Home MusikInterviews Embrace zu ihrem Album “Drawn From Memory” (02/00)

Embrace zu ihrem Album “Drawn From Memory” (02/00)

Autor: Tobi

Vielleicht kennt der eine oder andere die irgendwie leicht nach Beck klingende Single namens “Hooligan”, die momentan öfters mal im Radio gespielt wird (je nachdem, welchen Sender man so konsumiert), oder sogar das 1997 erschienene Debüt “The Good Will Out”, welches noch vollkommen anders klang. Es geht um Embrace, ein Quintett aus England, bestehend aus den McNamara-Brüdern Danny (Gesang, Gitarre) und Richard (Gitarre, Gesang) sowie Steven Firth (Bass), Mike Heaton (Drums) und Mickey Dale (Keyboards, Piano).

“Drawn From Memory” heißt ihr neues Album, das den Sound vom Bombast zum Bodenständigen zurückschraubt und abwechslungsreich ins Ohr kriecht mit seinen eingängigen Melodien, ob nun bei melancholischen Balladen, funky groovigen Midtempo-Nummern oder rockigen Fetzern. Mit Richard führten wir ein Interview.

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“Ich hatte nachts einen Traum, wo ich eine zwölfsaitige silberne Flying W-Gitarre spielte. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, da ging ich zu meinem Vater und sagte ihm: ‘Dad, ich will eine Gitarre haben!’.”

MUM: Zuerst mal muss ich zugeben, euer erstes Album nicht zu kennen. Erzähl mir doch bitte etwas darüber, wie es klang oder wo die Unterschiede zum neuen liegen.

R: Es ging uns damals in erster Linie um Songs, und um die Musik haben wir uns erst an zweiter Stelle gekümmert. Es war eher orchestral mit einigen Gitarren und einigen Heavy Pop-Stücken darauf. Der Unterschied ist, dass das damals so klang, als würden 45 Leute spielen, und heute klingt es nach uns fünf Musikern. Wir haben jetzt eher live aufgenommen, damals wieder und wieder neue Sounds übereinander gelegt. Diesmal haben wir dem Produzenten gesagt, dass wir lieber dieses Motown-Feeling aus den 50er- oder 60er-Jahren erreichen wollten, und dies tut man am besten, indem man die Stücke live in einem Rutsch aufnimmt. Geschrieben haben wir die Stücke in unserem alten Studio, so dass alle Parts fertig ausarrangiert waren. Dann war klar, dass dies alles eben live eingespielt werden muss, und so zogen wir in ein großes Landhaus in Batsford Manor, Gloucestershire, mit unserem Studio. Dann nahmen wir auf, und etwa 95% der Musik sind wirklich live eingespielt.

MUM: Wie lange seid ihr in dem Haus geblieben?

R: Drei Monate, wobei wir etwa zehn Wochen aufgenommen und dann noch zwei Wochen an den Feinheiten gebastelt haben.

MUM: War das eure Idee, in solch ein Haus zu ziehen?

R: Nein, das war die Idee von Tristin Norwell, unserem Produzenten. Er hatte das schon einmal mit einer Band gemacht und meinte, dass es für uns auch genau das Richtige sei.

MUM: Ihr seht das im Nachhinein auch so, ja?

R: Ja, auf jeden Fall. Das Haus war wirklich enorm groß, du könntest einen Fußball darin herumschießen, ohne die Wand zu treffen. Jeder hatte sein eigenes Zimmer mit Bad, in dem er die Nacht verbrachte, und es war schon ein klasse Gefühl, dann wieder die unteren Räume zu betreten am Morgen.

MUM: Ihr hattet wirklich nur zwei Wochen zwischen der Tour und den Arbeiten am neuen Album?

R: Wir haben eine Europa-Tour Ende 1998 abgeschlossen, das war in Paris, ich glaube am 22. oder 23. Dezember. Dann haben wir zuhause Weihnachten gefeiert und sind am 11. Januar oder so schon wieder im Studio gewesen. Beendet haben wir das Album dann erst am 9. Januar diesen Jahres mit dem letzten Mastering.

MUM: Die Songs habt ihr also on the road geschrieben?

R: Ja, ein paar schon. Zuerst mal hatten wir noch sechs oder sieben wirklich gute Stücke, die nicht mit auf das erste Album gekommen waren, die haben wir zuerst aufgenommen. Von ihnen sind drei im Endeffekt auf dem neuen Album auch drauf. Als wir “The Love It Takes” aufgenommen haben, da war das für uns wie eine Befreiung, weil wir so etwas noch nie vorher gemacht hatten. Vorher hatten wir immer viele Sampler und Synthesizer benutzt. Nun aber kamen uns ganz neue Ideen, und mit ihnen die Songs.

MUM: Wenn dich jemand fragen würde, was für Musik ihr macht, was würdest du antworten?

R: Ich würde das als gitarrenbasierte, funkige, soulige, rockige, balladeske, freche Musik beschreiben.

MUM: Die Scheibe ist ja sehr abwechslungsreich, war die erste dies auch schon, mit Balladen, Pop und Rock?

R: Sie war eine Mixtur aus großen und kleinen Songs, aber auf dem neuen Album sind die rockigen Stücke rockiger, die schnelleren aggressiver, die Balladen ruhiger und die funkigen Sachen einfach funkiger.

MUM: Hast du einen Favoriten unter den Songs?

R: Ja, “The Love It Takes”, weil es die Atmosphäre des Albums am besten darstellt. “Save Me” spiele ich live am liebsten, auch “Drawn From Memory” macht mir sehr viel Spaß.

MUM: Ich mag “Drawn From Memory” und “Yeah You” am liebsten.

R: Ja, “Yeah You” rockt auch kräftig.

MUM: Worüber handeln die Texte?

R: Von Erfahrungen, die gemacht wurden. Danny schreibt die meisten Texte. Der Titel “Drawn From Memory” sagt das ja auch schon etwas aus, dass es sich um Reflektionen von Erlebtem handelt.

MUM: Wie habt ihr damals eigentlich zusammengefunden, oder wie habt ihr beiden die anderen gefunden?

R: Danny und ich haben mit der Musik angefangen, als wir so 13 oder 14 Jahre alt waren, junge Teenager. Wir haben dann verschiedene Leute angehört, bevor Mike zu uns stieß. Wir hatten auch einen Bassisten, der aber die band verlassen hat, und so kam Steve zu uns. Kurz bevor wir einen Plattenvertrag an Land zogen kam schließlich noch Mickey dazu, der an den Keyboards seit letztem Jahr auch ein volles Bandmitglied ist. Wir sind also alle zusammen den Weg gegangen, und ich denke, wenn einer aussteigen würde, dann wäre es nicht mehr die selbe Band, weil sich jeder einbringt. Mike und Steve sind die Seele der rhythmischen Sachen, Mickey ein virtuoser Keyboarder, und zusammen sind wir mehr als einfach fünf Musiker.

MUM: Wie alt bist du jetzt?

R: 27.

MUM: Dann habt ihr die Band jetzt also zehn Jahre.

R: Etwas länger sogar, 12 oder sogar 13 Jahre.

MUM: Wie bist du zur Musik gekommen?

R: Als ich elf oder zwölf war, da hat mir ein Freund seinen Walkman geborgt, und er hatte Heavy Metal eingelegt. Das war das Lauteste und Kreativste, was ich je gehört hatte. Irgendwie hat mich dies dazu gebracht, ernsthaft Musik machen zu wollen. Ich hatte dann nachts einen Traum, wo ich eine zwölfsaitige silberne Flying W-Gitarre spielte. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, da ging ich zu meinem Vater und sagte ihm: “Dad, ich will eine Gitarre haben!” Zum Geburtstag habe ich eine billige Gitarre bekommen und angefangen, Heavy Metal-Musik zu spielen. Mit der Zeit hat sich der Stil dann geändert.

MUM: Hat Danny nach dir angefangen?

R: Ja, etwa fünf Jahre nach mir. Vorher spielte er gar kein Instrument.

MUM: Was hörst du zuhause am liebsten für Musik?

R: Ich habe das Hobby, Funk- und Soul-Platten aus den 60er- und 70er-Jahren zu sammeln. Die höre ich viel, und oft sind es instrumentale Sachen.

MUM: Wenn du dir irgendwelche Bands aussuchen könntest, um mit ihnen auf Tour zu gehen, wer wäre das?

R: Tot oder lebendig?

MUM: Ganz egal.

R: Jimi Hendrix sollte als Headliner spielen, Sly & The Family Stone wären Nummer zwei, und dann würden wir kommen.

MUM: Welchen Erfolge konntet ihr denn mit dem ersten Album verbuchen?

R: Wir haben rund 500.000 Einheiten verkauft und Platin erhalten. In der Veröffentlichungswoche waren wir Nummer eins in Großbritannien, also lief es sehr gut.

MUM: Wie sind denn jetzt die ersten Reaktionen von denen, die das neue Album schon gehört haben?

R: Prima, jeder liebt es und erzählt uns, wie toll es ist. Das war bei dem ersten Album auch schon so, und jetzt sagen die gleichen Leute, das neue wäre viel besser als das erste. Du weißt also nicht, ob sie das erste Album wirklich so gut fanden oder nicht, aber ich denke, das neue ist wirklich besser, sehr viel konzentrierter und mehr ein Band-Produkt.

MUM: Das geht dir doch aber sicher genauso. Damals fandest du das erste Album großartig, und jetzt findest du das neue noch besser.

R: Gut, aber vom Erzeuger erwartest du das auch irgendwie, das die neuesten Sachen immer die besten für ihn sind.

MUM: Hört ihr öfters, dass einige Songs nach Beck klingen?

R: “Hooligan” klingt etwas so, ja.

MUM: Da war noch irgendein Song, der mich auch noch an Beck erinnerte. Egal. Ihr habt schon in Deutschland gespielt?

R: Dreimal oder so sind wir hier getourt. Das erste Mal war das in etwa wie in England, sehr klein und intim. Jeder war da, weil er uns wirklich sehen wollte, in der Presse wurde nämlich so gut wie gar nicht für uns geworben. Das letzte mal war es schon ein wenig größer, lauter, verrückter. Nächstes Mal wird das bestimmt auch wieder gut, hoffe ich, aber in Deutschland hat es jedesmal Spaß gemacht.

MUM: Habt ihr denn nicht jemanden supportet, immer alleine gespielt?

R: Ja, wir waren allein unterwegs. Vielleicht supporten wir diesmal eine größere Band, vielleicht eine deutsche, aber das steht noch lange nicht fest.

MUM: Wie lange ist “Hooligan” draußen?

R: In November kam es in England heraus und war auch in den Charts.

MUM: Wisst ihr schon, welches die zweite Single sein wird?

R: Ja, das wird “You’re Not Alone” sein, und ich glaube, sie kommt zwei Wochen vor dem Album heraus. Der Song ist ein wenig Motown-artig, vom Gefühl her vielleicht so wie Smokey Robinson, darüber bin ich sehr froh.

MUM: Spielt ihr irgendwelche Festivals im Sommer?

R: Ja, ich glaube, wir spielen “Rock am Ring / Rock im Park”. Wir spielen, soviel wir können. Wir freuen uns sehr darauf, auf die Bühnen zu gehen und den Leuten zu zeigen, was wir drauf haben.

MUM: Danke für das Interview.

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MUM: Mucke und mehr
R: Richard McNamara von Embrace

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