Home MusikCD-Rezensionen Heinz Rudolf Kunze blickt mit modernen, interessanten Neuinterpretationen seiner Songs auf seinen “Werdegang”

Heinz Rudolf Kunze blickt mit modernen, interessanten Neuinterpretationen seiner Songs auf seinen “Werdegang”

Autor: Tobi

Heinz Rudolf Kunze "Werdegang"

Heinz Rudolf Kunze

“Werdegang”

(2CD, Meadow Lake Music, 2021)

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In den letzten Jahren gelang es Heinz Rudolf Kunze, mit “Deutschland” (2016), “Schöne Grüße vom Schicksal” (2018) und “Der Wahrheit die Ehre” (lies unsere Rezension hier) nach längerer Zeit mit für seine Verhältnisse mittelmäßigeren Scheiben wieder komplett überzeugende Werke abzuliefern.

Mit den drei Alben untermauerte der Deutsch-Pop-Rock-Liedermacher seine Klasse und Wichtigkeit als politischer, kritischer Poet in unserer musikalischen Landschaft, die er nach wie vor bereichert – und “Der Wahrheit die Ehre” bescherte ihm dann auch tatsächlich einen großartigen Rang 3 der Albumcharts und damit die höchste Platzierung seiner langen Karriere.

Nachdem Kunze sein 40-jähriges Bühnenjubiläum pandemiebedingt noch nicht groß mit seinen zahlreichen Fans feiern konnte und seine große Jubiläumstour auf 2022 verschoben werden musste, lässt er dem Ende letzten Jahres veröffentlichten Livemitschnitt “Wie der Name schon sagt – Solo live” (lies unsere Rezension hier) nun ein ganz besonderes 29. Studioalbum folgen.

Heinz Rudolf Kunze (© Simon Stöckl)

(© Simon Stöckl)

Mit der als Doppel-CD, auf Vinyl (3LP) und digital veröffentlichten Zusammenstellung “Werdegang” blickt Kunze auf seine Karriere zurück, aber nicht einfach als schnödes “Best Of”, sondern mit sehr interessanten Neuinterpretationen von 23 Liedern plus einer Neukomposition. 1000 Fans haben hierbei über seine Social-Media-Kanäle mitbestimmt, welche Songs es auf die erste der beiden CDs schaffen, und dafür stehen sie mit ihrem Namen im Booklet. Die Songs der zweiten CD hat der Musiker selbst ausgesucht.

Fünf namhafte ProduzentInnen und Teams, die sonst eher Tracks für die jüngere Generation klanglich optimieren, haben Hand angelegt und Kunzes Lieder völlig neu arrangiert und aufgenommen. Eines ist vorab schon klar: Die gebotenen Stücke sind in ihren Originalversionen oft besser, sonst hätte er sie ja nicht einst so eingespielt. Einige seiner langjährigen Fans werden sicher auch Probleme damit haben, sich mit den modernen Klängen anzufreunden, aber dies ist ja keine Neuausrichtung von HRK und er versucht auch nicht, sich bei den Jugendlichen eine neue Fan-Base zu schaffen. Wer Kunzes Karriere verfolgt hat, der weiß, dass es ihm nicht darum geht, dass auf Schulhöfen “Sheesh, Digga, haste dir schon den neuen Kunze-Tune reingezogen? Voll cheedo!” gerufen wird. Und so liegt ein sehr spannendes Projekt vor, das sich bestens anhören lässt und dem Jubiläum würdig erscheint.

Wohl nicht zufällig eröffnet die neue Version von “Meine eigenen Wege” die insgesamt 104 Minuten, denn eigene Wege ging Kunze immer und erzählte uns auf diesen mal aus seinem Leben, mal widmete er sich aktuellen oder dauerhaften Gesellschaftsproblemen – und das immer mit intelligenten, guten Texten, nie platt und inhaltslos. Das Lied aus dem Jahr 1988 wurde von Anne De Wolf und Ulrich Rode in Hamburg neu aufgenommen und kommt zeitgemäß in gutem Klanggewand daher, ohne seine eigentlichen Charme auch nur ein bisschen zu verlieren. Auch die neuen Versionen von “Aller Herren Länder” und “Wenn du nicht wiederkommst”, das hier weit ruhiger mit zusätzlichen Streichern angerichtet ist, haben wir den beiden zu verdanken, und diese Songs werden bei Kunze-Fans sicher nicht für viele Diskussionen sorgen.

Als zweiter Song der Tracklist zeigt “Alles was sie will” erstmals, dass die Neuinterpretationen auch in eine ganz andere Richtung gehen können, sind Jens Schneider und Jules Kalmbacher hier in Mannheim doch mit reichlich Groove an die Sache heran gegangen, so dass einen der Anfang sogar an eine Indie-Club-Nummer wie “Pumped Up Kicks” von Foster The People erinnert, wobei im weiteren Verlauf dann aber im Refrain doch auch abgerockt wird. Eine spannende Kombination, die durchaus zu gefallen weiß, während die auch von den beiden gezimmerte Synthiepop-Version von “Lola” später doch eher langweilig daher kommt, als einziger Track des ganzen Albums.

Im legendären Berliner Hansa Studio hat sich Tim Tautorat einige Songs zur Brust genommen. Die wundervolle Liebeserklärungs-Ballade “Ich brauch dich jetzt” beschert er in einer leicht souligen und ebenfalls sanft groovigen Neuauflage, die überzeugt, und auch zwei Hits der 80er wurden ihm übertragen. “Dein ist mein ganzes Herz” kommt im Midtempo eher catchy als rockig daher, und für “Finden Sie Mabel” wurde ein elektronisch dominiertes, etwas dunkleres Klangbild gewählt, welches allerdings nicht annähernd an den packenden Reiz des Originals heran kommt.

“Mit Leib und Seele” haben sich, erneut in Hamburg, Klaus Sahm und Steffen Graef angenommen, und auch sie setzen auf eine groovige Neuinterpretation, die in einem interessanten Klangbild elektronischere Sounds mit rockigen Tönen fusioniert. Letztere treten bei ihrer Version von “Leg nicht auf” weit mehr in den Vordergrund, und diese lässt sich sehr gut anhören und verleiht dem Midtempo-Song viel Esprit.

Alle anderen Stücke hat Heinz Rudolf Kunze seinem Freund Udo Rinklin in Stuttgart anvertraut, und dieser legt sehr abwechslungsreiche, durchweg hochwertige Ergebnisse vor. “Vertriebener” kommt als mit Gitarrenlicks und einigen Riffs angereicherte Synthiepop-Nummer sehr ungewohnt daher, und doch weiß einen das Stück auch so zu packen, und dies nicht nur wegen seines starken Texts. Noch faszinierender ist Rinklins mitreißende Version von “Dies ist Klaus”, ein absolutes Highlight der Scheibe.

Die zweite CD, für die wie oben erwähnt Kunze die Lieder selbst ausgewählt hat und die komplett von Udo Rinklin produziert wurde, eröffnet mit der sich auf ein hoffentlich 2022 eintretendes Pandemie-Ende freuenden Hymne “Wenn es vorbei ist”, die als einziger neuer Song des Albums viel Hoffnung macht – und genau diese können wir inmitten der vierten Welle bestens gebrauchen. “Wir werden jubeln und uns umarmen, und nein, wir lassen uns nicht mehr los, und Angst und Trauer wird klein geschrieben, und Spaß und Freude ganz riesengroß.” Gänsehaut – in typischem Kunze-Klanggewand, wie man es hier auch nicht anders hören will.

Auch “Götter in weiß” aus Kunzes 1989er-Album “Gute Unterhaltung” kommt in vollem Rock-Sound daher, und die sechsminütige Nummer über Imperialismus und Kolonialismus besitzt jede Menge Energie. Ein auch weiterhin sehr aktuelles Thema behandelt “Mit welchem Recht”, dass völlig zu Recht nicht fehlt und in dem Kunze deutlich hinterfragt, wie man Flüchtlingen Asyl verweigern kann, wenn sie in Not ihre Heimat verlassen, die jedem ans Herz gewachsen ist, selbst wenn es dort noch so mies zugeht.

Rinklin hat es gut verstanden, teilweise den typischen Kunze-Klang beizubehalten und nur modern aufzupolieren, wie auch beim tollen “In der alten Piccardie”, bei “Die ganz normalen Menschen” und dem packenden Achtminüter “Lebend kriegt ihr mich nicht”. Mal aber weichen die Stücke auch deutlich ab, wie beim mit düsterer Elektronik bedrohlich dröhnenden “Nicht mal das”, beim getragen atmosphärischen, intimen “Elixier” oder beim verdichteten “Abschied muss man üben”. Mit dem feinen “Noch hab ich mich an nichts gewöhnt” und der nach der Thüringen-Wahl 2019 geschrieben, hoffnungsvollen Ballade “Die Dunkelheit hat nicht das letzte Wort” wird ein sehr spezielles, sehr interessantes und auch sehr hochwertiges Jubiläumsalbum abgeschlossen.

“Werdegang” erscheint übrigens auch als Fanbox mit einer ganz speziellen Beigabe. Eigens dafür hat Kunze sein Klavier, auf dem er zahlreiche Hits geschrieben hat, in tausend Einzelteile zerlegt, und jedes Teil ist nummeriert und gibt es nur einmal. So ist jede einzelne Box ein ganz besonderes Unikat.

Und das ist noch längst nicht alles. Im Oktober erschien im Reclam Verlag Kunzes Biografie “Werdegang”, die persönliche Lebensgeschichte eines sozial engagierten Menschen, die gleichzeitig eine subjektive Bestandsaufnahme der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik ist. Im November folgt ein Film über seine Karriere, und wem das nicht reicht, der findet auf den Social-Media Kanälen des Rockpoeten aktuell auch noch die Podcastfolgen “Kunze über Kunze” mit exklusiven Ein- und Rückblicken in bewegende Zeiten.

Die Tracklist:

CD 1:
01 Meine eigenen Wege
02 Alles was sie will
03 Ich brauch dich jetzt
04 Mit Leib und Seele
05 Aller Herren Länder
06 Dein ist mein ganzes Herz
07 Vertriebener
08 Leg nicht auf
09 Lola
10 Finden Sie Mabel
11 Dies ist Klaus
12 Wenn du nicht wiederkommst

CD 2:
01 Wenn es vorbei ist
02 Götter in weiß
03 Finderlohn
04 Mit welchem Recht
05 Nicht mal das
06 Elixier
07 In der alten Piccardie
08 Lebend kriegt ihr mich nicht
09 Abschied muss man üben
10 Die ganz normalen Menschen
11 Noch hab ich mich an nichts gewöhnt
12 Die Dunkelheit hat nicht das letzte Wort

2022 ist Heinz Rudolf Kunze auf der verschobenen “Der Wahrheit die Ehre – 40 Jahre Heinz Rudolf Kunze – Die große Jubiläumstour” live zu sehen – Tickets gibt es z.B. hier bei Eventim (Partnerlink).

23.04.2022 (davor 20.05.2021) – Halle, Händelhalle
24.04.2022 (davor 22.05.2021) – Dresden, Alter Schlachthof
25.04.2022 (davor 25.05.2021) – Berlin, Columbiahalle
27.04.2022 (davor 30.05.2021) – Cottbus, Stadthalle
29.04.2022 (davor 11.06.2021) – Neuruppin, Kulturhaus
30.04.2022 (davor 13.06.2021) – Erfurt, Thüringenhalle
01.05.2022 (davor 24.05.2021) – Suhl, CCS
03.05.2022 (davor 01.06.2021) – München, Tonhalle
04.05.2022 (davor 21.05.2021) – Chemnitz, Stadthalle
06.05.2022 (davor 29.05.2021) – Magdeburg, Amo
07.05.2022 (davor 28.05.2021) – Leipzig, Haus Auensee
09.05.2022 (davor 04.06.2021) – Dortmund, Warsteiner Music Hall
10.05.2022 (davor 07.06.2021) – Mainz, Frankfurter Hof
11.05.2022 (davor 05.06.2021) – Düsseldorf, Capitol Theater
13.05.2022 (davor 10.06.2021) – Rostock, Moya
15.05.2022 (davor 26.05.2021) – Hannover, Capitol
16.05.2022 (davor 09.06.2021) – Hamburg, Große Freiheit 36
24.06.2022 (davor 02.06.2021) – Nürnberg, Serenadenhof
25.06.2022 (davor 06.06.2021) – Blieskastel, Paradeplatz

www.heinzrudolfkunze.de
facebook.com/heinzrudolfkunze

Bewertung: 9 von 10 Punkten

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