Home Film “Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis” – eine wundervolle Hommage an Heroen der Plattencover-Kunst

“Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis” – eine wundervolle Hommage an Heroen der Plattencover-Kunst

Autor: Tobi

"Squaring the Circle - The Story of Hipgnosis" Filmplakat (© Splendid Film)

Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis

Dokumentarfilm
Regie: Anton Corbijn
Dauer: 101 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: splendid-film.de/squaring-the-circle-the-story-of-hipgnosis
Facebook: facebook.com/splendidfilm
Kinostart: 14. März 2024


Dass der Niederländer Anton Corbijn weit mehr ist als ein weltweit angesehener Fotograf, das wissen wir schon lange. Seine Affinität zur Musik muss man nicht erst ergründen, sie ist im wahrsten Sinne des Wortes offensichtlich, wenn er neben seinen beiden als Regisseur verantworteten Thrillern “The American” (2010) und “A Most Wanted Man” (2014) sowie der James-Dean-Fotoserien-Entstehungs-Biografie “Life” (2015) zum einen sein Langfilm-Debüt “Control” (2007) dem verstorbenen Joy-Division-Frontmann Ian Curtis widmete, zum anderen zwei Konzertfilme für Depeche Mode ins Kino brachte. Das visuelle Erscheinungsbild der britischen Band, die gerade die weltweit umjubelte und ausverkaufte Tour zum Album “Memento Mori” in ihre finale Schiene bringt, prägte Corbijn über viele Jahre ebenso wie das der großen U2. Für andere MusikerInnen wie z.B. Metallica, Therapy?, The Rolling Stones, Bon Jovi, R.E.M., Bee Gees, Travis, Bryan Adams oder Herbert Grönemeyer arbeitete er auch, aber für Depeche Mode und U2 kümmerte er sich über mehrere Jahrzehnte (bis heute reichend) als Art Director um Pressefotos, Live-Bühnenbilder, Musikvideos – und auch um Plattencover.

Um selbige geht es auch in seinem neuesten Film, die Doku “Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis” dreht sich aber natürlich nicht um seine Eigenkreationen, sondern – der Titel sagt es – um das legendäre Grafikstudio “Hipgnosis”. Wer nun denkt, dass ein Film über ein Cover-Art-Studio doch vielleicht zu sachlich oder langweilig sein könnte, der irrt gewaltig. In typisch, aber nicht überladen kunstvollen Bildern erzählt uns Corbijn vor allem die Geschichte zweier Männer, nämlich der langjährigen Freunde Aubrey “Po” Powell und Storm Thorgerson, die sich Mitte der 60er-Jahre als Kunststudenten kennenlernen und zusammen auch berauschte Partys in der Musikerszene erleben. Das schweißt sie zusammen und bringt sie dazu, Hipgnosis zu gründen und erste Cover für die damals noch unbekannten Pink Floyd zu entwerfen.

"Squaring the Circle - The Story of Hipgnosis" Szenenbild (© Hipgnosis Ltd)

Unzertrennlich: Aubrey „Po“ Powell (links) und Storm Thorgerson (rechts) lernen sich in der Underground-Rock-Szene von Cambridge kennen und werden schnell beste Freunde.
(© Hipgnosis Ltd)

Nun erzählt Corbijn nicht selbst, er lässt erzählen, von Beteiligten, die sich an alte Zeiten erinnern. Dass auf dem Filmplakat lediglich Powell zu sehen ist, wie er das ikonische Prisma-Cover des immer noch gerne gehörten, legendären Albums “The Dark Side of the Moon” von Pink Floyd in den Händen hält, das liegt daran, dass Thorgerson 2013 bereits verstarb. Am Ende waren die beiden allerdings sowieso nicht mehr befreundet – eine Tatsache, die zwar logisch begründet wird, dem genauso sympathischen wie Intelligenz verströmenden “Po” aber beim Erzählen immer noch die Tränen in die Augen treibt. Vorher aber erfahren wir über den Aufstieg von Hipgnosis, über erste Arbeiten, über schnell wachsendes Ansehen in einer Musikindustrie, in der damals noch so richtig Geld in Artwork gesteckt wurde – und über einige großartige Ergebnisse.

Wir sehen Storm Thorgerson nicht nur in alten, tollen Fotos zusammen mit Aubrey Powell, sondern auch von ihm Interviewsequenzen, die aus dem Archiv stammen. Neben den beiden Protagonisten kommen aber auch Wegbegleiter wie Paul McCartney, Peter Gabriel, Roger Waters, David Gilmour, Nick Mason, Jimmy Page oder Robert Plant zu Wort, und ein nicht als einziger voller Bewunderung kommentierender Noel Gallagher. Zusammen erzählen sie über den Werdegang des kongenialen Grafik-Duos, und hierbei fühlt man sich als Zuschauer zurück geworfen in eine Zeit, die viele als gute alte Zeit bezeichnen würden – nicht wegen der ausschweifenden Untergrund-Partys, sondern wegen der Aufbruchsstimmung und der Wertschätzung für Musik und ihre Verpackung in der Zeit vor der kleineren CD und weit vor digitalen Streaming- oder Download-Möglichkeiten.

Die Geschichte von Hipgnosis ist interessant, wird dann aber noch unterhaltsamer durch die vielen Anekdoten, die man zu diversen Covern erzählt bekommt – die damals schließlich noch vor Bearbeitungsprogrammen wie Photoshop entstanden. Bei der seitlich von hinten geknipsten Kuh auf dem gewollt alltäglichen Cover von Pink Floyds “Atom Heart Mother” war es noch simpel, aber das Schaf auf einer Liege in der Brandung wurde für 10CCs “Look Hear?” ans Meer geschafft, für Paul McCartneys “Band On The Run” wurden u.a. die Schauspielgrößen wie Christopher Lee und James Coburn für ein Ausbrecherfoto gecastet, für Pink Floyds “Wish You Were Here” ein Mann in Brand gesteckt, was sehr gefährlich wurde – und als für ihr Album “Animals” über dem Londoner Kohlekraftwerk Battersea Power Station ein fliegendes Schwein zwischen die Schornsteinen befördert wurde, riss die Schnur und das aufsteigende Tier legt mal kurz den Flugverkehr über der britischen Hauptstadt lahm.

Was für Stories! Dass Labels und Bosse im Business das auf Grund teilweise horrender Kosten nicht immer toll fanden, versteht sich von selbst, und mit Led Zeppelins berümt berüchtigten Manager Peter Grant machten auch Powell und Thorgerson ihre mannigfaltigen Erfahrungen. Aber wenn Künstler wie sie oder die zu Weltstars aufgestiegenen Pink Floyd halt nur Hipgnosis-Cover akzeptieren wollten, dann wurde die Kohle hierfür halt auch rausgehauen. So war das damals noch. Nebenbei geht der Film auch auf Verluste ein, wenn er bzgl. Pink Floyd beschreibt, wie schlimm es war, den Niedergang des Gründungsmitglieds Syd Barrett zu erleben, weit erschütternder als die letztendliche Trennung von Roger Waters – oder auch, wie das Studio in der ersten Hälfte der 80er-Jahre durch ein sicher veränderndes Musikbusiness und den ohnehin immer wieder als schwierigen und pedantischen Charakter geschilderten Storm Thorgerson sein Ende erlebte. Natürlich bleibt auch das erwähnt legendäre Cover zu “The Dark Side of the Moon” nicht außen vor, wenn Anton Corbijn Hipgnosis ein würdiges, sehr unterhaltsames filmisches Denkmal setzt, das sich im Original mit Untertiteln (oder auch ohne) bestens anschauen lässt.

Trailer:

Bewertung: 9 von 10 Punkten

 

Related Articles