Home Film “Stella. Ein Leben.” – das Schicksal der Jüdin Stella Goldschlag emotional aufbereitet

“Stella. Ein Leben.” – das Schicksal der Jüdin Stella Goldschlag emotional aufbereitet

Autor: Mick

"Stella. Ein Leben." Filmplakat (© Majestic Filmverleih)

Stella. Ein Leben.

Darsteller: Paula Beer, Jannis Niewöhner, Katja Riemann, Damian Hardung
Regie: Kilian Riedhof
Dauer: 121 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.majestic.de/stella-einleben
Facebook: facebook.com/majestic.filmverleih
Kinostart: 25. Januar 2024


Das dunkelste Kapitel in unserer deutschen Geschichte gab in der Vergangenheit schon einiges an Stoff her für Filmdramen, in denen die Rollen von Gut und Böse, ob nun SS-Scherge oder verfolgter Dissident, eindeutig verteilt waren. Die ambivalenteste Figur stellt da wohl noch die des Industriellen Oskar Schindler in Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ (1993) dar, der zwar Tausende von Juden vor dem sicheren Tod bewahrte, davon aber gleichzeitig finanziell gewaltig profitierte. Kilian Riedhof („Meinen Hass bekommt ihr nicht“, „Sein letztes Rennen“) widmet sich in seinem neuen Historiendrama „Stella. Ein Leben.“ mit der Jüdin Stella Goldschlag einer ähnlich widersprüchlichen Persönlichkeit, die 1957 in der Bundesrepublik für ihre Taten als Denunziantin verurteilt wurde.

Gestützt auf umfangreiche Recherchen und Prozessakten geht er dabei streng chronologisch vor, stellt uns mit der unbedarften 18-jährigen Stella (Paula Beer) ein Mädchen vor, das 1940 in Berlin von ihrer Zukunft als gefürchtete „Greiferin“ noch meilenweit entfernt ist. Zwar ist für sie als Jüdin schon da das Leben alles andere als einfach und Repressalien der Nationalsozialisten an der Tagesordnung, die Jazzliebhaberin und ihre jüdischen Freunde aber haben sich weitestgehend mit ihrem schwierigen Alltag arrangiert. Musik bestimmt den Takt der in einer Jazzcombo Engagierten, und schließlich gibt es für die jungen Menschen ja noch den Traum einer großen Karriere in New York.

Doch der ist bald ausgeträumt, die Zeiten werden immer ungemütlicher und an Zukunftsplanung ist angesichts der allgemein vorherrschenden Unsicherheit nicht zu denken. Immer wieder werden Bekannte verhaftet, und auch für Stella kommen die Einschläge langsam näher, als die Eltern eines Bandmitglieds deportiert werden. Spätestens da ist ihr und ihren Eltern der Ernst der Lage bewusst, doch ein Auswandern in die USA ist nicht so leicht organisiert.

"Stella. Ein Leben." Szenenbild (© Majestic Filmverleih / Christian Schulz)

Berlin 1939: Die 17-jährige Stella (Paula Beer) singt in einer Jazzband, genießt ihre Jugend, ihre Schönheit und träumt von einer Sängerinnen-Karriere in den New Yorker Clubs.
(© Majestic Filmverleih / Christian Schulz)

Drei Jahre später sitzen sie immer noch in Berlin fest, Stella und ihre Mutter (Katja Riemann) sind inzwischen als Zwangsarbeiterinnen in einem Rüstungsbetrieb tätig und sie rechnen praktisch täglich mit ihrem Abtransport in ein Konzentrationslager. Ihre über die Jahre entwickelten Überlebensstrategien lassen ihnen da keine andere Option als unterzutauchen, und Stellas verzweifelte Suche nach Lebensmittelkarten führt sie in die Arme des findigen Schwarzmarkthändlers Rolf (Jannis Niewöhner). Die Begegnung der beiden, die sich fast augenblicklich ineinander verlieben und bald als Schwarzmarkt-Duo aus der Not eine Tugend machen, nutzt Regisseur Riedhof dabei geschickt, um Stellas Opferrolle aufzubrechen und mit ihrer Skrupellosigkeit erste Zweifel an ihrer charakterlichen Integrität zu säen.

Und die sollen sich bald bestätigen, als sie von der Gestapo verhaftet und schwer misshandelt wird. Das ist einerseits brutal in Szene gesetzt und bestärkt unsere Wahrnehmung Stellas als unschuldiges Opfer, ihre anschließende Kooperationsbereitschaft beim Aufspüren untergetauchter Juden jedoch geht schnell über jede Zwangsverpflichtung zum Selbstschutz hinaus. Paula Beer gibt hier alles, um uns die gesamte Ambivalenz der Stella Goldschlag zu offenbaren und kreiert dabei einige emotionale Momente, die wirklich Ekel hervorrufen, wenn sich Stella in ihrer als Verräterin neuerlangten Machtposition sonnt. Unter dem Strich aber räumt ihr Riedhof viel zu wenig Platz ein, um uns eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Charakter der berüchtigten „Greiferin“ zu gestatten.

Das nämlich opfert er einer Inszenierung, die die Geschehnisse viel zu reißerisch darstellt und chronologisch durch die unbestritten furchtbaren Ereignisse hetzt, als dass sie uns jemals ausreichend Ruhe zur Reflektion einräumen würde. Dadurch ist sein Drama eher Thriller als Charakterstudie einer Person der Historie, die Menschen wie Stella Goldschlag erst hervorbrachte und zu deren Verständnis die Vielschichtigkeit der Verräterin eine tiefere Betrachtung verdient gehabt hätte. So bleibt angesichts des gewaltigen Potenzials der Geschichte trotz Paula Beers ansehnlicher Performance letztendlich der Eindruck einer vertanen Chance.

Trailer:

Bewertung: 6 von 10 Punkten

 

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