Home MusikInterviews Asian Dub Foundation zum Album “RAFI’s Revenge” (08/98)

Asian Dub Foundation zum Album “RAFI’s Revenge” (08/98)

Autor: Tobi

In den letzten Monaten machte eine Band von sich Reden, von denen Primal Scream-Frontmann Bobby Gillespie sagt, sie sei “die beste neue Band der letzten Jahre” – Asian Dub Foundation. Hinter ADF verbergen sich fünf Jungs aus England, die eine Mixtur aus verschiedenen Stilen bieten, basierend auf Reggae und Elementen indischer Musik, bereichert durch Crossover-Rap und -Shoutings, Soundspielen, hier und dort Breakbeats. Das Ergebnis klingt sehr energiegeladen und interessant, was vor allem die Franzosen zu bezeugen wissen, feiert die Band dort doch schon große Erfolge und tritt vor 12000 Zuschauern auf. Hierzulande kann man sich im Mai in sechs Städten von ADFs Livequalitäten überzeugen, außerdem auf Festivals, bei denen sie die Beastie Boys supporten werden. Bowie wollte sie auch, doch ihn haben sie abgelehnt. Ihr Album “RAFI’s Revenge”, eine erweiterte Version ihres zweiten Longplayers “Real Areas For Investigation”, wurde am 11. Mai bei Motor veröffentlicht, vorab schon erscheint die Auskopplung “Buzzing”. Musik und soziales Engagement werden ADF auch hierzulande ins Rampenlicht befördern. Ich hatte die Gelegenheit, mit Gitarrist Steven Chandra Savales alias Chandrasonic zu sprechen:

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“Wenn ein Album fertig ist, höre ich im Gegensatz zu anderen Bands, die ihr Album dann nicht mehr hören können, mir die Scheibe bis zum Abwinken an. Ich höre das dann tausend Mal und unterhalte mich selbst damit.”

MUM: Warum wurde Euer neues Album zuerst nur in Frankreich veröffentlicht?

ADF: Das hat etwas mit den verschiedenen Geschwindigkeiten der Musikindustrie auf der Welt zu tun. Wir hatten keinen Plattenvertrag in England, aber die Chance, die Scheibe in Frankreich herauszubringen, weil man dort großes Interesse hatte, uns zu veröffentlichen. Der Rest der Welt war etwas langsam, könnte man sagen.

MUM: Was meinst Du, warum habt Ihr so viel Erfolg in Frankreich?

ADF: Hauptsächlich dadurch, daß unser Label dort, Virgin Frankreich, an uns geglaubt hat und uns die Chance gegeben hat.

MUM: Jetzt aber werdet Ihr überall veröffentlicht.

ADF: Ja, jetzt sind wir auch in Großbritannien auf dem Markt, und alles läuft hervorragend für uns. Wir werden immer bekannter, bekommen tolle Kritiken, man spielt uns im Radio – all das, was man uns zur gleichen Zeit im letzten Jahr noch abgeschlagen hat.

MUM: Seid Ihr direkt aus London?

ADF: Ja, vier von uns sind in London geboren, einer in Manchester.

MUM: Wie kommt es, daß Ihr die Beastie Boys supportet?

ADF: Wir werden das auf den Festivals im Sommer tun. Ich habe gehört, daß sie unsere Musik mögen.

MUM: Wie fühlt man sich, wenn jemand wie Bobby Gillespie (Primal Scream-Frontmann) sagt, daß ADF eine der herausragenden Bands unserer Zeit sind?

ADF: Das hat uns natürlich sehr geholfen. Wir sind Primal Scream sehr dankbar, nicht nur für das, was sie gesagt haben, nein, wir haben ein gutes Verhältnis zu ihnen und sie haben sich auch in einigen Sachen, für die wir uns engagieren, wie die “Free Satpal Ram”-Kampagne, uns angeschlossen, was toll ist. Sie sind sehr interessiert und ehrlich, sie sind beeindruckende Menschen, und sie leben ihre Musik. Als Band sind sie immer bereit, mit neuen Sachen zu experimentieren, das ist toll. Wir haben viel gemeinsam.

MUM: Das Platteninfo beschreibt Eure Musik als Mixtur aus Breakbeats, Rap und Punkrock, zusammen mit indischer Musik. Stimmt Ihr dem zu?

ADF: Ja, das ist okay, natürlich mit tiefen Reggae-Wurzeln.

MUM: Ihr habt 1993 angefangen, ist das richtig?

ADF: Ja, aber damals war das mehr ein Workshop damals, aus dem unser Soundsystem geworden ist. Als richtige Band existieren wir erst seit 1995.

MUM: Wovon handeln Eure Texte?

ADF: Von allem möglichen. Eigene Eindrücke, Geschichte, Erziehung, Positivität, alles, was einem im Leben passiert, Kampagnen, an denen wir teilnehmen.

MUM: Sie sind aber doch sehr politisch.

ADF: Ja, Du nennst es politisch, das ist okay. Für uns sind das nur Sachen, die in unserem Leben geschehen, wir benutzen nicht das Wort “politisch”. Das ist Realität. Politik hat nichts mit den Erfahrungen normaler Leute zu tun, das ist etwas, was langweilige Personen in Anzügen machen. Darüber singen wir nicht. Wir beschäftigen uns mit Erziehung, mit Bürgerrechts-Kampagnen, mit dieser Kampagne zur Befreiung von Satpal Ram, der wirklich jemand ist, der unserer Ansicht nach völlig zu Unrecht im Gefängnis sitzt. Wir versuchen, Rassentrennungen aufzuheben, in unseren Konzerten und mit unserer Musik, die auch Gegensätze verbindet. Wir denken, daß mehr Musiker über all das, was in der Welt passiert, nachdenken sollten. Das, was wir sagen, ist nichts besonderes.

MUM: Was ist das Community Music Centre?

ADF: Es hat ADF geboren. Es ist eine Lehr-Organisation, die Leuten den Zugriff auf Musik ermöglicht, die Möglichkeit gibt, Musik zu machen. Ich zum Beispiel habe Workshops in Jugendclubs und Schulen veranstaltet, so hat ADF angefangen.

MUM: Macht Ihr das immer noch?

ADF: Ja, wir zollen dem Community Music Centre immer noch viel Aufmerksamkeit. Die Tatsache, daß wir erfolgreich sind, bringt natürlich die Schwierigkeit mit sich, daß wir nicht mehr in das Profil und die Idee des Centres passen.

MUM: Ich habe gelesen, daß David Bowie Euch als Support haben wollte, Ihr aber abgelehnt habt. Warum?

ADF: Zuerst einmal denken wir, daß er seit 20 Jahren keine gute Platte herausgebracht hat. Dann hielten wir sein Angebot für unrealistisch, das war dieses typische Popstar-Ding, zu sagen: ‘Hey, die Musik gefällt mir gut, die Jungs sollen mich supporten’. Sie haben uns kein Geld geboten, außerdem wissen wir, wie das abläuft. Wir würden keinen Soundcheck bekommen, seine Road-Crew würde uns wie Scheiße behandeln. Nein, das brauchen wir nicht, das bringt uns im Endeffekt auch nichts. Mit Primal Scream war das optimal, wir hatten als Bands ein tolles Verhältnis. Mit David Bowie haben wir nie geredet, er hat durch andere Personen mit uns Kontakt aufnehmen lassen. Seine Musik ist wirklich schlecht, und was würde passieren? Wir würden vor Massen von Leuten spielen, die Ziggy Stardust hören wollen, das ist keine gute Idee. Wir kennen einige Leute, die schon mit Bowie aufgetreten sind und wie Abfall behandelt wurden.

MUM: Gibt es Acts, mit denen Ihr gerne mal spielen würdet?

ADF: Ja, Atari Teenage Riot, Cornershop, Audio Active. Auf einigen Festivals werden wir mit letzeren beiden spielen. Es gibt wirklich viele.

MUM: Was bietet Ihr auf der Bühne?

ADF: Es ist sehr leidenschaftlich, sehr extrem und sehr energetisch. Wir geben alles, wenn wir auf der Bühne stehen, es gibt schon genug Gruppen, die die ganze Zeit auf ihre Schuhe starren, wenn sie auftreten, mehr nicht. Wir springen, experimentieren – das ist volle Energie.

MUM: Wie macht Ihr Musik?

ADF: Wir sind in erster Linie ein Kollektiv. Jeder bringt seinen Teil ein, aus fünf verschiedenen Richtungen, das ist uns sehr wichtig. Wir haben also nicht einen Haupt-Songschreiber oder sowas. Wir glauben, daß gute Musik entsteht, wenn verschiedene Musiker ihre Kreativität und ihr Talent zusammenbringen.

MUM: Was wollt Ihr zum Hörer transportieren?

ADF: Wir wollen ihm nichts besonderes sagen. Wir machen Musik, die anders ist. Es ist langweilig, zum x-ten Mal die Beatles zu reproduzieren, wie es viele Gitarrenbands tun. Wir sind natürlich froh, daß unsere Musik so toll ankommt. Im Melody Maker und im New Musical Express waren fast gleiche Artikel drin, die uns in den Himmel gehoben haben für unsere Musik, das liest man natürlich sehr gerne.

MUM: Ihr wart schon ein paar Mal in Deutschland. Wie findet Ihr es?

ADF: Wir finden es toll hier. Jetzt, wo uns auch noch eine tolle Plattenfirma unterstützt, da ist es natürlich noch leichter, aber wir hatten auch vorher schon tolle Konzerte, in Berlin oder Frankfurt, die waren wirklich toll. Wir kommen immer gerne nach Deutschland.

MUM: Danke für das Interview.

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MUM: Mucke und mehr
ADF: Steven Chandra Savales alias Chandrasonic

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