Nachdem wir schon mehrfach über “Rock am Ring” berichtet haben und vor einer ganzen Weile auch ein paar Male das “Roskilde Festival” besucht hatten, war es 2023 an der Zeit, etwas Neues kennen zu lernen – und was bot sich da mehr an als ein Besuch des traditionsreichen Zwillingsfestivals HURRICANE und SOUTHSIDE vom 16. bis 18. Juni, wo ein umwerfendes Line-Up auf dem Programm stand. Wir entschieden uns für das SOUTHSIDE und waren begeistert – aus diversen Gründen.
1999 erstmals noch in der Nähe von München organisiert findet das SOUTHSIDE seit dem Jahr 2000 im baden-württembergischen Neuhausen ob Eck auf einem ehemaligen Militär- und Flugplatzgelände statt, das heute als “take-off GewerbePark” dient. Die Lage in der Nähe des Bodensees (etwa 30 Autominuten) bietet nicht nur Möglichkeiten für reizvolle Ausflüge, sie sorgt auch dafür, dass die inzwischen 62.000 BesucherInnen vor allem aus Deutschland, der Schweiz und Österreich stammen, wobei natürlich auch einiges internationales Publikum aus anderen Ländern anzutreffen ist.
Die Stimmung beim Festival war an allen drei Tagen auffallend friedlich und angenehm – hier wollte jeder Spaß haben und gute Musik genießen, was auf der riesigen Fläche von 87.600 m² Veranstaltungsgelände plus 121 ha (ca. 170 Fußballfelder) für Zelt- & Parkplätze bestens gelang, … und man sah viele bunte, auffallende Outfits, gerne auch in Gruppen, zudem bei den Damen oft Glitzer im Gesicht. Positiv fiel direkt auf, dass auch außerhalb des Veranstaltungsgeländes viele Angebote für diversestes Essen (Käsespätzle durften natürlich nicht fehlen) zu finden waren, ebenso wie kleine Supermärkte für die Grundversorgung zu gut verdaulichen Preisen.
Das SOUTHSIDE-Gelände bot drei große Bühnen, von denen die “Green Stage” die größte war, gefolgt von der neben ihr positionierten “Blue Stage” und der daran anschließenden “Red Stage”. Das Set-Up sorgt bei ErstbesucherInnen wie uns vielleicht für etwas Stirnrunzeln, da man einen Soundbrei zwischen den Bühnen befürchtet, der Timetable wurde aber (vor allem am Freitag und Samstag, als bis 2 Uhr gespielt wurde) sinnvoll aufgestellt, so dass es kaum zu Überschneidungen kam … lediglich am Sonntag mal für einige Lieder, aber auch hier konnte man sich ja so positionieren, dass man gut hörte – wobei es schon ordentlich voll auf dem Gelände wurde. Zusätzlich gab es noch eine “White Stage” als Zelt, in dem auch einige interessante kleinere Acts zu sehen waren, wo es aber sehr laut und dann natürlich auch recht warm zuging – und eine noch weit kleinere Bühne hatte auch Sponsor Firestone am Start.
Natürlich gab es auch auf dem Veranstaltungsgelände zahlreiche Angebote zur Stärkung, mit einer großen Vielfalt an kulinarischen Angeboten, dazu vielen Getränkeständen und auch gratis Trinkwasserversorgung. Diese wurde besonders wichtig, da der Wettergott für tolle Temperaturen sorgte. Mit um 25 Grad wurde es an den ersten beiden Tagen herrlich, wobei man zum Glück auch für Zelte mit Schatten gesorgt hatte – und Sonntag wurde es zwar noch wärmer, es gab aber auch weit mehr Wolken, und nur während des Konzerts von Marteria abends mal zehn Minuten mit etwas Nieselregen, von ihm mit “Der Himmel weint kleine Tränen der Freude” umschrieben.
Sein Lieblingsfestival sei das SOUTHSIDE, erklärte Marteria, und das glaubte man gerne, wenn man sah, wie hervorragend die Stimmung war und wie sehr die Acts gefeiert wurden. Hierbei erwähnten am Samstag und Sonntag gleich mehrere Acts, die zuvor beim HURRICANE aufgetreten waren, dass es dort sehr staubig zugegangen sei – ein Problem, welches hier nicht auftrat, auch wenn der Boden mächtig ausgetrocknet war und man abseits der ehemaligen Start-/Landebahn nicht mehr auf Rasen, sondern auf wenig fußschmeichelnden Steinen lief … dickere Sohle zahlte sich also aus.
Während beim HURRICANE im norddeutschen Scheeßel, wo es Samstag auch mal einen kräftigen, reinigenden Schauer gab, 78.000 Gäste gekommen waren, freuten sich beim Southside 62.000 über ein Line-Up, das keine Fragen offen ließ und dieses Jahr im Vergleich mit “Rock am Ring” und “Rock im Park” von vielen favorisiert wurde. Gleich neun Headliner hatten sich angesagt, und jede Menge weiterer namhafter Acts aus diversen Stilrichtungen.
Am Donnerstagabend hatte es bereits eine Warm-up-Party gegeben, am Freitag ging es dann richtig los. Die Ärzte und Queens Of The Stone Age lieferten als Headliner auf der Green Stage gewohnt gut ab, erstere wieder mit viel Redeanteil und lockeren Sprüchen zum Punkrock, bei dem man gerne noch ein paar alte Klassiker innerhalb der zwei Stunden gehört hätte – aber natürlich fehlten große Hits wie “Schrei nach Liebe”, “Junge” oder “Westerland” nicht. Die Queens Of The Stone Age um den charismatischen Frontmann Josh Homme hatten vorher bereits mit ihrem Stoner Rock für Fülle vor der Bühne gesorgt. Placebo schlossen den ersten Tag dann als dritter Headliner auf der Blue Stage ab, wobei sie zwar gute Musik lieferten, aber auch hier hätten sich die weit übersichtlicher wach gebliebenen Fans bis 2 Uhr nachts noch ein paar Hits mehr gewünscht, wie z.B. das allseits bekannte “Every You Every Me”, welches sie nun aber schon eine Weile aussparen.
Richtig voll wurde es nachmittags bereits bei HipHop-Überfliegerin Nina Chuba, wobei die Rote Bühne sich für den Andrang durchaus als zu klein heraus stellte und der Sound bei ihr auch suboptimal war, so dass man an den Seiten und hinten kaum etwas von Ninas Stimme hörte, während die Menge vorne Stücke wie den Hit “Wildberry Lillet” abfeierte. Das war schade, hatte man die Auspegelung sonst doch auch auf dieser Bühne recht gut im Griff.
Acts wie James Bay und Frank Turner & The Sleeping Souls sorgten für entspanntere, passend zum Wetter teilweise chillig getragene Songwriter-Töne, die Isländer von Kaleo boten eine gute Mischung aus Rock, Folk und Blues, bei Wanda und Clueso war die Stimmung auf der Blue Stage bestens, The 1975 und The Pale White sorgten für Indie-Klänge, 01099 und BHZ für HipHop bzw. Trap, und mit Betontod oder Akne Kid Joe gab es auch noch mehr Punkrock. Und wer Lust hatte, konnte das bunte Treiben am Boden auch aus dem Riesenrad bestaunen, was immer eine Fahrt wert ist mit tollem Blick über das gesamte Gelände.
Am Samstag konnten sich die weiter bestens gelaunten BesucherInnen bei gleichbleibend trockenem, warmem Wetter, das abends die Temperaturen dann auch weniger sinken ließ, auf drei weitere namhafte Headliner freuen. Nachmittags ging es aber auch bereits hochklassig zu, als die Donots mit ihrem Punkrock einheizten und die Menge schon einmal baten, Aki Bosse später auf sein Versagen beim vortäglichen Hurricane-Joggen hinzuweisen. Um sicher zu gehen, dass das auch nicht vergessen wird, kam Frontmann Ingo dann auch während des Bosse-Gigs joggend auf die Bühne und zusammen gab es eine nette, sympathische Einlage. Aki brachte die Menge zum Tanzen, Hüpfen, Klatschen und stellte seine Kondition durchaus unter Beweis. Leider hatte sich seine Keyboarderin und Backgroundsängerin bei einem der ersten Stücke während eines Sprungs verletzt, machte unter dem Jubel der Menge aber mit Stehhilfe weiter – gute Besserung!
Anti-Flag und Enter Shikari sorgten in zweiter Reihe für harte Töne, Provinz für Indiepop, und Tash Sultana beschert mit Live-Loopen ja schon seit Jahren starke, sehr besondere Gigs. Erster Headliner des Tages war dann Seeed-Sänger Peter Fox, der 15 Jahre nach seinem überragenden Solo-Debüt “Stadtaffe” mit “Love Songs” einen zweiten, wieder guten Longplayer veröffentlicht hat – und was er hier live ablieferte, war einfach nur grandios. Nach einigen eröffnenden Songs wie dem neuen “Disney” oder dem Klassiker “Schwarz zu blau” mit Unterstützung seiner guten Band kamen nicht nur etwa zehn TänzerInnen zusätzlich auf die Bühne, sondern dazu noch etwa 50 BesucherInnen des Festivals, die hierfür einige Moves einstudiert hatten und nun mit Peter und seiner Crew das Ganze zu einer riesigen, massiv gefeierten Party werden lassen durften. Was für eine Show, und auch wenn das gute alte “Alles neu” für die größte Ekstase sorgte und das chillige “Haus am See” fehlte, wurden auch die neuen Songs wie “Ein Auge blau” oder “Zukunft Pink” nicht nur bestens angenommen, sondern gefeiert. Ein denkwürdiger Auftritt des tollen Berliners, in jeder Beziehung.
Natürlich war Peter Fox nicht der einzige Headliner des Abends, und auch die anderen beiden hatten es in sich. Ebenfalls auf der Green Stage standen später Billy Talent auf dem Programm, die allerdings durch technische Probleme nicht wie geplant um 23 Uhr starteten, sondern erst mehr als 20 Minuten später. Die für melodischen, aber knackig mitreißenden Alternative Rock oder Punk bekannten Kanadier um Frontmann Benjamin Kowalewicz hatten jede Menge Mitsing-Hits im Repertoire und sorgten ebenfalls für tolle Stimmung – diejenigen, die aber von den um 0.30 Uhr angesetzten Kraftklub nichts verpassen wollten, konnten den etwas gekürzt erscheinenden Gig nicht zu Ende ansehen.
War es am Tag vorher beim Nacht-Headliner Placebo noch sehr luftig, sah es bei Kraftklub ganz anders aus. Vor der Blue Stage versammelte sich eine riesige Masse und zusammen wurden Hits wie “Ich will nicht nach Berlin”, “Unsere Fans” oder “Ein Song reicht” zelebriert. Ob Papierschlangen aus Kanonen geschossen wurden, “500 K” inmitten des Publikums auf einer Box stehend in die Nacht geschmettert wurde oder die Masse mit “Songs für Liam” oder “Schüsse in die Luft” in Wallung gebracht wurde – die Rockhelden aus Chemnitz lieferten bestens ab, und nicht nur Frontmann Felix Brummer hatte jede Menge Spaß.
Dem Sonntag merkte man natürlich auch hier an, dass man sich am dritten, langen, warmen Tag befindet, und doch blieb die Stimmung gut. Nachmittags war es schön, die britischen Indie-Rock-Popper von Two Door Cinema Club wieder auf der Bühne erleben zu können, nachdem die für 2022 angesetzte Tour abgesagt werden musste, da Frontmann Alex Trimble sich auf Grund einer Autoimmunerkrankung einer OP unterziehen musste. Nun sind sie wieder da und machten gute Laune, so wie auch Madsen mit ihrem starken Rock oder Bukahara mit ihrem gefeierten, stimmungsvollen Folk. Dazu gab es Chvrches, The Lumineers oder auch Trettmann, der aber alleine auf der Bühne recht blass blieb, auch viele Songs nur anspielte, anstatt sie komplett zu bringen.
Abends waren sicher schon einige abgereist, die einen weiten Weg und den Montag nicht frei genommen hatten, die meisten BesucherInnen aber waren noch vor Ort und freuten sich auf die abschließenden Headliner – was sich auch komplett lohnte. Zunächst spielte Marteria auf der Green Stage auf, mit Songs seines elektronischeren letzten Albums “5. Dimension” und vielen Klassikern wie “Kids”, “Scotty beam mich hoch”, “Endboss” oder “El Presidente” – und auch die chilligen “Lila Wolken” fehlten nicht. Marten hatte die Menge voll im Griff und versäumte auch nicht, die letzten Monate als seine schwersten zu erklären und sich gegen jegliche Gewalt zu positionieren.
Ein Casper-Feature, also Songs vom gemeinsamen Album, gab es nicht, hier nicht und auch nicht nebenan auf der Blue Stage, wo selbiger ab 21.30 Uhr selbst am Start war und ein ebenso hervorragendes Konzert hinlegte. Mit seiner üblichen, imposanten Bühnenenergie hatte er die vielen Fans im Griff, zudem gab es Feuer-Fontänen hinter dem ersten Wellenbrecher, Pyro auf der Bühne und Feuerwerk, während Casper auf einer Blumen-geschmückten Bühne mit guter Band und Hits wie “Im Ascheregen”, “So perfekt” oder “Hinterland” die Fans zum Springen, Singen und Klatschen brachte – und auch die brandneue Single “Emma” aus dem im November erscheinenden Album “Nur Liebe, immer” wurde vorgestellt.
Dadurch, dass die Musik am Sonntag “nur” bis Mitternacht angesetzt war, kam es auch hier zu einer kleinen Überschneidung, fingen doch um 22.30 Uhr bereits Muse als letzter großer Headliner auf der Green Stage mit ihrem Gig an. Das britische Trio – hier durch einen Keyboarder, der hin und wieder auch mal zur Gitarre griff, ergänzt – haute einen einmal mehr mit seiner Energie und tollen Songs ebenso um wie mit einer einfach perfekten Show, samt einiger toller Videoeinspieler zum “Will Of The People”-Thema des letzten Albums, Feuersäulen und Ausflügen auf den ins Publikum ragenden Steg. Frontmann Matthew Bellamy, Bassist Chris Wolstenholme und Drummer Dominic Howard stellten einmal mehr ihre unbestrittene Ausnahmeklasse an den Instrumenten unter Beweis und bescherten mit Songs wie “Time Is Running Out”, “Knights Of Cydonia”, “Uprising” oder “Won’t Stand Down” einen fulminanten, umjubelten Abschluss des Festivals.
Als Fazit nehmen wir mit, dass wir ein absolut tolles Festival erleben durften, dessen Organisation einen sehr professionellen Eindruck gemacht hat und bei dem sehr viele der Acts heraus stellten, wie toll es hier sei und wie überragend das Publikum mitgehen würde, wobei auch klare politische Ansagen gegen Rechts oder – ohne Namen zu nennen – gegen Machtmissbrauch in der Branche mehrfach zu hören waren. Hier auf alle zusätzlichen Infos zum Nachhaltigkeitskonzept, zu der Weiterentwicklung der Abfall-Challenge “Trasholution” oder zu den immer wichtiger werdenden Safe Spaces sowie Awareness-Teams für das bewährte “Panama-Konzept” einzugehen, würde zu weit führen – bitte schaut doch hierfür mal auf die Website zu den Themen Nachhaltigkeit und Experience.
Keine Frage, dies wird nicht unser letztes SOUTHSIDE FESTIVAL gewesen sein – wir sind gespannt, welche Acts für nächstes Jahr verkündet werden, wenn vom 21. bis 23. Juni hier und beim HURRICANE FESTIVAL gefeiert wird.
Tickets für 2024:
Der Vorverkauf für die Festivals Southside und Hurricane 2024 ist gestartet, mit einem begrenzten Kontingent an Festivalpässen ab 199,- Euro. Erstmalig gibt es zudem ein spezielles Fanpackage mit exklusivem Merchandise.
Tickets für das Hurricane Festival kannst du hier kaufen, für das Southside Festival gibt es sie hier.
Mehr Infos / Websites:
Mehr Informationen zu den Festivals und zum Line-Up findet man auf hurricane.de und southside.de.