Die Fotografin
Darsteller: Kate Winslet, Alexander Skarsgård, Andrea Riseborough, Andy Samberg
Regie: Ellen Kuras
Dauer: 116 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.arthaus.de/die_fotografin
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Kinostart: 19. September 2024
Eine der spannendsten und interessantesten wahren Geschichten, die noch nicht in einem Spielfilm umgesetzt wurden, beschert uns nun Regisseurin Ellen Kuras mit “Die Fotografin”, im Original schlicht “Lee” betitelt. Um diese geht es nämlich, die 1907 geborene und 1977 verstorbene US-Amerikanerin Elizabeth – genannt Lee – Miller, und selbige wird von Kate Winslet verkörpert, die sie grandios spielt.
Der Film startet mit Lee Miller in älteren Jahren, die von Alkoholproblemen gezeichnet in ihrem Landhaus rauchend im Wohnzimmer sitzt und vom Journalisten Tony (Josh O’Connor) in einem Interview über ihr Leben befragt wird, wobei sie schlechtgelaunt wenig Lust zu haben scheint, viel zu erzählen – und doch kitzelt er viel aus ihr heraus, was wir dann rückblickend zu sehen bekommen.
Es geht zurück nach Frankreich, wohin es die in der Heimat als Fotomodell vor allem für die “Vogue” erfolgreiche, hübsche Blondine Ende der 1920er-Jahre erstmals für längere Zeit gezogen hatte und wohin sie 1937 auf einer Reise zu damals kennengelernten, sehr guten Freunden in die Nähe von Paris zurückkehrte. Mit Nusch Éluard (Noémie Merlant), ihrem Mann Paul (Vincent Colombe), Solange D’Ayen (Marion Cotillard) und ihrem Gatten Jean (Patrick Mille) sitzt Lee bei einer feuchtfröhlichen Feier im Freien und macht sich auch – selbstbewusst und schambegrenzt wie sie ist – gerade obenherum frei, als mit dem englischen Künstler und Galeristen Roland Penrose (Alexander Skarsgård) ein ihr noch unbekannter Gast dazu stößt. Dieser bleibt über Nacht, und es kommt nicht nur zu einer Liebelei der beiden, sie verlieben sich ineinander.
Lee geht mit Roland nach London, wo sie sich nach anfänglichen Problemen durch Beharrlichkeit einen Job als Fotografin für die “Vogue” besorgt, bei der sie die englische Herausgeberin Audrey Withers (Andrea Riseborough) mit Aufträgen versorgt. Als der Zweite Weltkrieg ausbricht und Penrose einberufen wird, möchte Lee undbedingt an die Front, um das Kriegsgeschehen zu dokumentieren, was aber abgelehnt wird, da Frauen in der Militärpresse nicht gedultet werden. Sie schafft es trotzdem und freundet sich mit dem eigentlich für die Konkurrenz des Magazins “Life” arbeitenden Fotografen David Scherman (Andy Samberg) an, und zusammen begeben sie sich auf eine erlebnisreiche und gefährliche Reise. Mit dem Fokus, für die “Vogue” das Leid, aber auch die verbleibende Hoffnung der Frauen in Kriegszeiten abzulichten, schafft sie es bis ins zerbombte Deutschland, fotografiert in den Konzentrationslagern Buchenwald sowie Dachau und sogar in Hitlers Münchener Wohnung kurz nach dessen Selbstmord, wo Scherman das bekannteste Bild von ihr knipsen soll.
Mit “Die Fotografin” hat Kate Winslet, die auch mitproduziert hat, ein Herzensprojekt realisiert, an dem sie schon seit über zehn Jahren gearbeitet hat. Nur mit der Unterstützung und Freigabe von Lee Millers Sohn Antony Penrose, der ihren Nachlass verwaltet, einst eine Masse an unbekannten Bildern in Form von Negativen sowie Tagebücher entdeckte und dann 1985 die Biografie “The Lives of Lee Miller” (bei uns “Immer lieber woandershin – Die Leben der Lee Miller”) veröffentlichte, war das Biopic möglich geworden, und von Anfang an stand fest, dass Winslet die Titelrolle übernehmen würde. Sie verkörpert Miller, die mit reichlich Talent und Intelligenz ausgestattet für Lebensfreude, Neugier und unbeirrbare Zielstrebigkeit steht und sich auch in einer Männerdomäne wie der Kriegsfotografie durchsetzte, einfach großartig, umgeben von einem tollen weiteren Cast.
Der Streifen startet hierbei zu einer Zeit, in der schon einiges in Lee Millers Leben passiert war, was in den filmischen Erinnerungen gar nicht thematisiert wird. Das Kennenlernen des “Vogue”-Verlegers Condé Nast, der ihr in New York das Leben rettete und sie so hübsch fand, dass er ihr spontan einen Modelvertrag anbot, der erste Aufenthalt in Frankreich und das Eintauchen in die Kunstszene samt Beziehung mit dem Künstler Man Ray, der dortige Beginn ihrer Arbeit als Fotografin, die Rückkehr nach New York, die Heirat des ägyptischen Geschäftsmann Aziz Eloui Bey inklusive Umzug nach Kairo – da war also schon einiges Interessantes geschehen, was hier den Rahmen gesprengt hätte. So beschränkten sich Regisseurin Ellen Kuras und ihr dreiköpfiges Drehbuch-Team darauf, 1937 einzusteigen, als Lee Miller bei einer Reise nach Frankreich Roland Penrose begegnet, und von hier ab gab es ja auch noch reichlich zu erzählen, mit leichtfüßig unterhaltsamen, aber auch vielen dramatischen Momenten.
Ellen Kuras, die bisher als Kamerafrau und Dokumentarfilmerin auf sich aufmerksam machte, legt mit “Die Fotografin”, welcher starke Bilder bietet und von tollem Score Alexandre Desplats untermalt ist, ein absolut gelungenes Regiedebüt vor. Die Story von Lee Miller ist gehaltvoll und äußerst interessant, und auch wenn sich hier natürlich nicht jede Szene so abgespielt haben mag, entsprechen die Eckpunkte doch der Realität, sind sie doch durch Erinnerungen, Tagebücher und unwiderlegbare Fakten wie ihre Fotos nicht anzweifelbar.
Trailer:
Bewertung: 8 von 10 Punkten