Home Film “Sonne und Beton” – eine packende Mischung aus Buddy-Movie und Studie eines sozialen Brennpunkts

“Sonne und Beton” – eine packende Mischung aus Buddy-Movie und Studie eines sozialen Brennpunkts

Autor: Tobi

"Sonne und Beton" Filmplakat (© Constantin Film Verleih)

Sonne und Beton

Darsteller: Levy Rico Arcos, Vincent Wiemer, Rafael Luis Klein-Heßling, Aaron Maldonado-Morales
Regie: David Wnendt
Dauer: 118 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: constantin.film/kino/sonne-und-beton
Facebook: facebook.com/constantinfilm


Nachdem der deutsche Regisseur und Drehbuchautor David Wnendt sich nach vielbeachteten Werken wie “Kriegerin” und “Er ist wieder da” sowie seiner erfolgreichen Verfilmung von Charlotte Roches “Feuchtgebiete” in seiner Komödie “The Sunlit Night”, die ebenfalls eine Romanadaption darstellte, international aufstellte, widmet er sich mit “Sonne und Beton” nun wieder seinem Heimatland. Auch hierbei hadelt es sich um die Umsetzung eines Bestsellers, in dem Stand-Up-Comedian und Podcast-Moderator Felix Lobrecht, der das Drehbuch nun auch zusammen mit Wnendt schrieb, 2017 autobiographisch beeinflusst das Aufwachsen in der Berliner Gropiusstadt aufarbeitete.

Auch in der von Hochhäusern dominierten Großwohnsiedlung in Berlin-Neukölln macht sich der Rekordsommer 2003 bemerkbar, es wird geschwitzt und die hier sowieso schon oft miserable Laune ist noch dürftiger. Als Lukas (Levy Rico Arcos) von der Security nicht in seine Schule gelassen wird, weil er seinen Schülerausweis vergessen hat, den man hierfür am Tor vorzeigen muss, entscheidet er sich, mit dem generell häufig schwänzenden Gino (Rafael Luis Klein-Heßling) abzuhängen und ist dann wenig begeistert, als dieser den Tag bereits mit dem selbstverliebten und sich völlig überschätzenden Julius (Vincent Wiemer) verplant hatte.

Zu dritt ziehen sie durch ihr Problemviertel, und dieses macht einer solche Bezeichnung dann auch alle Ehren, als Lukas beim Durchqueren des Parks von einer Gruppe an Drogendealern mit arabischen Wurzeln verprügelt wird. Eigentlich wollten die Jungs doch nur etwas Gras kaufen bei einer rivalisierenden türkischen Gang, die beim Anblick des blutenden Lukas nun ihrerseits zuschlägt – und schon ist Lukas noch tiefer im Schlamassel und soll 500 Euro als Wiedergutmachung zahlen, sonst ergehe es ihm noch schlechter.

So viel Kohle hat Lukas nicht und sein intellektuell angehaucht hier schon fast wie ein Alien anmutender Vater Matthias (Jörg Hartmann) ist generell der Meinung, der Klügere müsse nachgeben, während der tief im Milieu steckende Bruder deutlich macht, er müsse hier dann doch eher nachtreten. Zunächst will Lukas Gino anpumpen, der heimlich dafür spart, mit seiner italienischen Mutter hier weg und vor den Wutausbrüchen ihres brutalen, fiesen Partners fliehen zu können. Als das nicht klappt, hat der neu zur Schulklasse gestoßene Sanchez (Aaron Maldonado-Morales) die Idee, die gerade erst neu erhaltenen Computer aus dem Lager der Schule zu entwenden und zu verticken.

"Sonne und Beton" Szenenbild (© Constantin Film Verleih)

(© Constantin Film Verleih)

“Sonne und Beton” ist einerseits ein Buddy-Movie über vier Jungs, die meistens zusammen halten, weil ihnen sonst auch nicht viel bleibt, zum anderen eine erschütternde, weil sehr nah an der Wirklichkeit gestrickte Studie über einen sozialen Brennpunkt. Ein Leben an der Armutsgrenze, Suff, Drogen und Gewalt prägen hier die Szene, letztere zwischen verfeindeten Gruppen ebenso wie familiär, und auch in der Schule gibt es keinerlei Disziplin und kaum gute Leistungen, da können sich Lehrer noch so engagiert zeigen.

Lukas hat eigentlich einiges auf dem Kasten und wenig Interesse an Stress, und doch kommt er unweigerlich in die Mühlen des Problemviertels und irgendwie dann nicht mehr heraus. Wenn er mit den Kumpels kifft, dann fühlen sie sich mal befreit, aber ansonsten sieht es hier doch sehr trüb aus zwischen glühender Sonne und zumindest etwas Schatten spendenden Betontürmen im heißen Sommer 2003.

“Sonne und Beton” weiß einen zu packen und jeder, der nicht so aufgewachsen ist, weiß dies beim Anschauen des gelungenen Streifens sehr zu schätzen. Hierbei sind nicht nur die Hochhausschluchten mit ihren mal verarmten, mal skurrilen, mal brutalen Bewohnern abschreckend, sondern auch der Blick auf die vielen zerrütteten Familiengebilde. Und wenn gerade bei der arabischen Familie des Jungen, der Lukas verprügelt hat, am meisten Disziplin herrscht und Eltern hier auch noch respektiert werden, was aber für eine Verbesserung des täglichen Verhaltens im Kiez dann auch nicht hilft, dann bleibt wenig Hoffnung.

Mit Levy Rico Arcos, Vincent Wiemer, Rafael Luis Klein-Heßling und Aaron Maldonado-Morales sehen wir vier starke Jungdarsteller in ihrer ersten Kinorolle, entdeckt unter mehr als 5000 Jugendlichen, die sich bewarben oder von Streetcastern angesprochen wurden. Mit Tatort-Kommissar Jörg Hartmann sowie Franziska Wulf und zahlreichen MusikerInnen und HipHop-KünstlerInnen wie Luvre47, Lucio101, Juju, Olexesh, NNOC, Azzi Memo, Klapse Mane oder AOB sind weitere Rollen besetzt, was bestens passt und den Anreiz, ins Kino zu gehen, für jugendliche HipHop-Hörer noch vergrößern sollte. Der Film ist aber nicht nur für sie, er nimmt auch Erwachsene mit in eine Welt, die im Optimalfall weit weg ist, für viele aber eben dann doch nicht.

Trailer:

Bewertung: 8 von 10 Punkten

 

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