Home Film “Emilia Pérez” – zutiefst berührendes Melodram mit Musical-Touch

“Emilia Pérez” – zutiefst berührendes Melodram mit Musical-Touch

Autor: Mick

"Emilia Pérez" Filmplakat (© Neue Visionen Filmverleih)

Emilia Pérez

Darsteller: Zoe Saldaña, Karla Sofía Gascón, Selena Gomez, Adriana Paz
Regie: Jacques Audiard
Dauer: 132 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: emilia-perez.de
Facebook: facebook.com/neuevisionenfilmverleihgmbh
Instagram: instagram.com/neue_visionen
Kinostart: 28. November 2024


Der Franzose Jacques Audiard („Der Geschmack von Rost und Knochen“, „The Sisters Brothers“) interessiert sich in seinen Filmen seit jeher für Menschen unterschiedlichster Sozialisierung und deren geistige Entwicklung nach meist ungemein einschneidenden Ereignissen. In seinem neuen und ersten spanischsprachigen Film „Emilia Pérez“ begibt er sich dafür nun in das korrupte Milieu mexikanischer Judikative und Drogenkartelle, das schicksalhaft drei vollkommen unterschiedliche Frauen zusammenführt.

Ins Zentrum stellt er Anwältin Rita (Zoe Saldaña), die sich fast Tag und Nacht krummmacht, um ihrem korrumpierbaren Chef zuzuarbeiten. Der verhilft so als Strafverteidiger manch Drogenboss und Mörder zum Freispruch und fährt damit allen Ruhm und Reichtum ein, der eigentlich Rita gebührt. Deren Frust über die Ungerechtigkeit und die omnipräsente Korruption macht dabei Zoe Saldaña durch ihr großartiges Spiel besonders gut nachvollziehbar, als ein heimtückischer Femizid wieder einmal vor Gericht in einen Selbstmord gedreht wird.

Einen Moment der Gewöhnung braucht es allerdings schon, wenn Ritas Gefühlslage von Saldaña mit einer ersten, fein choreografierten Musicaleinlage transportiert wird, die uns Audiard hier ganz unvermittelt präsentiert. Das aber stellt keineswegs eine Zäsur dar, bettet sich trotz anfänglicher Überraschung bestens in den Plot ein und wird mit den stimmigen Balladen und Sprechgesangnummern im weiteren Verlauf zu einem attraktiven, weil unheimlich gut funktionierenden Mittel der Darstellung von Befindlichkeiten. Dabei war der Streifen ursprünglich sogar als opulente Oper geplant, ist hier im dramatischen Musicalbereich aber hervorragend aufgehoben.

Ritas juristische Fähigkeiten jedenfalls sind auch dem mächtigen Kartellboss Manitas del Monte (Karla Sofía Gascón) nicht verborgen geblieben, der ihr kurzerhand ein unverschämt lukratives Angebot unterbreitet. Schon lange von seinen brutalen Taten angewidert, will der so schnell wie möglich aus dem schmutzigen Geschäft aussteigen und fortan ein neues Leben als Frau führen. Den Prozess der Transformation inklusive Manitas inszeniertem Tod und der Unterbringung seiner Frau Jessi (Selena Gomez) samt seiner Kinder in der Schweiz soll Rita diskret organisieren und dafür fürstlich entlohnt werden, das nötige Kleingeld ist schließlich vorhanden. Trotz der einschüchternden Umstände muss Rita nicht lange überlegen und etabliert sich nach erbrachter Leistung mit ihrem ansehnlichen Startkapital schnell in der Londoner High Society.

"Emilia Pérez" Szenenbild (© Neue Visionen Filmverleih / Wild Bunch Germany)

Mehr Vanitas dank Manitas: Endlich steht auch Rita (Zoe Saldana) im ganz großen Schweinwerferlicht.
(© Neue Visionen Filmverleih / Wild Bunch Germany)

Richtig fahrt nimmt Audiards Drama jedoch erst auf, als sich Manitas, inzwischen als Emilia Pérez (natürlich auch Karla Sofía Gascón), wieder mit einem Anliegen an Rita wendet. Sie erträgt die Trennung von ihrer Familie nicht mehr und bittet Rita jetzt um eine Zusammenführung unter dem Dach der reichen Tante Emilia in Mexiko. Komplikationen sind beim merkwürdig intimen Verhalten der Tante also vorprogrammiert, die obendrein mit ihrem humanitären Engagement für die Opfer der Drogenkartelle nun als Person des öffentlichen Lebens jede Menge Angriffsfläche bietet.

Ungemein vielschichtig gestaltet Audiard sein Melodram, das er stetig zwischen Thrillerelementen, melancholischen Momenten und einfühlsamen Musicaleinlagen mäandern lässt. Getragen vom Zusammenspiel seiner wunderbaren Hauptdarstellerinnen – das Trio gewann beim Festival in Cannes gemeinsam den Preis als beste Darstellerin -, allen voran die spanische Transfrau Karla Sofía Gascón, die uns in ihrer Doppelrolle wirklich umhaut, gelingt es dem Film im Schatten der Wandlung Emilias vituos, unbequeme gesellschaftliche Themen anzusprechen und uns gleichzeitig in seinen emotionalen Augenblicken zutiefst zu berühren.

Dass die plötzliche Läuterung Emilias mit ihrem neuen Liebesglück bisweilen ein wenig pathetisch ausfällt, geschenkt. Letztendlich passt sich auch das perfekt in ein kunterbunt inszeniertes Drama ein, das seine Handlung mit dem Blick auf die drei Frauen nicht nur geschickt durch die harmonischen Gesangseinlagen vorantreibt, sondern uns gerade mit diesen immer wieder mitten ins Herz trifft. Audiards unkonventionelles Musical lässt so mit dem Tiefgang seiner Transgender-Thematik und dem feinen Gespür für den Einsatz seiner Gesangsnummern kaum Wünsche offen und fesselt uns mit dem Schicksal seiner Protagonistinnen bis zum Schluss.

Trailer:

Bewertung: 9 von 10 Punkten

 

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