The End We Start From
Darsteller: Jodie Comer, Joel Fry, Katherine Waterston, Benedict Cumberbatch
Regie: Mahalia Belo
Dauer: 102 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.upig.de/micro/the-end-we-start-from
Facebook: facebook.com/Focus.Features.DE
Kinostart: 30. Mai 2024
Die totale Klimakatastrophe ist näher, als wir denken. Und sie kann unvermittelt irgendwo eintreten und so zufällig einige von uns aus unserem gewohnten Alltag reißen. So oder so ähnlich könnte die Grundbotschaft von Mahalia Belos Erstling „The End We Start From“ lauten, mit dem sie Megan Hunters gleichnamigen Roman für die Kinoleinwand adaptiert und damit ein Endzeitszenario skizziert, bei dem ganz Großbritannien wortwörtlich im Ausnahmezustand versinkt.
Gerade noch stellt für eine hochschwangere Frau (Jodie Comer) in London das ständige Wasserlassen ihr größtes Problem dar, während sie sich seelisch schon mal auf die Geburt ihres Kindes vorbereitet. Steht das symbolisch für die ungeahnten Unannehmlichkeiten, die ihr Wasser schon bald bereiten soll, und auf die keiner auch nur im Entferntesten vorbereitet scheint? Denn irgendwann zwischen Teetrinken und dem Entspannungsbad fängt es an zu regnen und hört einfach nicht mehr auf. Wasser läuft erst über die Türschwelle in die Wohnung, und dann birst unter der Last der Flutwelle auch schon die Scheibe.
Es ist dieses Ereignis, das Belo hier bildgewaltig in Zeitlupe inszeniert, um uns auf ihr Katastrophenszenario einzustimmen, und welches sich überhaupt nicht mit unserem gesunden Menschenverstand vertragen will. Wenn der Pegel so langsam steigt, woher kommt dann urplötzlich diese zerstörerische Flutwelle, die die Frau jäh aus ihren ruhigen Geburtsvorbereitungen reißt? Das ist dann doch unnötig plakativ, und es dauert lange, bis wir unser anfängliches Stirnrunzeln endlich loswerden. Dabei lässt es die Regisseurin ansonsten eher ruhig angehen, als wir uns unversehens auf der Geburtenstation des Krankenhauses wiederfinden, das so langsam in den Krisenmodus übergeht.
London scheint allmählich unterzugehen, und so ist es auch für die junge Mutter und Vater R (Joel Fry) das Gebot der Stunde, schleunigst ins höhergelegene Umland zu verschwinden. Diese Idee haben sie natürlich nicht alleine und zwischen allen vor der Naturkatastrophe Flüchtenden sind ihre Voraussetzungen mit dem schutzbedürftigen Neugeborenen alles andere als ideal. Und schon wartet die nächste Ungereimtheit auf uns, kaum dass wir uns mit dem entworfenen Fluchtszenario angefreundet haben. Denn trotz aller regelmäßigen Extremwetterereignisse scheint die englische Regierung keinen Notfallplan zur Hand zu haben, bricht die Infrastruktur komplett zusammen und herrscht bei den improvisierten Lebensmittelausgaben das Gesetz des Dschungels.
Das muss auch unser Pärchen am eigenen Leib erfahren, das inzwischen bei Rs Eltern auf dem Land untergekommen ist, wo langsam die Vorräte ausgehen. Traumatisiert kehrt da Rs Vater (Mark Strong) von einer Verteilung zurück, bei der er seine Frau nicht vor dem wilden Mob beschützen konnte und nimmt sich anschließend deprimiert das Leben. Es ist schon wieder Zeit für die jungen Eltern weiterzuziehen und für den Film in seine stärkste Phase einzutreten. Anders als in ihrer Anfangssequenz und gängigen Endzeitdramen verzichtet Debütantin Belo jetzt nämlich auf allzu reißerische Darstellung des Überlebenskampfes, deutet diesen allenfalls an und konzentriert sich vielmehr auf die psychologischen Aspekte der Situation.
Die schildert sie uns feinfühlig hauptsächlich aus der Perspektive der Frau, die bald mit ihrem Kind auch noch auf sich allein gestellt ist und auf ihrer Suche nach einem sicheren Aufenthaltsort jederzeit sensibel abwägen muss, wem sie vertrauen kann und wem nicht. Das spielt Jodie Comer wirklich überzeugend, nimmt uns mit auf die verzweifelte Reise einer verletzlichen Frau durch ein Land im Chaos, der sich dann eine Leidensgenossin (Katherine Waterston) mit ihrem Kind anschließt. Ihr Weg soll schließlich in einer Kommune auf einer Insel ihr Ende finden, in der der Neustart einer utopischen Gesellschaft gelingen soll.
Trotz einiger Unstimmigkeiten zeichnet Belo den Entwurf eines Endzeitszenarios hier im verregneten Grau Englands durchaus ansehnlich und liefert mit der zugrundeliegenden Klimathematik sogar einige Denkanstöße. Letztendlich aber gerät ihre Inszenierung viel zu schwerfällig und entrückt, als dass sie uns längerfristig packen könnte und verschenkt damit eine Menge an Potenzial.
Trailer:
Bewertung: 5 von 10 Punkten