Home Film “Zeiten des Umbruchs” – die Coming-of-Age-Geschichte in den frühen 80ern gerät zu widersprüchlich

“Zeiten des Umbruchs” – die Coming-of-Age-Geschichte in den frühen 80ern gerät zu widersprüchlich

Autor: Mick

"Zeiten des Umbruchs" Filmplakat (© Universal Pictures)

Zeiten des Umbruchs

Darsteller: Banks Repeta, Jaylin Webb, Anthony Hopkins, Anne Hathaway
Regie: James Gray
Dauer: 114 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.upig.de/micro/zeiten-des-umbruchs
Facebook: facebook.com/Focus.Features.DE


Autobiografische Stoffe stehen derzeit im Kino irgendwie unheimlich hoch im Kurs. Gerade Männer mittleren Alters scheinen momentan auffällig häufig den Drang zu verspüren, auf ihr bisheriges Leben zurückzublicken und auch eine breite Öffentlichkeit daran teilhaben zu lassen. So ließ sich auch Regisseur James Gray („Die versunkene Stadt Z“, „Ad Astra: Zu den Sternen“) von seiner eigenen Vita zu seinem neuen Drama „Zeiten des Umbruchs“ inspirieren und schildert uns darin das Aufwachsen in Queens während der politischen Wende Anfang der 80er Jahre.

Die Projektionsfläche für die Geschichte seiner eigenen Jugend bildet der zwölfjährige, verträumte Paul (Banks Repeta), der mit seinem Leben eigentlich ganz zufrieden ist, würden ihn seine ambitionierten Eltern (Anne Hathaway, Jeremy Strong) nicht ständig wegen seiner eher bescheidenen schulischen Leistungen nerven. Dabei besucht er im Gegensatz zu seinem Bruder Ted, der auf der teuren Privatschule die ganze Hoffnung der jüdischen Einwandererfamilie verkörpert, eine gewöhnliche öffentliche Einrichtung, geht jedoch leidenschaftlich auch im Unterricht viel lieber seinem großen Hobby, dem Zeichnen, nach. Im neuen Schuljahr bekommt seine Klasse mit dem Sitzenbleiber Johnny (Jaylin Webb) erfrischenden Zuwachs, der nicht nur für sein Alter erstaunlich selbstbewusst auftritt, sondern vor allem der einzige Schwarze in der Klasse ist.

Das ist für den aufgeschlossenen Paul aber überhaupt kein Hinderungsgrund, sich mit ihm anzufreunden, haben sie doch während des Unterrichts die gleichen Dummheiten im Kopf, für die Johnny allerdings vom latent rassistischen Klassenlehrer regelmäßig ungleich härter bestraft wird. Aber schließlich hat auch Johnny eine große Leidenschaft, die ihn ähnlich wie bei Paul rund um die Uhr beschäftigt: die Raumfahrt. Doch anders als Paul, der vom kriegserfahrenen, ukrainischen Großvater Aaron (altersweise: Anthony Hopkins) nicht nur stets zum Verfolgen seines Hobbys ermutigt, sondern obendrein zu toleranter Einstellung und Aufstehen gegen Ungerechtigkeit angehalten wird, ist der in ärmlichen Verhältnissen aufwachsende Johnny gänzlich desillusioniert, was eine zukünftige Beschäftigung als Schwarzer in diesem Bereich anbelangt.

"Zeiten des Umbruchs" Szenenbild (© 2022 Focus Features, LLC.)

(© 2022 Focus Features, LLC.)

Als die beiden in der Schule beim Joint-Rauchen erwischt werden, trennen sich ganz schnell ihre Wege: Während Paul von seinen Eltern Johnnys angeblich schlechtem Einfluss entzogen wird und gegen seinen Willen auf die Privatschule seines Bruders wechselt, droht dem bei seiner dementen Großmutter lebenden Johnny das Heim. Da dämmert es Paul, dass es mit den Versprechen des frisch gewählten Präsidenten Ronald Reagan nicht allzu weit her ist, und der angepriesene amerikanische Traum von der Verwirklichung seiner Ziele mehr denn je nur von bestimmten Gesellschaftsschichten geträumt werden kann. Das wird ihm umso mehr bewusst, als auf seiner neuen Eliteschule, die vom Trump-Clan finanziell unterstützt wird, Donalds ältere Schwester Maryanne Trump (Jessica Chastain mit einem kleinen aber wunderbar polemischen Auftritt) regelmäßig aufhetzende Motivationsreden schwingt.

James Gray gelingt es mit liebevoller Ausstattung perfekt, die Stimmung im sich neu ordnenden, geradewegs in den harten Neoliberalismus der Reagan-Ära steuernden Amerika zu transportieren, indem er uns im Mikrokosmos Familie mit der Erwartungshaltung von Pauls Eltern – besonders der strenge Vater Irving, der sich mit harter Arbeit einen kleinen Handwerksbetrieb aufgebaut hat, übt enormen Druck aus – konfrontiert. Der Zugang zu seinem Alter Ego Paul aber gestaltet sich dabei schon etwas schwieriger, denn der eigentlich als Identifikationsfigur angelegte Teenager enttäuscht uns immer dann, wenn er die Möglichkeit hätte, Rückgrat zu zeigen und zu seinem unterprivilegierten Freund Johnny zu stehen. Doch vielleicht legt es Gray genau darauf an, präsentiert uns seinen Heranwachsenden derart zweifelnd, dass er damit möglicherweise seine eigene Unsicherheit von damals spiegeln will. Schauspielerisch jedenfalls nimmt man Banks Repeta seinen hadernden Paul voll ab, auch wenn er von Jaylin Webb locker in den Schatten gestellt wird, dessen Johnny einfach nur schwer in Ordnung ist. Dafür, dass man sich aber von Pauls Coming-of-Age-Geschichte richtig packen lässt, ist sein Charakter einfach zu zwiespältig.

Trailer:

Bewertung: 6 von 10 Punkten

 

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