Ein Jahr erst ist es her, dass Such A Surge ihr zehnjähriges Bestehen mit einer Compilation von Stücken ihres bisherigen Schaffens feierten – “10 Jahre” Musik gegen den Strom, Musik mit Kopf, Musik zwischen Alternative und Chartbestreben. Anfang der 90er war es folglich, als aus Braunschweig Crossover-Töne erklangen, die Interesse weckten. Such A Surge schafften es, mit ihrer Mischung aus Sprechgesang und harten Gitarrenriffs immer mehr Fans zu erreichen, mit ihrer Energie und ihren Texten, mit ihrer eben Surge-eigenen Musik. Das Album “Der Surge Effect” aus dem Jahr 2000 zeigte die Jungs dann in etwas enttäuschender Ausrichtung auf Mainstream, sanfter, angepasster, chartkonformer. Abstieg? Nein! Das neue “Rotlicht” überrascht beinahe mit seiner Klasse, ist besser als man hoffen durfte – progressiv, hart, textlich sehr interessant und dabei sehr eingängig.
Im Opener “Sag jetzt nichts” heißt es zwar “Was hält dich davon ab, noch zu bleiben und mir zu zeigen, dass es möglich ist, mit dir zu schweigen”, doch zu sagen haben die Niedersachsen so einiges. “Du lässt mich für einen Augenblick mich vergessen, trifft sich auch gut, ich hatte keine anderen Interessen” aus “Aktion” steht vielleicht für das, was man als Zuhörer bei einigen Stücken denken mag, generell aber kann man sich oftmals wieder erkennen in den diesmal ausschließlich deutschen Texten. In “Hypochonder” wird geschildert, wie einen die Gesellschaft manchmal krank machen kann, in “So viele Fragen” wird die traurige, unwirkliche Situation des In-ein-Loch-Fallens nach einer Trennung beschrieben, und in “Fremdkörper” geht es darum, dass man sich selbst manchmal kaum wieder erkennt. Einige Textpassagen packen einen von Beginn an, wie “Es ist genau dieser Augenblick, den ich eigentlich mit dir teilen müsste, denn er ist zu groß für mich” aus “Augenblick” – andere packen einen später, aber sie tun es. “Rotlicht” bringt abwechslungsreiche Musik, die wieder schön hart ist, als Mischung aus ruhigen Passagen und knackigem Crossover-Metal gut abgeht, aber dabei sehr kopflastig, was ja eine der Surge-Stärken ist. Die Bandmitglieder haben offensichtlich die Erfahrungen aus ihren Soloprojekten oder dem gemeinsamen Projekt “Pain In The Ass” mit eingebracht – heraus gekommen ist die vielleicht beste Platte, die Such A Surge bisher aufgenommen haben. Wir führten ein Interview mit Frontmann Olli.
“Surge hat immer ausgemacht, dass wir Fünf alle die Bereitschaft haben, die einzelnen Styles zusammen zu schmeißen.”
MUM: Warum nennt ihr euer neues Album “Rotlicht”? Den Begriff verbindet man ja mit einigem – mit Huren im Rotlichtviertel, mit dem Rotlicht an Aufnahme-Studios, die man dann nicht betreten soll, oder auch mit dem warmen Rotlicht für die Nebenhöhlen…
O: Grade die vielen Interpretationsmöglichkeiten haben uns an dem Titel gefallen. Ich will das jetzt nicht kaputt machen. Sorry… Es ist auch nur ein Albumtitel nicht mehr und nicht weniger. Wir haben uns schon was dabei gedacht aber wollen, dass sich die Leute fragen, was der Titel bedeuten könnte… sie werden sich selbst die Antwort suchen und es wird auch in jedem Fall die richtige sein.
MUM: Ihr klingt wieder etwas rauher und progressiver als auf dem letzten Album – meiner Ansicht nach sehr positiv. Wie kommt’s?
O: Es ist eben immer der Zeitabschnitt, der das bestimmt und was man in diesem Augenblick machen will. Damals war es eben poppiger und heute mal wieder härter und noisiger. Wir gehen nicht nach einem “Wir müssen wieder anders klingen” Plan vor, wenn wir neue Songs schreiben. Es kommt einfach aus uns raus ohne Hintergedanken und bisher hatten wir vielleicht ja auch nur Glück damit.
MUM: In wie weit sind die Erfahrungen eurer Nebenprojekte mit ins Album eingeflossen, und haben sie eure Arbeitsweise irgendwie verändert?
O: Ich glaube nicht sehr. Surge hat immer ausgemacht, dass wir Fünf alle die Bereitschaft haben, die einzelnen Styles zusammen zu schmeißen. Wenn die Soloprojekte die neue Platte beeinflusst haben, dann sicher in der Art, dass einige von uns ihre Seite dort ausgelebt haben und jetzt bei der neuen Surge wieder etwas Neues machen wollten. Bei mir war es so, dass ich auf meinem Soloalbum meine Rap-Seite ausgelebt habe, was sicher dazu beigetragen hat, dass der Gesang auf der neuen Surge wieder härter aber auch melodiöser ausfällt.
MUM: Die Texte scheinen persönlicher als sonst – seid ihr nachdenklicher geworden, liegt’s am wachsenden Alter, oder woran?
O: Keine Ahnung! Wenn du das so siehst… Ich fühle mich jedenfalls noch lange nicht alt und weise. Ich spreche auf der Platte halt mehr über Sachen, die in mir passieren, als darüber, was um mich herum passiert. Man sucht eben immer nach neuen Blickwinkeln… vielleicht werde ich auch mal Texte aus der Sicht einer fiktiven, ganz anderen Person schreiben.
MUM: Wie kommt es, dass die Texte erstmals allesamt in Deutsch geschrieben wurden? Hattet ihr euch das vorgenommen?
O: Es kam halt so… Ich habe bei meiner Soloplatte festgestellt, dass ich mich am Besten in meiner Muttersprache ausdrücken kann, und so habe ich automatisch nur deutsche Texte geschrieben. Sicher werden wir auch wieder mal genau wie damals Songs in Englisch oder Französisch schreiben, wenn uns danach ist.
MUM: Erstmals habt ihr größtenteils selbst produziert. Wie kam es dazu, und wie war das für euch?
O: Super. Aber man muss dann doch sagen, dass es da jemanden gegeben hat, der schon einen Einfluss ins Spiel gebracht hat. “Jem” war mehr als nur ein Co–Produzent, er ist während der Studiophase zu einem Freund geworden. Jemand, dem wir vertrauen und dessen Ideen mitdiskutiert wurden, als wären es unsere eigenen. Er hat viele gute Ideen und hatte einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf “Rotlicht”. Es war für uns wichtig, dass wir das Bild, das wir zur Zeit von uns haben, 100% umgesetzt sehen. “Jem” stand dem in keinster Weise im Weg, sondern hat uns sogar mehrmals gezeigt, dass man keine Angst haben muss, genau diesen auch mal zu verlassen, um einen neuen zu gehen.
MUM: Werdet ihr dabei bleiben, selbst zu produzieren?
O: Die Antwort darauf wäre nur hypothetisch. Mal sehen, was die Zukunft so bringt.
MUM: Werdet ihr die ganzen Nebenprojekte weiter führen, oder waren das teilweise Geschichten, die nun ad acta gelegt sind?
O: Nein. Auch das ist schwer zu sagen. Wir hatten zu der Zeit viel Leerlauf, was Surge angeht, und jeder von uns macht zu gerne Musik, auch in der freien Zeit. Sicher wird jeder von uns immer Musik machen, und wann es dann etwas von dem Material, welches außerhalb von Such A Surge entsteht, zu hören gibt, wird man dann sehen bzw. hören. Dieses Jahr aber wohl eher weniger, denn wir werden viel damit beschäftigt sein, live zu spielen.
MUM: Als Braunschweiger werdet ihr inzwischen regelmäßig von Jägermeister gesponsort. Schmeckt euch das Zeug wirklich, oder nehmt ihr nur den Support der Firma gerne mit?
O: Schmeckt in der Tat… allerdings erst nach einigen Bieren und dann auch nur in kleinen Mengen. Ich kann es auf jeden Fall nicht verstehen, wie Leute das mit Cola mischen können. Das ist furchtbar!!! Der Jägermeister Tourbus und diese Band–Support Geschichte ist jedoch der einzige Grund, warum wir das überhaupt mitmachen. Es ist eine gute Sache, dass so kleineren Bands die Möglichkeit gegeben wird, mit uns auf Tour zu gehen, denn einen Großteil der Kosten hierfür übernimmt Jägermeister. Meistens sind es auch Rockbands, die es ohnehin schon schwierig haben in diesem Business. Wir halten das für eine gute Sache. Dass die Kids wegen uns dann mehr Jäger trinken, halten wir für lächerlich, und wir sind auch dagegen, dass auf unseren Konzerten Jägermeister-Promo in Form von Freigetränken gemacht wird. Das ginge zu weit.
MUM: Die limitierte Erstauflage von “Rotlicht” gibt es mit einer DVD, die alle Videos von euch bietet. Hattet ihr keine Ambitionen, diese als eigenständige DVD zu veröffentlichen? Zumindest das Label hätte dies doch sicher gut gefunden, da man so etwas mehr Profit hätte erzielen können.
O: Das siehst du leider etwas falsch. Eine eigenständige DVD wäre für Sony sogar teurer gewesen und für den Käufer erst recht. Wir glauben, dass es eine sehr fette Sache ist, dass man die DVD zusammen mit dem Album bekommen kann. Es sind sogar einige Videos drauf, die nur für diese DVD gemacht worden sind und nie zuvor im TV liefen. Ein echter Bonus also.
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MUM: Mucke und mehr
O: Olli von Such A Surge
Mehr zu Such A Surge erfahrt ihr auf ihrer Website.