Home Film “Ein kleines Stück vom Kuchen” – wunderbares Gute-Laune-Wohlfühlkino mit überraschendem Finale

“Ein kleines Stück vom Kuchen” – wunderbares Gute-Laune-Wohlfühlkino mit überraschendem Finale

Autor: Tobi

"Ein kleines Stück vom Kuchen" Filmplakat (© Alamode Film)

Ein kleines Stück vom Kuchen

Darsteller: Lily Farhadpour, Esmail Mehrabi, Melika Pazouki, Mohammad Heidari
Regie: Maryam Moghaddam, Behtash Sanaeeha
Dauer: 96 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: einkleinesstueckvomkuchen-film.de
Facebook: facebook.com/alamode.filme
Kinostart: 11. Juli 2024


Mit dem am 11. Juli bei uns im Kino startenden “Ein kleines Stück vom Kuchen” legt das iranische Regie-Ehepaar Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha bereits seinen dritten gemeinsamen Film vor. Nach dem Dokumentarfilm “The Invincible Diplomacy of Mr Naderi” (2018), der einen erfolgreichen Geschäftsmann beim Versuch zeigt, mit einem Friedensteppich die Beziehungen zwischen dem Iran und den USA zu verbessern, und dem das iranische Justizsystem hinterfragenden Drama “Ballade von der weißen Kuh” (2021) widmen sich die beiden nun einer zwischenmenschlichen, kleineren Geschichte, aber nicht ohne geschickte Einflechtung gesellschaftspolitischer Problematiken.

Diese sieht man vor allem zu Beginn, wo die seit dem Tod ihres Mannes vor nun schon 30 Jahren und dem Übersiedeln ihrer Tochter nach Europa allein in einem kleinen Haus in Teheran lebende, 70-jährige Mahin (Lily Farhadpour) sich über den seltenen Nachmittags-Besuch ihrer Freundinnen zwar freut, sich gleichzeitig aber auch irgendwie nicht richtig wohl fühlt. Bei Tee und Snacks wird zwar viel gelacht, über eine mitgebrachte Darmspiegelungs-DVD, vor allem aber über Männer, bei denen die Meinungen auseinander gehen, ob man sich im reifen Alter noch einen gutaussehenden, vielleicht sogar reichen oder potenten Partner angeln sollte oder nicht. Im Inneren aber fühlt sich Mahin den anderen und ihren Geschichten irgendwie unterlegen.

Aber warum eigentlich nicht noch einen Mann kennenlernen? Mahin, die Romantik nur noch aufkommen lässt, wenn sie sich abends mit geschminkten Lippen ihre Lieblings-Serie alleine anschaut, fühlt sich plötzlich sehr einsam und beschließt, doch noch einen Versuch zu wagen. Im per Taxi angesteuerten Hotel, in dem es vor der Revolution Tanzabende gab, ist das Foyer allerdings zu einem viel zu modernen Coffeeshop umfunktioniert worden, und im nahegelegenen Park macht die iranische Sittenpolizei mal wieder Jagd auf junge Frauen, deren Hijabs nicht vorschriftsgemäß gebunden sein sollen. Hier kann Mahin zwar mutig noch eine dankbare Frau (Melika Pazouki) vor dem Abtransport retten, aber ihrem Ziel ist sie nicht näher gekommen. Also geht sie doch ins Restaurant für Rentner, wo sie den schüchternen Faramarz (Esmail Mehrabi) beobachtet und durch seine Gespräche mit anderen Männern mitbekommt, dass er als Rentner nebenbei noch als Taxifahrer arbeitet, vor allem aber keine Frau hat, die für ihn sorgt.

Warum sollte sie das nicht sein, wirkt er doch so sympathisch? Nachdem er gegangen ist, nimmt Mahin allen Mut zusammen, fragt in der Taxizentrale nach Faramarz und wartet schließlich auf ihn, damit er sie nach Hause bringen kann. Bei der Fahrt durch das nächtliche Teheran werden Mahin, die von ihrer einstigen Zeit als Krankenschwester berichtet, und der ehemalige, vom Staat nicht angemessen entlohnte Soldat Faramarz schon warm miteinander, und als sie ihn dann mit zu sich ins Haus bittet, schlagen beide Herzen höher und sie verbringen sehr schöne Stunden miteinander – mit leckerem Obst, einer großen Flasche wirkenden Rotweins, schönen Gesprächen, immer engerer Nähe, Musik und dann sogar Tanz.

"Ein kleines Stück vom Kuchen" Szenenbild (© Hamid Janipour / Alamode Filmverleih)

(© Hamid Janipour / Alamode Filmverleih)

“Ein kleines Stück vom Kuchen” ist über weite Strecken ein Gute-Laune-Wohlfühlfilm, bei dem es so viel Spaß macht, mit anzuschauen, wie sich die beiden zurückhaltenden, aber so liebenswerten älteren Menschen näher kommen. Wenn sie hierbei von ihrer Vergangenheit erzählen oder auch vom jetzigen Dasein, wenn sie für ihn ihren Lieblingskuchen machen möchte und er ihr nur zu gerne die kaputten Lämpchen im lauschigen Garten austauscht, beide hierbei vom Rotwein immer lockerer werden – dies alles ist ganz wunderbar und geht ans Herz, auch weil Lily Farhadpour und Esmail Mehrabi ganz hervorragend spielen, eine großartige Chemie zueinander versprühen, man ihnen einfach jeden Moment voll glaubt.

Die Kritik am iranischen Staat wird hin und wieder mal mit eingestreut, natürlich in der Szene mit der Sittenpolizei und auch in den Gesprächen hier und dort, aber hier steht die Romanze klar im Mittelpunkt und nimmt einen dank der tollen Charaktere der beiden gefangen, geht voll ans Herz. Mahin und Faramarz fühlen sich endlich mal wieder wertgeschätzt und frei, da vergisst sie schon fast die argwöhnischen Blicke der misstrauischen Nachbarin, deren Mann für die Regierung arbeitet – und die sogar klingelte, weil sie eine Männerstimme gehört hatte. Der Film macht jede Menge Hoffnung, dass man auch im Alter noch Schmetterlinge im Bauch bescherende Momente finden kann, wenn man sich nicht zu sehr einigelt, und dass man auch als Frau sein Glück aktiv suchen darf, selbst in einem Staat wie diesem – und hält dann noch ein überraschendes Finale bereit.

Trailer:

Bewertung: 9 von 10 Punkten

 

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