Home Film “Wo in Paris die Sonne aufgeht” – eine recht belanglose aber atmosphärische Reflexion moderner Liebesbeziehungen

“Wo in Paris die Sonne aufgeht” – eine recht belanglose aber atmosphärische Reflexion moderner Liebesbeziehungen

Autor: Mick

"Wo in Paris die Sonne aufgeht" Filmplakat (© Neue Visionen Filmverleih)

Wo in Paris die Sonne aufgeht

Darsteller: Lucie Zhang, Makita Samba, Noémie Merlant, Jehnny Beth
Regie: Jacques Audiard
Dauer: 105 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.wo-in-paris-die-sonne-aufgeht.de
Facebook: facebook.com/woinparisdiesonneaufgeht


Schwarz-Weiß. Mal wieder. In der letzten Zeit fast inflationär gebraucht, verliert dieser Stil langsam seinen Status als Alleinstellungsmerkmal und damit auch ein wenig seinen Reiz. Und weil gerade jeder, der sich Extravaganz auf die Fahnen geschrieben hat, sein Werk in Schwarz-Weiß dreht, wählt auch Regisseur Jacques Audiard („Der Geschmack von Rost und Knochen“, „The Sisters Brothers“) für seinen neuen „Wo in Paris die Sonne aufgeht“ diese Technik. Wobei man ihm zugutehalten kann, dass sich sein neues Werk in der Tradition der französischen Nouvelle Vague der späten 50er- und frühen 60er Jahre betrachten lässt und sein gewählter Stil somit durchaus als Reminiszenz an diese durchgeht.

Nicht zufällig spielt Audiards Liebesdrama im Viertel „Les Olympiades“ – gleichzeitig der treffende Originaltitel des Films, während sich der Verleih für Deutschland das selten dämliche „Wo in Paris die Sonne aufgeht“ ausgedacht hat – auf der linken Seine-Seite, dem sogenannten Rive Gauche, wie man ja auch eine Gruppe linksintellektueller Filmemacher der damaligen Aufbruchszeit nennt. Das mag vielleicht ein bisschen weit hergeholt sein, klingt aber als Erklärungsansatz allemal besser, als dass Schwarz-Weiß gerade einfach angesagt ist. Nötig hat das Audiards auf den Graphic Novels des New Yorkers Adrian Tomine basierender Streifen jedenfalls nicht, der einen intimen Blick auf die zumeist ungezwungenen Liebesbeziehungen junger Leute wirft und dabei gut und gerne etwas Farbe hätte vertragen können.

Es geht um Émilie (Lucie Zhang), die chronisch knapp bei Kasse ist und eigentlich eine Mitbewohnerin für ihre Wohnung sucht. Als sich wegen seines missverständlichen Namens irrtümlich der charmante Aushilfslehrer Camille (Makita Samba) bei ihr vorstellt, erhält er sofort den Zuschlag nicht nur für das inserierte Zimmer, sondern auch gleich gänzlich unkompliziert für den schnellen Sex. Ganz so unkompliziert gestaltet sich ihre Beziehung dann aber doch nicht, werden Camilles Partnerinnen immer mehr zum Problem, und ist Camille genauso schnell wieder ausgezogen wie er bei ihr eingezogen ist. Gleichzeitig macht sich Nora (Noémie Merlant) aus der Provinz auf den Weg nach Paris, um ihr Jurastudium im nicht mehr ganz zarten Alter wiederaufzunehmen und macht schon auf der ersten ausgelassenen Studentenparty die unangenehme Erfahrung, dass Social Media ganz schnell nachhaltig rufschädigend sein können. Durch das Mobbing derart desillusioniert, bricht sie ihr Studium kurzerhand wieder ab und heuert ausgerechnet in dem Immobilienbüro an, das inzwischen Camille leitet.

"Wo in Paris die Sonne aufgeht" Szenenbild (© Neue Visionen Filmverleih)

Nur ein kurzer Wimpernschlag: Für einen Augenblick fühlt es sich für Camille (Makita Samba) und Nora (Noémie Merlant) richtig an.
(© Neue Visionen Filmverleih)

Audiard gelingt es fast spielerisch, seine drei – ja, es gibt außerdem noch Noras naive Online-Bekanntschaft mit dem Webcam-Girl Amber Sweet (Jehnny Beth), mit dem sie auf der Party verwechselt wurde – Handlungsstränge miteinander zu verknüpfen, lässt seine drei Protagonisten sich in regelmäßigen Abständen über den Weg laufen und in wechselnde Beziehungen miteinander treten, die sich hauptsächlich um Sex und ausgelebte Lust drehen. Das stellt er dann auch gerne expliziter als gewohnt dar, wird dabei aber nie obszön, sondern bleibt mit seinen intimen Bildern vielleicht gerade durch das gewählte Schwarz-Weiß immer angenehm ästhetisch. So transportiert er das Gefühl einer Generation, die nach dem Abschluss ihrer Ausbildung vor allem auf der Suche ist: nach Karriere, nach Sex, nach Liebe.

Das alles siedelt er im multikulturellen Künstlerviertel von Paris an, in dem er einst selbst aufgewachsen ist, und gibt damit ein klares Statement für Diversität und soziales Miteinander ab. Davon abgesehen jedoch erscheint seine einfühlend künstlerisch anspruchsvoll abgefilmte Orientierungsphase junger Menschen, die einen trotz absolut glaubwürdiger Darstellungen nicht so recht packen kann, einigermaßen belanglos.

Trailer:

Bewertung: 6 von 10 Punkten

 

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