Acht Jahre ist es her, dass die australischen Hardrocklegenden von AC/DC zuletzt auf Europatournee zu erleben waren, und nicht wenige mutmaßten damals, dass es sich bei der weltweiten Konzertreise zum 2014 veröffentlichten Album “Rock Or Bust” um die letzte Gelegenheit handeln könnte, sie live zu erleben. Schließlich musste nicht nur Rhythmusgitarrist Malcolm Young, 1973 mit seinem Bruder Angus and der Leadgitarre eines der Gründungsmitglieder, gesundheitsbedingt schon zu den Aufnahmen der Scheibe ausscheiden und durch Neffe Stevie Young ersetzt werden – 2017 verstarb Malcolm dann mit nur 64 Jahren leider. Auch Cliff Williams, seit 1977 am Bass aktiv, gab bekannt, dass er AC/DC nach der Tournee verlassen werde. Und das war nicht alles. Im März 2016 verbot der Arzt Brian Johnson, der seit 1980 den großen, die ersten Erfolgsalben als unvergessener Frontmann toll singenden Bon Scott am Mikro wahrlich gut ersetzte, live zu singen, da ihm ansonsten dauerhafte Taubheit gedroht hätte. Mit Axl Rose fanden AC/DC zwar einen namhaften Gastsänger, um die damalige Tour zu spielen, so richtig passend und toll klang das Ganze allerdings nicht. Auch wenn Brian Johnson verkündete, weiterhin Mitglied von AC/DC zu sein und im Studio auch noch singen zu dürfen, eine rosige Bandzukunft sah anders aus.
Umso überraschender war es, als AC/DC 2020 auf ihrer Webseite bekannt gaben, dass es mit dem unersetzbaren und als einzigem nie ausgestiegenen Angus Young, einem genesenen Brian Johnson, dem seit 1975 für längere Phasen immer wieder zur Formation gehörenden Drummer Phil Rudd und auch Cliff Williams weiter gehen würde. Zusammen mit Stevie Young an der Rhythmusgitarre wurde das 17. Studioalbum “Power Up” aufgenommen und 2020 veröffentlicht, das in 21 Ländern Platz 1 der Charts erstürmte, auch in Deutschland. Im Februar 2024 dann war die Freude bei den Fans noch größer, als die Daten einer Europatour zum Album verkündet wurden – mit Angus Young und Brian Johnson, dazu Stevie Young. Auch wenn Phil Rudd und auch Cliff Williams nicht mit auf Tour gehen würden, war der Ansturm auf die Tickets für die 21 Termine in Deutschland, Italien, Spanien, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, England, der Slowakei, Belgien, Frankreich und Irland trotz hoher Preise – um die 150 Euro ging es los – immens.
Ansturm ist das richtige Stichwort, waren es doch 54.000 BesucherInnen, die am lauen und entgegen erster Prognosen trockenen Abend des 17. Mai zum ersten von zwei angesetzten Gigs in die ausverkaufte Veltins Arena in Gelsenkirchen strömten, zur Eröffnung der Europatournee. Bevor die alten Heroen von AC/DC aufspielten, wurde die Stimmung im Stadion auf Schalke ab 19 Uhr von der 2009 gegründeten, amerikanischen Rockband The Pretty Reckless angeheizt. Model und Schauspielerin Taylor Momsen stellte in gut bemessenen 50 Minuten unter Beweis, dass sie als Frontfrau mehr als nur ihr unbestritten attraktives Aussehen zu bieten hat, nämlich auch eine sehr amtliche Rockröhre. Mit Songs aus ihren vier bisher veröffentlichten Alben, mit denen in den USA sowie Großbritannien schon dreimal die Top Ten erklommen werden konnten und von denen das letzte “Death By Rock And Roll” 2021 in Deutschland auf Rang 5 chartete, brachte die Band die sich immer weiter füllende Arena schon einmal in gut rockige Laune.
Gegen 20.30 Uhr dann kamen AC/DC zu Videobildern eines dröhnenden Autos umjubelt auf die Bühne und legten mit “If You Want Blood (You’ve Got It)” und “Back In Black” auch direkt mit zwei Klassikern los, womit sie die Fans natürlich von erster Sekunde an in beste Stimmung versetzten. Eine große Videowand hinter der Band, zwei rechts und links neben der Bühne und dazu zwei etwa 45 Grad nach außen geneigte noch weiter außen sorgten dafür, dass alle in der Arena die Band und Einspieler gut sehen konnten, die den Abend mit einer starken Lichtshow in Legenden-angemessenem Rahmen gestalten sollte. Das Set-Up der Musiker wurde auch schnell klar. Der 69-jährige Angus Young lief – wie immer in Schuljungen-Uniform – mit seiner Gitarre über die Bühne, der 76-jährige Brian Johnson war am Mikro ebenso aktiv in erster Linie. Für ihr fortgeschrittenes Alter waren beide noch gut in Schuss, auch wenn sie die Pausen zwischen den Songs zum Durchschnaufen nutzen, anstatt mit dem Publikum zu sprechen, was eigentlich gar nicht stattfand. Im hinteren Bereich der Bühne sorgte der 1968 geborene Matt Laug als neuer Drummer für treibende Rhythmen, flankiert von Stevie Young und dem 53-jährigen Bassisten Chris Chaney, der früher bei Jane’s Addiction spielte und als Tour-Bassist mit dabei ist. Die Band wirkte insgesamt gut eingespielt, allerdings hätte man Stevie und Chris schon gegönnt, auch mal etwas weiter vorne in Erscheinung zu treten, was aber den beiden Protagonisten vorbehalten war.
Mit “Demon Fire” und “Shot In The Dark” schafften es nur zwei Songs vom Album “Power Up” in die Setlist der dazugehörigen Tour, was die Fans allerdings natürlich freute, denn umso mehr alte Hits wurden gespielt, ob nun “Thunderstruck”, “Hells Bells” (zu dem eine große Glocke mit Bandlogo über der Bühne abgeseilt wurde), “Stiff Upper Lip”, “You Shook Me All Night Long”, “Dirty Deeds Done Dirt Cheap” oder “High Voltage”. Die Dichte gut bekannter Songs war somit selbst für diejenigen, die sich nicht als große Fans ansehen würden oder eher die früheren Alben mochten, groß, und die Stimmung in der Arena war dementsprechend bestens. Der mit Feuereffekten aufgefahrene Megahit “Highway To Hell” fehlte natürlich nicht, das flotte “Whole Lotta Rosie” oder “Let There Be Rock”, zu dem Angus dann auch den etwa 15 Meter langen Steg ins Publikum, der vorher etwas vernachlässigt wurde, mal voll ausnutzte, indem er an seinem Ende in drei Richtungen seine Gitarrenkünste zelebrierte und sich dann noch von einer runden kleinen Hebebühne in die Luft fahren ließ, wo er von Konfettiregen umgeben weiter rockte, abgeschlossen mit einem ausgiebigen Solo wieder hinten, aber über der Bühne. Der Mann beherrscht sein Handwerk nach wie vor.
Als Zugabe spielten AC/DC dann noch die weiteren Klassiker “T.N.T.” und “For Those About To Rock (We Salute You)”, Letzteres erneut mit mehrfach fettem Knall aus hierfür aufgefahrenen Kanonen. Durchaus klasse, was die in erster Reihe älteren Herren hier an Show boten, die in beachtlichen 135 Minuten noch gut wirbelten. Lediglich vom Sound hätte man sich noch mehr Klasse gewünscht, hier ging es doch etwas breiig zu, woran sich die Ohren aber gewöhnten. Und wer weiß, ob es nicht diesmal die letzte Tour ist…
Bei uns sind AC/DC hier noch live zu erleben:
21.05.24 Gelsenkirchen, Veltins Arena
09.06.24 München, Olympiastadion
12.06.24 München, Olympiastadion
16.06.24 Dresden, Rinne
19.06.24 Dresden, Rinne
23.06.24 A-Wien, Ernst Happel Stadion
26.06.24 A-Wien, Ernst Happel Stadion
29.06.24 CH-Zürich, Stadion Letzigrund
13.07.24 Hockenheimring
17.07.24 Stuttgart, Wasen
27.07.24 Nürnberg, Zeppelinfeld
31.07.24 Hannover, Messe
04.08.24 Hannover, Messe
Die Gigs sind fast alle ausverkauft, es gibt aber noch ein paar Tickets für Dresden am 19. Juni und sichteingeschränkte welche für Gelsenkirchen am 21. Mai. Aber es lohnt sich auch immer mal wieder ein Blick auf eventim.de (Partnerlink), da kurzfristig kleinere Kontingente freigeschaltet werden.
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Links:
Website von AC/DC
Website von The Pretty Reckless
Website der Veltins Arena Gelsenkirchen