The Inspection
Darsteller: Jeremy Pope, Gabrielle Union, Raúl Castillo, Bokeem Woodbine
Regie: Elegance Bratton
Dauer: 95 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.x-verleih.de/filme/the-inspection
Facebook: facebook.com/xverleih
Schon in seinem Spielfilmdebüt, der Dokumentation „Pier Kids“ (2019), widmete sich Filmemacher Elegance Bratton queeren Jugendlichen auf der Straße, für die in unserer Gesellschaft eigentlich kein Platz vorgesehen ist. Sollten wir uns zuvor mit seiner Biografie nicht eingehender auseinandergesetzt haben, begreifen wir spätestens jetzt, warum ihm diese oft ausgegrenzte Gruppe so sehr am Herzen liegt. Drei Jahre später nämlich erzählt er uns nun in seinem neuen Werk „The Inspection“ äußerst dramatisch seine eigene Geschichte als Homosexueller bei den US-Marines in der Zeit, bevor er sich als Armeefotograf und an der Filmakademie verwirklichen konnte.
Ellis (Jeremy Pope) heißt seine Filmfigur und wird schon mit sechzehn von seiner alleinerziehenden, fast schon fanatisch religiösen Mutter Inez (Gabrielle Union) verstoßen, weil die mit seiner schon früh offenbarten Homosexualität nicht im Entferntesten umgehen kann. Als wir ihn zum ersten Mal treffen, ist er mit Anfang zwanzig am Tiefpunkt angekommen: obdach- und mittellos sowie ohne wirklichen Bezugspunkt im Leben. Und wie so vielen verzweifelten Amerikanern bleibt ihm als hoffnungsvolle Perspektive allein die Ausbildung beim Militär, wofür er aber dringend seine Geburtsurkunde braucht. Der Besuch bei seiner Mutter ist also unumgänglich, geht jedoch weit über den formellen Akt der Dokumentenbeschaffung hinaus und ist angesichts seiner Pläne obendrein ein beinahe flehentliches Buhlen um Respekt und Anerkennung, die sie ihm so lange verwährt hat.
Eine Szene, die eindrucksvoll nicht nur die klaffende seelische Wunde zeigt, die Ellis die Ablehnung seiner Mutter geschlagen hat, sondern ebenso ihre unversöhnliche Hartherzigkeit in einer unmissverständlichen Drastik zur Schau stellt. Das ist schauspielerisch von beiden ungemein imposant vorgetragen, nimmt uns unheimlich mit, und besonders Jeremy Pope demonstriert hier mit der transportierten Ambivalenz seines Ellis in diesem ersten Highlight des Films seine Klasse. Die Pflöcke sind damit eingeschlagen für eine Geschichte, die an Dramatik nicht abnehmen soll, vielmehr erst richtig Fahrt aufnimmt, als Ellis tatsächlich trotzig seine Ausbildung beim US-Marinekorps antritt.
Dort ist 2005 noch mehr als jetzt bekennende Homosexualität absolut undenkbar. Es gilt die Maxime „Don’t ask, don’t tell“, der sich folglich auch Ellis unterordnet. Und doch wird er schon beim Bustransport ins Bootcamp zur Zielscheibe der selbsternannten Alphatiere der Truppe, allen voran des Mobbers Harvey (McCaul Lombardi), der sich in der Folge zum bösartigen Widersacher entwickelt. Der findet im unerbittlichen Ausbilder Laws (Bokeem Woodbine) auch noch sofort einen Verbündeten, als Ellis unter der Dusche eine Erektion bekommt und fortan mit dem schwulen Stigma einen ungeheuer schweren Stand in der Einheit hat.
Brattons Einlassungen erinnern dabei stark an Stanley Kubricks legendären „Full Metal Jacket“, wenn er genauso bewegend die Methoden des Schleifers Laws in Szene setzt, mit denen die angehenden Marines systematisch gleichgeschaltet und dabei auch noch die widerspenstigsten Abweichler – in diesem Falle der schwule Ellis – gebrochen werden sollen. Das geht bei ihm aber fast noch beeindruckender über die Grenzen geduldeter Körperverletzung hinaus, als Ellis eine Unterwasserübung nur um Haaresbreite überlebt, und Bratton damit authentisch das gesamte Spektrum homophober Diskriminierung aufzeigt, dem sicher nicht nur Ellis beim Höllenritt durch den Drill der Grundausbildung ausgesetzt war. Der allerdings erfährt auch Solidarität unter den Rekruten und vornehmlich vom liberalen Ausbilder Rosales (Raúl Castillo), die er jedoch unter dem Eindruck seiner sexuellen Wunschvorstellungen fehldeutet und eine herbe Enttäuschung erlebt.
Brattons intensives Drama über seinen eigenen Werdegang geht ungemein unter die Haut und schildert uns mit dem sensationellen Hauptdarsteller Jeremy Pope nachdrücklich Ellis‘ zwiespältige Erfahrungen als einen Prozess, aus dem Ellis letzendlich mit dem Abschluss gestärkt hervorgeht und mit dem er sein Leben wieder in die richtigen Bahnen lenkt. Und trotz der Radikalität seiner Darstellungen und des ungelösten Mutter-Sohn-Konflikts entlässt es uns mit einem versöhnlichen Gefühl der Hoffnung.
Trailer:
Bewertung: 8 von 10 Punkten