Home Film “Der schlimmste Mensch der Welt” – Joachim Triers tiefsinnige Komödie unterhält bestens

“Der schlimmste Mensch der Welt” – Joachim Triers tiefsinnige Komödie unterhält bestens

Autor: Tobi

"Der Schlimmste Mensch der Welt" Filmplakat (© Koch Films)

Der schlimmste Mensch der Welt

Darsteller: Renate Reinsve, Anders Danielsen Lie, Herbert Nordrum, Maria Grazia Di Meo
Regie: Joachim Trier
Dauer: 121 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.derschlimmstemensch.de
Facebook: facebook.com/KochFilms


Mit “Der schlimmste Mensch der Welt” kommt nicht nur Norwegens Beitrag für die Oscar®-Verleihung 2022 in der Kategorie “Bester Internationaler Film”, der dann auch nominiert wurde, in unsere Kinos, auch bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes, wo der Film 2021 seine Premiere feierte und für die Goldene Palme nominiert war, sorgte der Streifen bereits für Aufsehen, nicht nur weil Renate Reinsve für ihr Spiel den Preis als “Beste Darstellerin” gewann. Auch dass Joachim Trier und Eskil Vogt hierfür eine Oscar®-Nominierung für das Beste Originaldrehbuch erhielten und bei den New York Film Critics Circle Awards 2021 die Auszeichnung als “Bester fremdsprachiger Film” erfolgte, soll nicht unterschlagen werden – und das ist nur eine kleine Auswahl an Nominierungen und Ehrungen.

Der schlimmste Mensch der Welt ist Julie (Renate Reinsve) ganz sicher nicht, und doch fühlt sie sich manchmal so. Bald wird sie 30 Jahre alt, und wenn sie mal rasch die Zwischenbilanz ihres Lebens zieht, dann regt sich Unzufriedenheit. Finanziell geht es ihr zwar gut, aber mit Medizin und Psychologie hat sie schon mehrere Studiengänge abgebrochen, interessiert sich für Fotografie, macht aber einen ungeliebten Job in einer Buchhandlung. In puncto Beziehung hat sie zwar nach mehreren Liebeleien dann ihren 14 Jahre älteren Freund Aksel (Anders Danielsen Lie), der als Zeichner angesagter Indie-Comics gerade einige Erfolge feiert, aber so richtig glücklich ist sie im Innersten auch mit ihm nicht.

Als sie auf einer Hochzeitsparty, in die sich sich dreist hinein schmuggelt, den zwar etwas hölzernen, aber witzigen und auch nicht energielosen Eivind (Herbert Nordrum) kennen lernt, wirkt dies wie ein Wecksignal. Die Nacht wird lang, und auch wenn die beiden nicht zusammen im Bett landen – schließlich ist auch Eivind gebunden – entsteht eine Anziehungskraft, der beide nicht widerstehen können. Die für Julie logische erscheinende Trennung von Aksel fällt schwer und macht diesen völlig perplex, während Julie und Eivind die Grenzen des Erlaubten ausloten und ein Kribbeln spüren, dass für beide toll und befremdlich zugleich ist. Aber wohin soll das führen?

"Der Schlimmste Mensch der Welt" Szenenbild (© Oslo Pictures)

Magischer Moment: Julie (Renate Reinsve) und Eivind (Herbert Nordrum) verbringen zusammen einen unvergesslichen Abend. (© Oslo Pictures)

“Der schlimmste Mensch der Welt” gilt als letzter Teil der sogenannten “Oslo-Trilogie”, die Joachim Trier 2006 mit “Auf Anfang” startete und die 2011 mit “Oslo, 31. August” ihren zweiten Teil sah – auch wenn der Film keine Fortsetzung dieser beiden Filme ist, thematisch gibt es aber durchaus nicht nur durch die norwegische Hauptstadt als Spielort eine Verbindung und Trier besitzt im Erzählen über Menschen mit einer intelligenten Mischung aus Tiefsinn und Humor definitiv Stärken.

In zwölf Kapiteln, eingerahmt von einem Prolog und einem Epilog, schildert er uns das Dasein von Julie, die von Renate Reinsve einfach nur großartig gespielt wird und so herrlich ehrlich zwischen Tatendrang und Zögern, Selbstbewusstsein und Zweifeln, Stärken und Schwächen balanciert, hierbei selbstreflektiert und verwirrt zugleich erscheint.

Im Film erkennt sich wahrscheinlich auf Grund der Kleinteilung jeder irgendwo wieder. Hierbei geht es zwar manchmal unter die Gürtellinie oder Bettdecke, wenn Julie erörtert, wie sie als feministisch angehauchte Frau zu Oralsex steht und dass sie Männer am liebsten erst in den Optimalzustand bläst, der Streifen hält aber auch tiefsinnige Themen bereit, was eine sehr interessante und unterhaltsame Mixtur ergibt. Warum sollte eine Frau Kinder bekommen, und wann? Gibt das die Gesellschaft vor, die Lust, der Partner? Wann ist sie überhaupt reif genug hierfür, hört das Ausprobieren auf? Und soll dies denn enden oder beschränkt man damit nur sein Dasein?

Joachim Trier hat den Film nicht nur interessant aufgebaut, er besticht auch mit starken Bildern, tollem Schnitt, geschickt eingebundenen Animationssequenzen und guter Musik. Schauspielerisch glänzt Renate Reinsve in ihrer ersten Hauptrolle, aber auch die anderen AkteurInnen wissen zu gefallen. Ein überzeugender Streifen.

Trailer:

Bewertung: 9 von 10 Punkten

 

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