, warum der Drummer der heimliche Kopf einer Band ist.
C: Naja, also generell ist ja die Abteilung Bass/Schlagzeug meistens die wichtigste in einer Band. Wenn’s da hakt, kann man’s nicht mehr retten. Rhythmus geht einfach am schnellsten ins Blut. Ob da jetzt die zweite Gitarre ein A oder ein E spielt, kommt beim Hörer nicht so direkt an und ist für ihn oft eher zweitrangig. Bei uns ist es insofern denke ich eher eine Ausnahme, weil ich mit unserem Gitarristen zusammen den Hauptteil der Songs schreibe und meistens mit den Ausgangsideen komme. Ausgearbeitet wird allerdings immer zu viert, was demnach nicht heißen soll, dass nicht auch die anderen Zwei enorm viel mit in die Songs mit einbringen. Aber ich bin da eher so der Probe-Leiter. Deshalb ist vielleicht “Kopf der Band” in diesem Sinne angebracht. Aber sonst geht’s meist recht demokratisch zu.
MUM: Wenn ich eure Musik kurz als melodischen Alternativ Rock beschreibe, würdest du da etwas ergänzen?
C: Das “Alternative” sehe ich als notwendiges Übel an. Find ich nicht den besten Begriff, aber was soll man sonst dazu sagen? Indie vielleicht und das war’s dann auch schon. So weiß wenigstens jeder, was ungefähr damit gemeint ist. Ergänzen würde ich noch “dynamisch”, da ich wirklich kein Freund von monotonem Durchgestampfe bin. Ich finde es ist einfach wichtig, das Feeling zu vermitteln, das man selbst hat, wenn man den Song spielt. Und natürlich auch ein bisschen den Anspruch mit reinzukriegen, nicht einfach stures, billiges Zeug zu spielen. Melodisch ist es meiner Meinung nach auf jeden Fall. Obwohl – so wie ich das mitbekomme – sich das für den Hörer oft erst beim zweiten oder dritten Anlauf erschließt. Aber ohne Melodie, die mich berührt, geht’s bei mir gar nicht.
MUM: Welches ist dein Lieblingssong auf dem Album, und warum?
C: Ist schwer zu sagen. Mir gefällt jeder einzelne für sich. Das ist ja so die Quintessenz aus acht Jahren Homeslice bisher und deshalb haben es auch nur Songs auf’s Album geschafft, mit denen wir alle sehr zufrieden sind. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, dann vielleicht “Take You Home”. Den finde ich persönlich kompositorisch sehr interessant, und den kann ich mir zu Hause immer noch auf Kopfhörer anhören und mir denken: “Ja, den hätten wir nicht besser schreiben können!”.
MUM: Euer Album ist jetzt genau einen Monat veröffentlicht, und ich kann nicht behaupten, dass ich irgendwo abseits meines CD-Players etwas von euch gehört hätte. Wie läuft es? Was fehlt zum Ruhm? Das Album ist doch wirklich gut – ist dies nicht frustrierend für eine Band? Oder hattet ihr euch nicht mehr erträumt?
C: Also wir hatten zwar natürlich alle unsere kleinen Tagträume, dass da jetzt echt was gehen könnte – man ist ja überzeugt von sich und muss das denke ich auch sein. Aber uns war vorher schon sehr wohl bewusst, dass sich das alles noch auf einem sehr überschaubaren Niveau bewegen wird. Es gibt zwar schon einiges an Print-, Radio- oder Online-Promo und ich denke schon, dass der eine oder andere mal was über uns in der Visions oder im Slam etc. liest, aber nur Album-Reviews und ein paar Artikel bzw. Interviews bringen halt auch nicht die Wahnsinns-Aufmerksamkeit, das war uns klar. Wir sind da schon noch eher so das Sparten-Ding, von dem keiner so recht weiß, ob’s “kommerziell” genug ist und im Moment gerade zieht. Wir erhoffen uns einfach, dass es sich ein bisschen rumspricht, dass genügend CDs verkauft werden, damit wir das zweite Album machen können, und dass ein paar Leute erkennen, dass es eben das super Album ist, für das wir selbst es halten. Aber ich finde den Weg, den wir einschlagen, nicht den schlechtesten. Man fängt klein an. So muss das sein.
MUM: Ich spinne den doofen Faden mal weiter, auch wenn mir das in der Seele weh tut. Wenn man schon mit einem so gutem Album wie eurem nichts erreichen sollte (Betonung auf sollte, wer weiß, was noch kommt, und ich wünsche euch wirklich nur das Beste), was hat man denn noch für Ziele in einem Musik-Business, dass Schnappi und Co. nach oben puscht, aber tolle Musik verrecken lässt?
C: Da ist bei uns schon viel Enthusiasmus dabei. Wir sind einfach davon überzeugt, dass es so wie wir’s gerade machen auch auf einem Level funktionieren kann, auf dem dann finanziell mal ein bisschen was rausspringt. Dass “die Musikindustrie” nun mit Schnappi den Vogel abgeschossen hat ist klar, aber nichtsdestotrotz stirbt die Hoffnung zuletzt, dass sich handgemachte Musik “von Herzen” (klingt nach Klischee, ich weiß) durchsetzt. Wir haben da so einen ziemlich unbegründeten Optimismus, dass das alles schon werden wird. Wenn man den nicht hat, kann man sich sowieso aufhängen. Man bekommt eben auf diesem Level viel weniger zurück, als man reinsteckt. Aber jeder, dem die CD oder das Konzert gefällt, entschädigt uns dafür.
MUM: Was sind eure nächsten Pläne – arbeitet ihr an einem zweiten Album, geht ihr demnächst auf Tour, oder was steht an?
C: Im Moment konzentriert sich noch alles auf das aktuelle Album und die Werbung, die dafür gemacht wird. Man will halt noch soviel rausholen, wie möglich ist. Sonst sind wir an den Festivals für den Sommer dran und hoffen vorher noch einige Wochenenden in Clubs zu spielen. Da lief leider zwecks Bookingagenturwechsel einiges falsch. Wir hoffen, eine größere Tour im Herbst nachholen zu können. Es war eigentlich angedacht, sich im Frühjahr an die Vorproduktion für’s zweite Album zu machen, aber das steht jetzt eher noch in den Sternen. Da muss man sehen was kommt.
MUM: Gehen wir mal zum Abschluss weg von der Musik. Ich habe mich immer noch nicht in die WM-Ticket-Bewerbungslisten eingetragen. Hast du schon? Und was meinst du, wer wird Fußball-Weltmeister 2006?
C: Nein, hab ich auch noch nicht. Wäre natürlich der Wahnsinn, aber da fehlts zur Zeit vor allem am Geld. Ich geb aber die Hoffnung nicht auf, trotzdem mal ein oder zwei Spiele 2006 sehen zu können. Fussball ist bei uns ja ein großes und kontroverses Thema in der Band. Bescheuerterweise glaub ich ja immer noch, dass Deutschland es 2006 im eigenen Land schafft. Soviel zum Thema komischer Zweckoptimusmus. Ansonsten die üblichen Verdächtigen: Brasilien, Argentinien, Frankreich…
MUM: Ihr kommt aus Moosburg – das kennt man normalerweise nicht. Bescheibe mal deine Heimat in einigen Schlagworten.
C: Dorf. Lokale Metal- und Punk-Szene. Langweilig. Freunde. Gerüchte. Zuhause. Oberbayern. Beschaulich. Stammlokal. Proberaum.
MUM: Welchen Musiker würdest du gerne mal in deinem Leben treffen, und wen findest du so richtig daneben?
C: Um das Alternative-Rock-Klischee abzurunden würde ich dann doch Billy Corgan sagen. Einer der bemerkenswertesten Musiker und Songwriter überhaupt. Richtig daneben sind viele. Kann ich jetzt keinen bestimmten nennen.
MUM: Welches ist für dich das beste Album des Jahres 2004, welches die größte Enttäuschung?
C: Enttäuschend fand ich eigentlich das ganze Jahr 2004. Da hätte ich mir mehr erhofft. Der ganze Franz Ferdinand/Beatsteaks-Hype interessiert mich weniger, obwohl das natürlich super Bands sind. Eins der besten Alben für mich war dagegen definitiv “Monta – Where Circles Begin”.
MUM: Welche Frage wolltest du schon immer mal gestellt bekommen, und wie lautet die Antwort?
C: Wollt ihr nächstes Jahr sechs Monate auf Tour und sechs Monate ins Studio? Antwort: Ja.
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MUM: Mucke und mehr
C: Christopher von Homeslice
Mehr zu Homeslice findet man auf ihrer Website.