Teaches of Peaches
Dokumentarfilm
Regie: Philipp Fussenegger und Judy Landkammer
Dauer: 102 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: teachesofpeaches-film.de
Facebook: facebook.com/farbfilmverleih
Kinostart: 9. Mai 2024
Mit “Teaches of Peaches” startet eine Doku über eine Künstlerin im Kino, die den meisten nicht bekannt sein wird. Ja, weit nach oben in den Charts schaffte es die 1966 in Toronto als Merrill Beth Nisker geborene Künstlerin nie, tauchte mit ihrem zweiten Album unter dem Pseudonym Peaches, “Fatherfucker” (2003), mal auf Platz 93 in den britischen Hitlisten auf, mit dem vierten namens “I Feel Cream” 2009 auf Rang 75 in Deutschland. In der Club- und Indie-Szene aber machte sie sich schon einen Namen, erreichte mit ihren Longplayern in UK und den USA schon auch mal die Top 5 der Dance-Charts und sorgte für vielbeachtete Konzerte. Viel beachtet – auch weil Peaches und ihre Mitmusikerinnen durch besonderes Styling und nackte oder durch transparente Hüllen bzw. offene Jacken zur Schau gestellte Brüste Aufmerksamkeit auf sich zogen. Wie es hierzu kam und dass hinter Peaches weit mehr steckt als effektreiche Inszenierung, hiervon berichten uns Philipp Fussenegger und Judy Landkammer in ihrer Doku.
Auf dem Filmplakat liegt leichtbekleidet die frühere Peaches, schnell aber lernen wir die heutige Künstlerin kennen, die 2022 auf ihrer “The Teaches of Peaches Anniversary Tour” begleitet wurde – der durch die Pandemie verspätet realisierten Tour zum 20-jährigen Jubiläum ihres in Fankreisen zu Kultstatus avancierten Debütalbums “The Teaches of Peaches” (2000), wenn man ihr eigentlich erstes Album “Fancypants Hoodlum” aus dem Jahr 1995 mal nicht mitrechnet, welches sie noch als Merrill Nisker veröffentlichte. Fussenegger und Landkammer zeigen natürlich auch altes Material, sowohl veröffentlichtes wie diverse Szenen aus privaten Archiven, aber gerne kommentiert von der heutigen Peaches oder ihren Mitstreitern.
Von diesen gibt es einige, so wie ihren Freund Ellison Renee Glenn (als Black Cracker selbst musikalisch aktiv), zu dem sie eine besondere, aber von Liebe geprägte Beziehung pflegt und der als Fusion aus Lebenspartner, Berater, Motivator und auch Fan ebenso interessante wie intelligente Kommentare beisteuert. Aktuelle Mitmusikerinnen wie Gitarristin Bláthin Eckhart und Schlagzeugerin Tif “Teddy” Lamson kommen zu Wort, die sich wie auch Tänzerinnen ins akkurat durchinszenierte und gestylte Bühnenkonzept einfügen, aber auch frühere WeggefährtInnen. Und hier wird es besonders interessant, denn nach ersten musikalischen Schritten im Folk-Trio Mermaid Cafe und dann dem ersten eigenen Album wurde Merrill Nisker zu Peaches, die zusammen mit keinem Geringeren als Chilly Gonzales in der Noise-Combo The Shit aktiv war. Den Künstlernamen entlieh sie damals übrigens Nina Simone, die in ihrem Song “Four Women” am Ende “My Name is Peaches!” schrie.
Nicht nur Chilly steuert interessante Erinnerungen bei, sondern auch Leslie Feist, die als Feist selbst ja eine Karriere als Musikerin hinlegte. Ende der 90er-Jahre wohnte sie eine Zeit lang zusammen mit Peaches über einem Sexshop in Toronto, wirkte an einigen frühen Peaches-Shows mit, tourte auch mit ihr. Mit The Shit bereits hielten sexuelle Inhalte Einzug in die Musik von Peaches, und diese sollten hier auch verharren. Nachdem sie ihre erste EP “Lovertits” aufgenommen hatte, zog Peaches nach Berlin, wo sich Chilly Gonzales niedergelassen hatte, und die dortige Szene brachte ihre den kleinen Durchbruch, mit dem Label Kitty-Yo im Rücken und dem Album “The Teaches of Peaches”, das Songs wie “Fuck the Pain Away”, “Cum Undun”, “Lovertits”, “Suck and Let Go” enthielt – oder etwas weniger schlüpfrig auf den ersten Titelblick “Set It Off” und “Rock Show”. Dass sie in eine Pop-Show wie das britische, damals immer noch extrem angesagte Format “Top of the Pops” nicht wirklich reingehörte, das erfuhr Peaches am eigenen Leib, aber das Album war das Sprungbrett zu neuen Möglichkeiten. Dies führte jedoch nicht zwingend zum Ruhm, wurde sie doch in Europa von Sony unter Vertrag genommen, um kurz darauf wieder fallengelassen zu werden.
Die Doku blickt sehr interessant zurück, nicht weniger informativ sind aber auch die Aufnahmen der Jubiläumstour, nicht nur auf der Bühne, sondern angefangen mit der akribischen Erarbeitung des Konzepts und der musikalischen Aufbereitungen, mit Proben und Diskussionen. Sehr realistisch geht Peaches inzwischen an die Sache heran, und es mischen sich Zweifel wie Hoffnungen in die Planungen, was in auch heute noch umjubelten Gigs mündet, in denen sich eine nun natürlich älter gewordene Peaches immernoch gut darzustellen weiß – und ihre Elektro-Rock-Indie-Songs reißen nach wie vor mit.
Und nicht nur dies, man versteht die sympathische Peaches weit besser durch diesen bei uns in Englisch mit deutschen Untertiteln gezeigten Film, ihren sex-positiv feministischen Ansatz, ihren Kampf gegen Stereotype und Normen, und auch ihre Performances. Dass die Musikindustrie es nicht immer gut mit ihr meinte, hat sie nicht klein gekriegt, und so ist sie ein bemerkenswertes Original, das wunderbar in die jetzige Zeit passt, wo sie sich für LGBTQIA+ Rechte einsetzen und Fragen nach Gender- und sexueller Identität in den Fokus stellen kann. Und wie wichtig Peaches als musikalische Aktivistin von Anfang an für all dies war, davon berichtet auch Shirley Manson, Frontfrau der weltweit erfolgreichen Rockband Garbage. Eine interessante, gut gemachte Doku, nicht nur für Fans von Peaches.
Trailer:
Bewertung: 8 von 10 Punkten