Wann kommst du meine Wunden küssen
Darsteller: Bibiana Beglau, Gina Henkel, Alexander Fehling, Katarina Schröter
Regie: Hanna Doose
Dauer: 111 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.mfa-film.de/kino/id/wann-kommst-du-meine-wunden-kuessen-1
Facebook: facebook.com/mfa.filmdistribution
Maria hat sicherlich schon bessere Tage gesehen, soviel stellt Regisseurin Hanna Doose in ihrem zweiten Spielfilm „Wann kommst du meine Wunden küssen?“ gleich eingangs klar. Da kann ihre toughe Berliner Regisseurin (Bibiana Beglau) noch so sehr vorgeben, dass es gerade blendend läuft bei ihr. Letztendlich entlarvt die aber ein einfacher Faktencheck: keine funktionierende Beziehung, alle Filmprojekte auf Eis und finanziell ist sie deshalb auch nicht gerade auf Rosen gebettet. Also macht sie sich kurzerhand mit ihrem Motorrad von Berlin auf zu ihren Wurzeln in den winterlichen Schwarzwald, wo sie einst mit ihrer Schwester Kathi (Katarina Schröter) aufwuchs. Den Ziegenhof der Eltern bewirtschaften inzwischen mehr schlecht als recht Laura (Gina Henkel) und Jan (Alexander Fehling), deren Freude über den unerwarteten Besuch sich allerdings in überschaubaren Grenzen hält.
Wie gewohnt lässt Hanna Doose ihren Darstellern freie Hand, gibt ihnen mit den Ideen ihres Drehbuchs lediglich einen breit gesteckten Rahmen vor, den die mit weitestgehend improvisierten Dialogen mit Leben füllen sollen. Ein überaus interessanter Ansatz, der eine Menge Vertrauen in das Ensemble erfordert, und ihren eigenen Einfluss auf die Szenen gezielt einschränkt. Dieses Vertrauen aber zahlen ihr die wunderbaren Schauspieler sofort zurück, erzeugen vom ersten Moment an eine Authentizität, die sofort eine magische Nähe zu den Figuren herstellt. Da poltert die forsche Maria in das Leben von Laura und Jan und zieht wie selbstverständlich in ihr altes Zimmer, das die auch widerstandslos räumen.
Nicht die einzige Begebenheit, die sich einem nicht sofort erschließt, enthüllt uns Doose doch erst nach und nach die komplizierten Konstellationen, die sich hinter der anfangs merkwürdigen Vertrautheit aller verbergen. Es stellt sich heraus, dass Maria, Laura und Jan einst als erfolgreiche Regisseurin, Schauspielerin respektive DJ ein unzertrennliches Trio in der Party-Metropole Berlin bildeten, bis Laura Maria ihren Freund Jan ausspannte. Viertes Rad am Wagen war schon damals Kathi, die sich pflichtbewusst in der Heimat um die Eltern kümmerte und immer dann einen willkommenen Rückzugsort bot, wenn die drei vom stressigen Nachtleben mal wieder die Schnauze voll hatten.
Jetzt wohnt Kathi immer noch hier, hat mit ihrer fortgeschrittenen Krebserkrankung genug eigene Probleme, und haben die Aussteiger Laura und Jan vom Berliner Partyleben dauerhaft die Schnauze voll. Da können sie nach Jahren der Funkstille die Blenderin Maria – Bibiana Beglau gibt den Störenfried überzeugend unsympathisch – gerade gar nicht gebrauchen. Und doch entwickeln sich die Dinge bald ganz anders als erwartet, zeigt sich Maria als weitaus sensibler als gedacht und bringt das eingefahrene Gefüge der Wohngemeinschaft gehörig ins Wanken. Anfangs allein angereist, um ihren finanziellen Anteil am Hof einzufordern, was sie den ihr immer noch in enger Vertrautheit Verbundenen nicht lange verheimlichen kann, sorgt sie mit den lange verdrängten Konflikten der Vergangenheit bald für ein Wechselbad der Gefühle.
Gerade dabei macht sich Dooses Improvisationsmethode bezahlt, tritt doch manch gekränkte Eitelkeit oder nicht geäußertes Missfallen von damals erst in den intensiv gespielten Szenen zutage und macht die komplizierten, festgefahrenen Verhältnisse der Gegenwart allzu nachvollziehbar. So entwickeln auch wir dank der wundervollen Darsteller mit der Zeit eine angenehme Verbundenheit mit den Figuren, die zunehmend Zugang zu ihren vielschichtigen Charakteren ermöglicht und alles anfangs schnell bewertete Verhalten relativiert. Das macht den Film zu einer inspirierenden Reise zu den Auseinandersetzungen der einst intimen Freunde, deren Wunden auch jetzt noch nicht verheilt sind und dringend versorgt werden müssen. Und wer von uns hat in seinem Leben keine davongetragen?
Trailer:
Bewertung: 7 von 10 Punkten