Fallende Blätter
Darsteller: Jussi Vatanen, Alma Pöysti, Janne Hyytiäinen, Martti Suosalo
Regie: Aki Kaurismäki
Dauer: 81 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: fallende-blaetter.pandora.film
Facebook: facebook.com/pandorafilm
Auch wenn man noch nie in Finnland war, so muss es sich einfach anfühlen, das Leben im skandinavischen Land. Und wieder einmal lässt uns Kultregisseur Aki Kaurismäki („Vertrag mit meinem Killer“, „Der Mann ohne Vergangenheit“) daran teilhaben, der es eigentlich schon vor sechs Jahren mit seinem letzten Werk gut sein lassen wollte. Gut, dass er sich noch einmal eines Besseren besonnen hat, denn in seinem neuen Film „Fallende Blätter“ erzählt er uns eine berührende Liebesgeschichte im tristen Helsinki garniert mit derart fein akzentuiertem Humor, wie es irgendwie nur er kann. Widmete er sich in seinem Vorgänger „Die andere Seite der Hoffnung“ noch der aktuellen Tagespolitik, als er mit seinem syrischen Protagonisten die Flüchtlingskrise thematisierte, kehrt er jetzt wieder ganz zu seinen Wurzeln zurück und setzt seine eigentlich schon abgeschlossene Proletariatstrilogie („Schatten im Paradies“ (1986), „Ariel“ (1988) und „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ (1990)) fort.
Der Chefmelancholiker wendet sich nämlich wieder ganz den Außenseitern der Gesellschaft zu, wenn er uns Holappa (Jussi Vatanen) vorstellt, der seinen karg entlohnten Job auf dem Bau vornehmlich ausübt um seinen hohen Alkoholkonsum zu finanzieren und daneben kaum einer anderen Freizeitbeschäftigung nachgeht. Selbst die Arbeitsstelle jedoch hat der Alkoholiker nicht mehr lange und muss deshalb zu wenig besseren Konditionen in einer Gießerei anheuern. Auch Ansa (Alma Pöysti) steht nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens und verliert, als wir sie kennenlernen, gerade zu unserer Empörung ihren prekären Job im Supermarkt wegen der lächerlichen Mitnahme eines abgelaufenen Joghurts. Zwei verlorene Seelen wie geschaffen füreinander, die Kaurismäki natürlich zusammenführt.
Das passiert, viel profaner geht es kaum, in einer Karaokebar, in die Holappa sein bester und so ziemlich einziger Kumpel Huotari (Janne Hyytiäinen) schleppt um den Trinker wenigstens einmal aus seinem allabendlichen Sumpf zu ziehen. Ansa ist mit ihrer Freundin da, um ebenfalls auf andere Gedanken zu kommen, als ihr Blick den Holappas kreuzt und beide sich sofort zueinander hingezogen fühlen. Ein paar Wortwechsel und Holappas Interpretation eines Schubert-Liedes später steht das Kino-Date, mit dem der Regisseur und Drehbuchautor seine eigentümliche Liebesgeschichte in die Spur schickt. Es klingt so kitschig, wie das alles arrangiert ist, aber Kaurismäki präsentiert es uns mit seinem typischen feinen Gespür für den Moment und einem stets präsenten Anflug von Ironie, dass man einfach gerne in seine Atmosphäre eintaucht.
Passenderweise suchen sich die beiden als Film Jim Jarmuschs Zombieparodie „The Dead Don’t Die“ aus – viel romantischer kann eine Auswahl für ein erstes gemeinsames Ausgehen wohl nicht getroffen werden. Aber auch das sagt viel aus über Kaurismäkis Dramödie, die sich selbst in keiner Szene so ernst nimmt, wie ihre Thematik. Denn damit meint es der Finne wirklich ernst, macht sich nie über die zarte Beziehung der beiden lustig, sondern hebt vielmehr äußerst sensibel die Sehnsucht der einsamen Herzen nach Nähe hervor.
Bis dahin aber sind noch so einige Hürden zu überwinden, verliert doch Holappa tragisch inszeniert mit ihrer Telefonnummer Ansas einzige Kontaktmöglichkeit, und muss sich auch Einzelgängerin Ansa mit dem Kauf eines zweiten Tellers erst auf Holappa einlassen, der fortan verzweifelt bei jedem Wetter vor dem Kino auf eine Begegnung mit ihr wartet. Das alles ist wieder ungemein herzerwärmend und gleichzeitig mit zeitloser Retroausstattung eingefangen, die eine Einordnung allein durch aktuelle Radiomeldungen über den Ukraine-Krieg möglich macht, und so ein großes Stück zur meisterlich kreierten Melancholie beisteuert.
Bei aller Fokussierung auf das Schicksal der beiden Suchenden jedoch klingt auch wieder eine gute Portion Gesellschaftskritik an, befasst sich der Regisseur unaufdringlich mit prekären Beschäftigungsverhältnissen und ihren Auswirkungen auf die Betroffenen, sei es nun Alkoholismus oder Vereinsamung. Und doch verbreitet Kaurismäki mit der Aussicht auf das Liebesglück zweier Menschen trotz widriger Umstände ein wohliges Gefühl der Hoffnung, das seinen Film zu einem angenehmen Erlebnis macht.
Trailer:
Bewertung: 7 von 10 Punkten