The Banshees of Inisherin
Darsteller: Colin Farrell, Brendan Gleeson, Kerry Condon, Barry Keoghan
Regie: Martin McDonagh
Dauer: 114 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.searchlightpictures.com/the-banshees-of-inisherin
Facebook: facebook.com/SearchlightDE
Nachdem der irische Regisseur und Drehbuchautor Martin McDonagh mit seinen drei bisherigen Filmen “Brügge sehen … und sterben?” (2008), “7 Psychos” (2012) und “Three Billboards Outside Ebbing, Missouri” (2017) stets zu überzeugen und bestens zu unterhalten wusste, war die Spannung groß, was er mit seinem neuesten Werk “The Banshees of Inisherin” bieten würde. Wir nehmen es vorweg, McDonagh enttäuscht keinesfalls mit dem Streifen, für den er erneut auf das Gespann Colin Farrell und Brendan Gleeson zurückgriff, das bereits in erstgenanntem Debüt damals Hauptrollen verkörperte und nun ein grandioses Duo abgibt.
Mit der Harmonie ist es bei diesem allerdings vorbei. Nachdem sich Pádraic (Farrell) und Colm (Gleeson) als Bewohner der abgelegenen Insel Inisherin vor der Westküste von Irland jahrelang im Pub zum Pint-Leeren und Plaudern trafen, entschließt sich Colm aus heiterem Himmel dazu, die Freundschaft für beendet zu erklären. Der eher einfach gestrickte Pádraic fühlt sich komplett vor den Kopf gestoßen und versteht absolut nicht, warum der schon etwas ältere Trinkkumpane, den er für seinen besten Kumpel hielt, den Kontakt abbricht – und will dies auch nicht einfach so hinnehmen.
Pádraic denkt zunächst, Colm mache einen Scherz, und als ihm dieser noch einmal verdeutlicht, dass dies nicht so sei, entschuldigt sich Padraic, falls er im letzten Rausch irgendetwas Beleidigendes gesagt haben sollte. Zum Entsetzen aller erklärt Colm aber dann nicht nur, dass ihm das Gelaber von Padraic schlichtweg zu dumm sei, er keine Lust mehr darauf habe und sich Intellektuellerem widmend lieber mit einer Komposition, an der er gerade auf seiner Geige arbeite, der Nachwelt im Gedächtnis bleiben wolle – er droht sogar damit, sich ab sofort jedes Mal einen Finger abzuschneiden, wenn Pádraic ihn anspricht.
Dieser ist komplett konsterniert, und da neben seiner mit ihm zusammen lebenden, aber durchaus klügeren und ambitionierteren Schwester Siobhán (Kerry Condon) und der geliebten Zwerg-Eselin Jenny gerade mal noch der äußerst einfältige Dominic (Barry Keoghan) zum Reden bleibt, schafft er es auch nicht, komplett von Colm fern zu bleiben – was dann tatsächlich Konsequenzen hat und Eskalation nach sich zieht.
Mit “The Banshees of Inisherin” liefert Martin McDonagh, der neben Regie und Drehbuch auch wieder mitproduziert hat, sein nächstes Meisterwerk ab. Der Streifen profitiert von der wunderbaren Landschaft der fiktiven Insel, und Kameramann Ben Davis nimmt uns mit in das schönste ländliche Irland, das man sich vorstellen kann.
Hier ist die Welt eigentlich noch in Ordnung, während 1923 auf dem Festland der Bürgerkrieg wütet, dessen Kanoneneinschläge man zwar in der Ferne vernimmt, der aber auf die wenigen Bewohner kaum Einfluss hat. Jeder kümmert sich um sein kleines Leben, im einzigen Geschäft gibt es neben Lebensmitteln auch Klatsch und Tratsch, und nachmittags schlendern viele zum Pub, wo Colm später dann auch oft zur Violine greift und mit anderen Irish Folk aufleben lässt.
Den limitierten Kreis der AkteurInnen nutzt McDonagh großartig, um wie schon in seinen bisherigen Filmen die verschiedenen Charaktere bestens auszumalen, und diese sind grandios besetzt. Brendan Gleeson brilliert als ruhiger, nun aber konsequent eskalierender Hundebesitzer und Gelegenheits-Musiker Colm ebenso wie Colin Farrell als schlichter, aber sympathischer Käseerzeuger Pádraic. Auch Kerry Condon spielt ganz wunderbar als liebevolle, belesene Siobhán, die einen naiven Annäherungsversuch des schüchternen, geistig zurückgebliebenen Dominic so herzerwärmend nett abzublocken weiß.
Neben diesen gibt es weitere, wie Dominics Vater, den örtlichen Polizisten Peadar (Gary Lydon), der sich öfters auch mal daneben benimmt, die alte, mit ihrer schwarzen Kleidung über die Insel schleichend fast schon Angst verbreitende Mrs. McCormick (Sheila Flitton), die zwei Einwohnern für den nächsten Monat den Tod voraus sagt, oder den Priester (David Pearse), den Pádraic auch einzuspannen versucht, um Colm im Beichtstuhl dazu zu bewegen, wieder so wie früher zu werden.
“The Banshees of Inisherin” gilt nicht umsonst als einer der Oscar®-Favoriten, hat ja schließlich auch acht Golden Globe® Nominierungen erhalten. In Venedig gab es für McDonagh (Bestes Drehbuch) und Farrell (Bester Darsteller) ja auch bereits Auszeichnungen, bei anderen Verleihungen wie in Chicago, Boston oder Palm Springs folgten weitere Awards.
Die Mischung aus Ruhe und aufkommendem Unheil durchzogen von schwarzem Humor weiß in Summe mit dem tollen Schauspiel, interessanten Charakteren und starken Dialogen zu begeistern. Hierbei wird es einem durchaus bewusst, dass der Ire McDonagh die plötzliche, völlig sinnlose Fehde zwischen Colm und Pádraic auch sinnbildlich für die Bürgerkriegs-Verhältnisse in seiner Heimat darstellt, ansonsten hätte der Film auch in einer anderen Zeit spielen können, was hier auf einer abgeschotteten Insel immer funktioniert hätte.
“Es gibt allegorische Aspekte bezüglich der Trennung zwischen diesen beiden Männern und der Trennung zwischen den beiden Seiten im Irischen Bürgerkrieg”, erklärt McDonagh und fügt an: “Es ist eine Geschichte, in der ein winziger kleiner Krieg zwischen zwei Kerlen geführt wird, während gleichzeitig ein größerer Krieg auf der anderen Seite des Wassers herrscht.” Gleeson ergänzt: “Ich denke, dass die Trennungen, die sich auf der Insel anbahnen, und die Gewaltsamkeit, deren Zeuge wir in unserem Film sind, gespiegelt werden in dem, was auf dem Festland passiert. Jeder klammert sich an seine kleinen Positionen und erlaubt es damit, dass die Trennungen gären und schlimmer werden.”
Ein toller Film, der sicher kein Gute-Laune-Popcorn-Kino ist, aber einen mit seinem Ambiente sowie seiner Handlung voll aufsaugt und eine tolle Stimmung verströmt, auch wenn es immer aufbrausender zugeht. Wenn möglich sollte man den Streifen unbedingt im englischen Original sehen, allerdings mit Untertiteln, da man sonst vielleicht doch nicht alles versteht – aber die Sprache gehört hier ebenso zur irischen Atmosphäre wie die Landschaft und die musikalische Untermalung.
Trailer:
Bewertung: 10 von 10 Punkten