Belfast
Darsteller: Jude Hill, Caitríona Balfe, Judi Dench, Ciarán Hinds
Regie: Kenneth Branagh
Dauer: 98 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.upig.de/micro/belfast
Facebook: facebook.com/UniversalPicturesDE
Gerade erst mit seiner pandemiebedingt mehrmals verschobenen, weitgehend überflüssigen Neuverfilmung von Agatha Christies „Tod auf dem Nil“ (lies unsere Filmkritik hier) in den deutschen Kinos vorstellig geworden, lässt Kenneth Branagh jetzt mit seinem neuen „Belfast“ ein weitaus relevanteres Werk folgen, in dem er seine eigene Kindheit in der Hauptstadt Nordirlands verarbeitet, die damals in die Wirren eines Bürgerkriegs abglitt.
Es ist der Sommer des Jahres 1969, als das Leben des neunjährigen Buddy (Jude Hill) noch unbeschwert ist, und seine größte Sorge darin besteht, wie er die Holzschwertkämpfe gegen die Nachbarskinder gewinnen soll. Doch ehe er sich versieht, befindet er sich mitten im Getümmel aufflammender Straßenschlachten, aus denen ihn seine verängstigte Mutter Ma (Caitríona Balfe) gerade noch unbeschadet herausziehen kann. Schon mit dieser Einstellung kriegt uns Branagh, zeigt uns durch den unvermittelten Stimmungsumschwung in Buddys Seitenstraße eindrucksvoll die Verwicklung Unbeteiligter in einen Protest, der plötzlich ganze Stadtviertel spaltet.
Und dabei soll es bei weitem nicht bleiben, denn schnell sind hohe Barrikaden errichtet, wo sich die Kids eben noch austoben konnten, ist der Zugang zu ganzen Straßenzügen nur noch nach strengen Einlasskontrollen möglich und wird von den protestantischen Aktivisten massiv Druck auf die gesamte Nachbarschaft ausgeübt. Die unmissverständliche Aufforderung zum gewalttätigen Widerstand allerdings blockt Buddys Vater Pa (Jamie Dornan) vehement ab, denn dem kann der nur wenig abgewinnen und hat sowieso genug damit zu tun, die nicht gerade auf Rosen gebettete Familie mit seiner Arbeit in England durchzubringen.
Wo sich jedoch schon die Erwachsenen mit der Positionierung im religiös aufgeladenen, immer mehr eskalierenden Konflikt um die Unabhängigkeit Nordirlands schwertun, wie soll sich da erst der kleine Buddy fühlen, dessen heile Welt sich von einem Tag auf den anderen aufzulösen droht und der sich obendrein auch noch in die süße Katholikin Catherine aus seiner Klasse verguckt hat? Die flammende Predigt des fanatischen Pfarrers jedenfalls sorgt bei ihm genauso wenig für Klarheit wie die Gespräche mit seinen Eltern, die sich angesichts der Lage ohnehin mit dem Gedanken tragen Belfast zu verlassen. Da sucht Buddy lieber Rat bei seinen herzlichen Großeltern Granny (Judi Dench) und Pop (Ciarán Hinds), die ihm in all seiner Orientierungslosigkeit mit ihrer humorvollen, gelassenen Art stets festen Halt bieten.
Regisseur und Drehbuchautor Branagh geht es hier gar nicht so sehr um politische Statements, vielmehr gelingt es ihm, in stimmungsvollem Schwarz-Weiß die autobiografisch geprägte Geschichte Buddys zu erzählen, dessen Kindheit plötzlich von unruhigen Zeiten beeinflusst wird. Untermalt von den passenden Songs Van Morrisons lässt er uns dabei tief in seine eigene Vergangenheit blicken, in der er jetzt Buddy stellvertretend die ihn schon früh nachhaltig begeisternden Highlights regelmäßiger Theater- und vor allem Kinobesuche in frischen Farbeinstellungen erleben lässt. Es sind vor allem atmosphärische Bilder wie diese und der ungemein liebevolle Umgang der Familie miteinander, der allen Widrigkeiten der zunehmenden Gewalt trotzt und einen allein dadurch tief berührt.
Dabei tun sich die vollkommen authentischen Judi Dench und mehr noch Ciarán Hinds als Buddys Großeltern hervor, die das Herz wirklich am rechten Fleck haben und in augenzwinkernden Dialogen immer wieder für heitere Leichtigkeit sorgen. So nimmt uns die absolute Entdeckung Jude Hill mit in Buddys Leben in Belfast, das trotz des hereinbrechenden Bürgerkriegs immer noch genügend Gelegenheiten für die normalen kindlichen Erfahrungen eines Neunjährigen bietet. Das präsentiert uns Kenneth Branagh in seinem ungeheuer persönlichen „Belfast“ in vielen Totalen komplett aus der Perspektive Buddys, die die unmittelbaren Auswirkungen der politischen Entwicklungen auf seine Familie spiegelt, verzichtet dabei erfreulich auf Erklärungsversuche, sondern malt vielmehr ein ergreifendes Bild seiner eigenen Kindheit.
Trailer:
Bewertung: 8 von 10 Punkten