Es sind die kleinen Dinge
Darsteller: Julia Piaton, Michel Blanc, Lionel Abelanski, Marie Bunel
Regie: Mélanie Auffret
Dauer: 90 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: happy-entertainment.de/es-sind-die-kleinen-dinge
Facebook: facebook.com/HappyEntert
Kinostart: 18. April 2024
Es ist eine bekannte Problematik, die die Französin Mélanie Auffret in ihrer neuen Komödie „Es sind die kleinen Dinge“ umtreibt. Und auch so manche ländliche Gemeinde in Deutschland kann ein Lied davon singen, wie es sich anfühlt sukzessive einen Großteil ihrer Bevölkerung an die attraktiveren Städte zu verlieren. Das kleine bretonische Kerguen jedenfalls droht nach und nach auszubluten und muss sich ernsthaft Gedanken machen, wie sich dieser bedrohliche Trend aufhalten lassen könnte.
Genau genommen fällt das in erster Linie in den Verantwortungsbereich von Lehrerin und Bürgermeisterin Alice (Julia Piaton), die Auffret ins Zentrum ihres Films rückt, und die wir dann auch gleich in der ersten Einstellung beim Aufzeichnen einer Videobotschaft erleben, mit der sie verzweifelt Werbung für das beschauliche nordfranzösische Dorf macht. Einen Arzt gibt es schon lange nicht mehr, vor kurzem musste auch noch die Bäckerei schließen und jetzt droht sogar der örtlichen Schule das Aus, was Lehrerin Alice natürlich doppelt hart treffen würde.
Fein macht uns die Regisseurin mit ihrer tatkräftigen Protagonistin vertraut, die sich in ihrer Bürgermeisterin-Sprechstunde abseits der besorgniserregenden Landflucht als Mädchen für alles mit den kleinen Sorgen ihrer Nachbarn herumschlagen muss und dabei nicht nur Engelsgeduld sondern überdies größte Einsatzbereitschaft beweist, wenn sie schon mal persönlich mit einem Eimer Teer das monierte Schlagloch in der Straße ausbessert. Nur das Problem des pensionierten Fliesenlegers und notorischen Grantlers Émile (Michel Blanc) führt selbst sie an ihre Grenzen, der sich nach dem kürzlichen Tod seines Bruders nun mit seinem seitdem angesammelten Papierkram eben an sie wendet. Als Analphabet komplett auf sich allein gestellt muss der 65-Jährige jetzt gezwungenermaßen offen mit seinem Defizit umgehen und sitzt als logische Konsequenz kurze Zeit später auf seinem alten Platz von vor sechzig Jahren in Alice‘ Grundschulklasse.
Nett erdacht ist sie zumindest, die Ausgangssituation für Auffrets Komödie, und gibt gleichzeitig die Vorlage für einen ganzen Strauß billiger Gags, als sich der resolute Émile beim besten Willen nicht von seinem Vorhaben abbringen lässt, bei Alice endlich lesen und schreiben zu lernen. Doch was andernorts schon in bösem Klamauk endete, passt hier wunderbar in die warmherzige Atmosphäre der eingeschworenen Dorfgemeinschaft, die die Regisseurin feinfühlig auch ins Klassenzimmer überträgt. Da schmunzelt man dann auch über das kindische Verhalten des nachholbedürftigen Rentners im Unterricht, der sich andererseits mit seiner Lebenserfahrung bald den Respekt der skeptischen Kids verdient.
Überhaupt ist es das hinreißende Zusammenspiel der Akteure, mit dem uns der Film sofort abholt, die Figuren keinesfalls überzeichnet, sondern mit ihren Macken umso menschlicher macht. Das drohende Unheil der Schulschließung sorgt bei denen dann auch nur dafür, dass sich die Dorfbewohner mit der Lehrerin Alice solidarisieren, wo sie doch sonst den Anweisungen der Bürgermeisterin Alice nur selten Folge leisten wollen. So amüsieren sie mit dem Versuch, den Prüfer der Schulbehörde hinters Licht zu führen, genauso wie mit der Reaktivierung der geschlossenen örtlichen Kneipe hinter Alice‘ Rücken, die sie ihr gegenüber als neue Bäckerei tarnen müssen.
Das ernste Thema Landflucht, das ja alle dramatischen Verwicklungen des aussterbenden Dörfchens erst verursacht, verpackt Auffret damit gekonnt in ihre Wohlfühlatmosphäre des zwischenmenschlichen Zusammenhalts der Bewohner, die bei allen Zankereien doch vorherrscht, wenn es um die gemeinsame Sache geht. Dass dabei parallel zu den Kindern auch Alice den knorrigen Émile langsam ins Herz schließt, versteht sich fast von selbst, ist aber ebenso bezaubernd inszeniert wie seine erst jetzt wiederauflebende Beziehung zu seiner Jugendliebe.
Allenfalls das amouröse Abenteuer der eindeutig unter einem Helfersyndrom leidenden, sich selbstlos in den Dienst der Gemeinde stellenden Alice wirkt reichlich aufgesetzt, kann aber der vergnüglichen Komödie nicht ernsthaft schaden. Die konzentriert sich eben nicht nur auf die Beziehungen sondern bildet typisch französisch federleicht eine kaum aufzuhaltende demografische Entwicklung ab und hinterlässt ein nachhaltiges Wohlbefinden, obwohl sie dabei sogar ganz ohne Happy End auskommt.
Trailer:
Bewertung: 7 von 10 Punkten