Home Film “Juliette im Frühling” – die ebenso nette wie tragische Familiengeschichte hat ihre Längen

“Juliette im Frühling” – die ebenso nette wie tragische Familiengeschichte hat ihre Längen

Autor: Tobi

"Juliette im Frühling" Filmplakat (© Pandora Film)

Juliette im Frühling

Darsteller: Izïa Higelin, Sophie Guillemin, Thomas de Pourquery, Jean-Pierre Darroussin
Regie: Blandine Lenoir
Dauer: 95 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: juliette-im-fruehling.pandora.film
Facebook: facebook.com/pandorafilm
Instagram: instagram.com/pandorafilmverleih
Kinostart: 18. Juli 2024


Wenn “Juliette im Frühling” im Kino startet, dann ist der Film als “charmante Komödie” angekündigt, geht aber doch einiges tiefer. Die französische Regisseurin Blandine Lenoir präsentiert nämlich in ihrem vierten inszenierten Langfilm nach “Zouzou” (2014), “Madame Aurora und der Duft von Frühling” (2017) und “Annie colère” (2022) eine Familiengeschichte, in der tragische Geschehnisse der Vergangenheit eine wichtige Rolle spielen – basierend auf der autobiografisch inspirierten Graphic Novel “Juliette: Gespenster kehren im Frühling zurück” von Camille Jourdy, die mit Lenoir und Maud Ameline das Drehbuch verfasste.

Besagte Juliette (Izïa Higelin) arbeitet als Kinderbuchillustratorin in Paris und will dem Großstadttrubel und vor allem einer von depressiven Momenten und Schlaflosigkeit geprägten Phase nun entfliehen, indem sie für zwei Wochen in ihren Heimatort St. André de Corcy in der französischen Region Auvergne-Rhône-Alpes reist, um dort Zeit mit ihrer Familie zu verbringen. So entspannt wie erhofft gestaltet sich ihr Aufenthalt in der Kleinstadt allerdings nicht – vom Start weg. Da niemand Juliette am Bahnhof abholt, muss sie den ganzen Weg bis zur Wohnung ihres Vaters Léonard (Jean-Pierre Darroussin) samt Gepäck zu Fuß gehen, und der überraschte Papa erklärt ihr dann liebevoll und entschuldigend, er sei inzwischen sehr vergesslich und hatte ihre Ankunft nicht für diesen Tag im Hinterkopf. Die von ihm schon lange getrennt lebende Mutter Nathalia (Noèmie Lvovsky) ist als angehende Malerin auf einem Selbstverwirklichungstrip da noch fitter, hat aber gerade vor allem die für sich entdeckte New-Age-Bewegung im Kopf, und den soeben erfolgten Umzug der dement gewordenen Oma Simone (Liliane Rovère) ins Seniorenheim.

Noch weit trubeliger aber geht es bei Juliettes Schwester Marylou (Sophie Guillemin) zu, die mit ihrem Mann Stéphane (Eric Caravaca) und den beiden Töchtern zwar in einem schönen Haus lebt, mit dem heimischen Chaos aber kaum klarkommt. Diesem entflieht die gestresste Mutter und mobile Friseurin trotz Liebe zu Mann und Kindern dann auch in libidösen Minuten mit ihrem Liebhaber (Thomas de Pourquery), die sie auch mal zu Hause im Gewächshaus oder dem ehelichen Bett genießt, was zu einigen unerwarteten Situationen führt, schließlich soll das Ganze ja geheim bleiben.

Juliette stolpert also in ein lebhaftes, nicht unkompliziertes Familiengefüge, bei dem keiner wirklich Zeit und Nerven zu haben scheint, sich ihrer mal anzunehmen, kommt sie doch nicht unbelastet heim, hat nicht einzuordnende düstere Erinnerungsfragmente und fragt sich auch, warum sie eigentlich als Kind ein Jahr lang bei der Großmutter wohnte. Lediglich der freundliche, nach deren Umzug einsam noch als ihr ehemaliger Untermieter im nun zum Verkauf anstehenden Haus am Rand des Chaos hängende Polux (Salif Cissé) scheint Verständnis für ihre Bedürfnisse aufzubringen.

"Juliette im Frühling" Szenenbild (© Pandora Film)

Juliette (Izïa Higelin, 2.v.l.), ihre Mutter (Noémie Lvovsky, 2.v.r.), ihr Vater (Jean-Pierre Darroussin) und ihre Schwester Marylou (Sophie Guillemin, r.)
(© Pandora Film)

Der Versuch, “Juliette im Frühling” als Komödie zu etablieren, ist eigentlich auch schon das größte Manko des Streifens, kommen die witzig gedachten Momente doch etwas schlicht daher, und Slapstick sowie Running Gags braucht der Film eigentlich gar nicht, der ansonsten mit reichlich Warmherzigkeit nett daher kommt. Die Tiefsinnigkeit schält Blandine Lenoir dann erst nach und nach heraus, wenn es um die familiären Beziehungen geht, um die Gründe für Marylous Affäre und vor allem um eine Tragödie, die sich in Juliettes früher Kindheit zugetragen und vieles geprägt hat, denn nur sie hat das Ganze bislang komplett verdrängen, aber doch nicht aus dem Hinterkopf löschen können – und so ist sie diesen dunklen Wolken im sonst sonnigen Gemüt auf der Spur.

Die erfolgreiche französische Sängerin Izïa Higelin zeigt seit mehr als einer Dekade schon, dass sie auch als Schauspielerin zu überzeugen weiß, bei uns vermutlich am meisten im Drama “La belle saison – Eine Sommerliebe” (2015), als Camille Claudel im Biopic “Auguste Rodin” (2017) und letztes Jahr in der Biografie-Verfilmung “Auf dem Weg” aufgefallen. Auch hier spielt sie wieder gut, in einem angenehmen Ensemble. Ganz nebenbei machen Sophie Guillemin und Thomas de Pourquery deutlich, dass man verspielte Liebeleien doch auch ganz herzlich und auch knisternd erotisch auf die Leinwand bringen kann, wenn man nicht den Idealmaßen der Gesellschaft entspricht, setzen die meisten Filme doch sonst eher auf schlankere Körper für Nacktszenen – dies wirkt angenehm, und dass es überhaupt auffällt sagt ja schon einiges über die Normen der Gesellschaft und Filmindustrie.

Insgesamt lässt sich “Juliette im Frühling” gut anschauen, und doch sorgen der nicht immer zum Schmunzeln bringende Humor und auch eine gewisse erzählerische Behäbigkeit dafür, dass der Streifen etwas vor sich hin plätschert zwischen den etwas mehr in die Tiefe gehenden Szenen.

Trailer:

Bewertung: 6 von 10 Punkten

 

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