The Holdovers
Darsteller: Paul Giamatti, Da’Vine Joy Randolph, Dominic Sessa, Carrie Preston
Regie: Alexander Payne
Dauer: 133 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.upig.de/micro/the-holdovers
Facebook: facebook.com/Focus.Features.DE
Kinostart: 25. Januar 2024
Unter einem “Holdover” versteht man ein lebendiges oder auch nur gegenständliches Überbleibsel aus einer nicht mehr existierenden Zeit. Fast so fühlt sich auch der Film “The Holdovers” bereits an, wenn er mit den Logos von Universal Pictures, Miramax und Focus Features aus den 70er-Jahren eröffnet – wobei letztere Produktionsfirma erst 2002 gegründet wurden, hier wurde also ein altbackenes Logo im Sinne der Nostalgie herbeigeflunkert. Diese kommt dann aber sowieso auf im neuen Streifen von Alexander Payne, der in der Kategorie “Bestes adaptiertes Drehbuch” bereits zwei Oscar®-Trophäen mit nach Hause nehmen konnte, für “The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten” 2012 und früher noch “Sideways” in 2004. Bei beiden Filmen führte er auch Regie, und bei letzterem sahen wir Paul Giamatti in der Hauptrolle, der hierfür eine Golden-Globes-Nominierung als “Bester Hauptdarsteller — Komödie oder Musical” erhielt.
“The Holdovers” führt die beiden wieder zusammen und bescherte Giamatti kürzlich bereits sogar eine Auszeichnung mit dem Golden Globe in der Kategorie “Bester Hauptdarsteller — Komödie oder Musical”, ebenso wie Da’Vine Joy Randolph als “Beste Nebendarstellerin”. Und da pünktlich zum deutschen Kinostart die Oscar®-Nominierungen verkündet wurden, weiß man nun, dass der Film, bei dem Payne diesmal “nur” im Regiestuhl saß, hierbei am 10. März gleich fünfmal im Rennen sein wird, als “Bester Film”, für “Bestes Originaldrehbuch” (David Hemingson) und “Bester Schnitt” (Kevin Tent), sowie Paul Giamatti als “Bester Hauptdarsteller” und Da’Vine Joy Randolph als “Beste Nebendarstellerin”.
“The Holdovers” nimmt uns mit in den Dezember 1970, wo im Elite-Internat Barton Academy in Neuengland die Weihnachtsferien anstehen und sich der 17-jährige, vorlaute, auch mal mit anderen auf wenig harmonischen Pfaden wandelnde Unruhegeist Angus (Dominic Sessa) bereits auf einen Strandurlaub auf der Karibikinsel St. Kitts mit der Mutter freut, bis Frau Mama ihn am Telefon nach Heirat eines wohlhabenden Neu-Stiefvaters über ihre spontan anberaumte Hochzeitsreise informiert und somit samt aller voriger Pläne abserviert. Was für ein Frust, muss Angus doch nun tatsächlich die Feiertage im Internat verbringen, mit einer Handvoll anderer SchülerInnen.
Noch schwächer besetzt ist Personaldecke über die Feiertage. Nachdem der ebenso unbeliebte wie unnachgiebige Lehrer Paul Hunham (Paul Giamatti) den Sohn eines wichtigen Geldgebers hat durchrasseln lassen, wurden ihm diese ungeliebten Tage nahegelegt, und da er sowieso als spaßbefreiter Griesgram privat wenig Besseres zu tun hätte, ist er im Internat verblieben, ebenso wie die gutmütige Mensa-Chefin und Köchin Mary (Da’Vine Joy Randolph), die kürzlich erst ihren Sohn im Vietnamkrieg verlor.
Dass der auf Grund eines ersetzten Sehorgans unschön “Glubschauge” genannte Hunham die Ferien auch noch mit Lernen und Übungen zu überbrücken beginnt, verschlechtert die sowieso schon dürftige Laune, bis ein reicher Daddy nach sechs Tagen mit seinem Hubschrauber auf dem Campus landet und seinen Sohn zum Ski-Urlaub abholt, und alle anderen SchülerInnen dürfen gerne mitkommen. Angus ist der einzige, bei dem keine Eltern für eine Erlaubnis erreicht werden können, und bleibt konsterniert als einziger zurück.
Nach Angus’ misslungenem Versuch, in ein Hotel zu entfliehen, kommt es zu einer Jagd, auf der sich der rebellische, aber kluge Junge verletzt. Um Hunham vor einer Strafe zu bewahren, lügt er aber dann und so langsam bricht das zur Jahreszeit passende Eis zwischen den beiden, auch begünstigt durch einen unerwarteten und ungewohnten Flirt Hunhams, wodurch er mit Angus und Mary auf eine Weihnachtsfeier eingeladen wird. So unschön und erzwungen sie auch begannen, die gemeinsamen Tage schweißen Angus, Hunham und Mary immer mehr zusammen.
Mit viel Gespür für eine schöne Geschichte, interessante Charaktere, Nostalgie, optimales Erzähltempo sowie eine stimmige Balance aus humorvollen und warmherzig berührenden Momenten lassen uns Regisseur Alexander Payne und Drehbuchautor David Hemingson teilhaben an den Feiertagen der drei zentralen Internats-Holdovers, wobei für jeden von ihnen aus einer ungewollten Situation etwas Positives entspringt, was nachhaltig bereichernd wirkt.
Paul Giamatti brilliert als harter Lehrer-Kotzbrocken mit immer mehr durchscheinendem weichem Kern, Da’Vine Joy Randolph agiert ganz wunderbar als sanftmütiger Ruhepol mit guter Beobachtungsgabe und trockenem Humor, und auch Newcomer Dominic Sessa spielt stark in seiner ersten Rolle. Dass die überzeugende, winterliche Schulgeschichte als bester Weihnachtsfilm des Jahres 2023 nun erst Ende Januar auf unsere Kino-Leinwände kommt, ist vielleicht etwas unglücklich, und doch sollte man sie möglichst nicht verpassen.
Trailer:
Bewertung: 9 von 10 Punkten