Home Film “In Liebe, Eure Hilde” – solide Biografie der NS-Widerstandskämpferin Hilde Coppi

“In Liebe, Eure Hilde” – solide Biografie der NS-Widerstandskämpferin Hilde Coppi

Autor: Mick

"In Liebe, eure Hilde" Filmplakat (© Pandora Film)

In Liebe, Eure Hilde

Darsteller: Liv Lisa Fries, Johannes Hegemann, Sina Martens, Lisa Wagner
Regie: Andreas Dresen
Dauer: 125 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: in-liebe-eure-hilde.pandora.film
Facebook: facebook.com/pandorafilm
Instagram: instagram.com/pandorafilmverleih
Kinostart: 17. Oktober 2024


Hört man Widerstandskampf gegen den Nationalsozialismus, dann denkt man augenblicklich an die „Weiße Rose“, den Kreis rund um die Münchener Geschwister Sophie und Hans Scholl, dem sich in der Vergangenheit schon diverse Werke der Filmgeschichte gewidmet haben. Ungeachtet dessen hielt es Regisseur Andreas Dresen („Nachtgestalten“, „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“) wohl für an der Zeit, auch die weit weniger prominente Hilde Coppi zu würdigen, und erzählt uns jetzt in seiner neuen Biografie „In Liebe, Eure Hilde“, die im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale uraufgeführt wurde, die Geschichte der ebenfalls von den Nazis ermordeten Berliner Oppositionellen. Die engagierte sich damals in einem eher lose organisierten Zirkel von Gleichgesinnten gegen das Hitler-Regime, der später unter dem von der Gestapo verwendeten Fahndungsnamen „Rote Kapelle“ Bekanntheit erlangte.

Zum emotionalen Einstieg wählt Dresen geschickt gleich Hildes (Liv Lisa Fries) Verhaftung, lässt die Haft der da schon Hochschwangeren folgen, aus der heraus er sich Hilde in atmosphärischen Rückblenden an die dazu führenden Ereignisse erinnern lässt. Und die weisen sie anders als zum Beispiel die kämpferisch entschlossene Sophie Scholl trotz ihrer eher linken Gesinnung keinesfalls als unerschrockene Heldin sondern viel mehr als ganz normale junge Frau im Berliner Sommer 1940 aus. In dem lernt sie über ihren Freundeskreis den Aktivisten Hans (Johannes Hegemann) kennen, und man tut, was alle jungen Leute halt so tun: Man genießt fernab jedes politischen Engagements das Leben, schwimmt im See und zeltet anschließend gemeinsam, Flirt inklusive.

Die Mädels quatschen über die Jungs und umgekehrt. Und während sich Hilde zu Hans hingezogen fühlt, hat der außer ihr noch eine ganz andere Leidenschaft, von der die unschuldige Verwaltungsangestellte Hilde allenfalls durch beiläufige Bemerkungen der Freunde eine entfernte Ahnung hat. Schon Ewigkeiten ist der in der kommunistischen Szene aktiv, trifft sich auch mit Hildes Freunden öfter konspirativ und führt zusammen mit ihnen schon seit Jahren regelmäßig Aktionen gegen das verhasste Regime durch. Noch als Hilde und Hans zusammenfinden, versucht er sie schützend aus allem herauszuhalten, doch einmal ein festes Paar, gehört es einfach zu Hildes Selbstverständnis, sich mit seinem vollen Vertrauen am Flugblattdruck oder dem Weiterleiten von durch „Radio Moskau“ erlangten Informationen zu beteiligen.

"In Liebe, eure Hilde" Szenenbild (© Pandora Film, Foto: Frédéric Batier)

Hilde (Liv Lisa Fries) und ihr Mann Hans Coppi (Johannes Hegemann)
(© Pandora Film, Foto: Frédéric Batier)

Das alles schildert uns Dresen ganz unaufgeregt als zwar gefährlichen aber trotz allem normalen politischen Zeitvertreib der Freunde, verzichtet dabei gänzlich auf kriminalistische Spannungselemente und konzentriert sich voll auf Hildes Perspektive, deren Befindlichkeiten dann auch das Kernelement seines ruhig aufgebauten Biopics bilden. Die fast schon auf historische Stoffe festgelegte Liv Lisa Fries („Babylon Berlin“, „Freud“) spielt hier die Protagonistin angenehm zurückgenommen und gewährt uns gleichzeitig mit dezenter Mimik jederzeit Einblick in deren Gefühlswelt, die nach ihrer Inhaftierung komplett aus den Fugen geraten soll. Genau dieses minimalistische Spiel ist ihre ganz große Stärke, macht ihre schüchterne aber doch charakterstarke Hilde für uns so nahbar und deren Schicksal dadurch so eindrücklich.

Hilde nämlich bringt in Haft 1942 den gemeinsamen Sohn Hans zur Welt, bevor nur kurze Zeit später ihr zusammen mit ihr verhafteter Ehemann Hans von den Nationalsozialisten hingerichtet wird. Es sind sicherlich die emotionalsten Momente, die der Film in seiner Grundebene für uns bereithält, als auch Hildes Los in der Haftanstalt Plötzensee längst feststeht. Einzig für ihren Sohn entwickelt sie dort eine unvorstellbare Kampfkraft und Überlebenswillen, die uns in Kombination mit den Haftbedingungen der jungen Mutter und ihrem kurz vor ihrer Hinrichtung 1943 verfassten Brief nicht kaltlassen können.

Zwar vermag uns der Streifen nicht über die gesamte Zeit derart zu packen und gewinnt auch keinen Innovationspreis, mit einer herausragenden Liv Lisa Fries und seiner stimmigen Aufarbeitung der Fakten jedoch bringt er uns eine starke historische Persönlichkeit näher, die bisher allzu oft übersehen wurde. Und spätestens, wenn Hildes Sohn Hans, inzwischen 81 und Historiker, im Abspann mit erstaunlichen Informationen zu Wort kommt, können wir uns ein bestürztes Kopfschütteln nicht verkneifen.

Trailer:

Bewertung: 6 von 10 Punkten

 

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