Home MusikInterviews Alan Wilder alias Recoil zu seinem Album “Liquid” (03/00)

Alan Wilder alias Recoil zu seinem Album “Liquid” (03/00)

Autor: Tobi

Spricht man von Recoil, so sagt dieser Projektname vielen wenig. Erzählt man, dass sich ein gewisser Alan Wilder hinter dem Namen verbirgt, so bringt man schon etwas Licht ins Dunkel. Fügt man dann noch hinzu, dass jener viele Jahre Mitglied der großartigen Depeche Mode war, so hat man spätestens jetzt den Aha-Effekt ausgelöst und Interesse geweckt.

Alan Charles Wilder wurde 1959 in London geboren. Nach Klavierunterricht und der obligatorischen Flöte kam Alan über das Schulorchester zur ersten Bandmitgliedschaft bei “The Dragons”. Es folgten “Dafne And The Tenderspots”, “Real To Real” und “The Hitmen”, bevor er 1981 über eine Annonce im Melody Maker zu den bereits erfolgreichen Depeche Mode stieß, als Ersatz für den ausgestiegenen Vince Clarke (heute bei Erasure), wo dieser Songwriter gewesen war, Alan nun aber als Keyboarder in die Band geholt wurde, während Martin Gore sich um die Kompositionen kümmerte, Dave Gahan sang und Andrew Fletcher wohl damals schon mehr Management als Musik organisierte.

Nach vielen weltweit erfolgreichen Alben wie “Music For The Masses”, “Violator” oder “Songs Of Faith And Devotion” stieg Alan 1995 aus der Band aus, um sich zukünftig allein seinem bereits mit den Alben “1+2”, “Hydrology” und “Bloodline” als Seitenprojekt ins Leben gerufenem Recoil zu widmen. Im September 1996 erschien mit “Unsound Methods” das erste Recoil-Album nach seiner Depeche Mode-Zeit, mit dem er den auf “Bloodline” eingeschlagenen Weg weiter ging, mit Gastsängern bzw. -stimmen zu arbeiten. Allerdings wurde die Musik düsterer, ruhiger, eigenwilliger und avantgardistischer, waren auf dem Vorgänger doch auch noch tanzbare, sich an Songstrukturen orientierende Tracks zu hören. Vom doch noch ziemlich am Depeche Mode-Sound gebauten, rein instrumentalen Stil der ersten beiden Alben war Alan längst abgewichen. Was sich als roter Faden durch alle Recoil-Veröffentlichungen zieht, ist jedoch die Wertlegung auf Stimmungen, dadurch auch die Nähe zu soundtrackartiger Musik.

Wir schreiben das Jahr 2000, Alan Wilder meldet sich mit Recoil zurück. “Liquid” heißt das neue Album, das kaum noch tanzbare Stücke enthält, ansonsten aber an den Vorgänger anschließt. Thematisch dreht sich auf der Scheibe alles um einen Flugzeugabsturz über Eislandschaft. Über die neue Scheibe und auch seine Zeit bei Depeche Mode führten wir ein Interview mit Alan.

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“Vom musikalischen Gesichtspunkt her bin ich sehr glücklich mit meinen Möglichkeiten, meinem Studio und meiner Musik. Ansonsten habe ich meine Familie und mein Haus, ich bin glücklich, brauche nicht mehr.”

MUM: Hallo Alan, wie geht es dir?

A: Gut, danke, und selbst?

MUM: Mir auch, danke. Okay, lass uns anfangen. Warum heißt dein neues Album “Liquid”?

A: Das kommt aus einem der Tracks, “Last Call For Liquid Courage”, der handelt vom Saufen und Vögeln. Ich mag das Wort “Liquid”, weil es irgendwie mit all den Geschichten auf dem Album etwas zu tun hat, etwas wie ein generelles Konzept für die gesamte Scheibe darstellt, die sich thematisch um einen Flugzeugunfall in einer Eisgegend dreht. “Liquid” könnte für das Eis stehen, oder für Alkohol, oder für Blut, oder für Adrenalin, all diese verschiedenen Dinge stecken in dem Wort.

MUM: Wie bist du denn darauf gekommen, einen Flugzeugabsturz als Leitthema zu wählen?

A: Das kommt aus persönlichen Erfahrungen. 1994 habe ich einen Flugzeugabsturz direkt vor unserer Nase miterlebt, was eine wirkliche befremdende Erfahrung ist. Worüber ich danach öfters nachgedacht habe, das waren die Gedanken des Piloten, nachdem er gemerkt hat, dass er abstürzen wird. Also habe ich den Track “Black Box” geschrieben, der darauf basiert. Alle anderen Texte handeln von den Gedanken des Piloten oder den Erinnerungen an sein Leben, die in diesem Moment an ihm vorbeiziehen.

MUM: Die Texte haben aber die Vokalisten selbst geschrieben, oder?

A: Ja. Ich gebe ihnen die schon einigermaßen gut ausgearbeitete Musik, so dass die Atmosphäre bereits herüberkommt. Sie haben dann sehr viel Freiraum, damit zu arbeiten.

MUM: Wie wählst du deine Vokalisten aus?

A: Das wird oft durch die Musik beeinflusst. Als ich zum Beispiel einen Track wie “Strange Hours” hatte, der sehr blueslastig ist, da dachte ich gleich an Diamanda Galas als Stimme. Ich hatte zwar noch nie mit ihr gearbeitet, aber ich kannte ihre Musik und wusste, dass sie ihren eigenen Gesangsstil hat, sehr blues- und gospelbasiert. Ich dachte dann also, dass sie prima passen würde, und genauso ging mir das mit den Vokalisten bei den anderen Tracks. Bei manchen brauchte ich eher Erzähler, also habe ich an Spoken Words-Künstler gedacht.

MUM: Gibt es denn bestimmte Stimmen, mit denen du unheimlich gerne mal zusammenarbeiten würdest?

A: Keine bestimmten. Ich mag die Idee, mit Leuten zu arbeiten, die normalerweise total andere Musik machen. Die sind dann vielleicht sehr gute Sänger, machen aber ja auch ihre Musik. Sie in den Recoil-Kontext zu bringen, der ja meist viel düsterer ist, und dann zu sehen, wie das funktioniert, das finde ich interessant. Mit jemanden wie K.D. Lang, Scott Walker oder Bryan Ferry, also eher traditionellen Stimmen, habe ich noch nicht gearbeitet, vielleicht sollte ich dies als nächstes ausprobieren.

MUM: Ich habe gelesen, dass du Nicole Blackman dazu getrieben hast, vor den Aufnahmen durch den Garten zu rennen.

A: Ja, das stimmt. Wir brauchten das “Außer-Atem-sein”, also haben wir sie rausgeschickt und gesagt, sie solle herumrennen. Sie ist sehr enthusiastisch und war bereit, alles für eine gute Darbietung zu tun, das war dann natürlich ganz lustig.

MUM: Und Rosa hat dir ein Tape mit ihren Worten geschickt?

A: Wir haben ja unsere eigene Webseite, und damals forderten wir die Fans auf, Tapes von sich selbst in ihrer Landessprache zu schicken, da ich auf der Suche nach dem Klang fremder Sprachen war, etwas Ungewöhnlichem. So kamen dann Tapes bei uns an, und Rosas war mit Abstand das beste, sie klang sehr einfühlsam. Ich wusste zwar überhaupt nicht, was sie mir da auf band gesprochen hatte, aber es klang einfach gut. Also habe ich sie in unser Studio in Sussex hier in England eingeladen und sie dort noch einmal aufgenommen.

MUM: Um was geht es denn in dem Track?

A: “Vertigen” ist die Angst vor dem Fallen. Es ist etwas schwer zu beschreiben, aber die Worte handeln von dieser Furcht.

MUM: Verglichen mit dem Vorgänger “Unsound Methods”, wo siehst du die größten Unterschiede?

A: Für mich sind die Alben nicht so unterschiedlich. “Liquid” ist eher die Fortführung von dem, was ich auf “Unsound Methods” gemacht habe, die Atmosphäre ist ähnlich, düster und filmhaft, mit langen Geschichten. Ich denke, die neue Scheibe klingt etwas offener. Der Startpunkt war diesmal auch ein ganz anderer. Ich holte mir drei Musiker ins Studio und ließ sie in vielen verschiedenen Stilen spielen, einiges daraus wurde dann verwendet. Vielleicht klingt die Musik daher auch etwas lebendiger.

MUM: Hast du immer zuerst die Musik und nie schon einen Text vorher?

A: Das einzige Stück, wo nicht zuerst die Musik entstand, war “Jezebel”, wo ich mit einem gesampleten Gospel-Quartett angefangen habe, also den Gesang zuerst hatte, von einer A Capella-Platte. Das war also mal der andere Weg, da ich den Gesang sehr mochte. Ich habe ihn dann noch etwas bearbeitet, leicht verlangsamt und einiges mehr, um ihn für Recoil passender zu machen.

MUM: Was denkst du heute über deine ersten Soloscheiben “1+2” und “Hydrology”?

A: Sie klingen nach dem, was sie waren, sehr experimentell, zuhause auf einem 4-Spur-Rekorder aufgenommen. Damals war das okay, weil das auch genau das war, was ich machen wollte, als Seitenprojekt zu Depeche Mode. Natürlich klingen die Scheiben aus jetziger Sicht nicht so toll, aber sie zeigen den Prozess, durch den Recoil gegangen ist, die Arbeit mit Samplern, Loops und moderner Technologie. Irgendwie zeigt das schon etwas Annäherung an die Postmoderne, daher ist es interessant.

MUM: Deine Musik ist ja, wie du auch selbst sagst, eher dunkel. Bist du auch so, oder bist du ein farbenfroher, fröhlicher Mensch?

A: Ich glaube nicht, dass ich ein dunkler Typ bin, ich bin eher spaßig und nicht zu ernst. Wenn die Leute aufgrund der Musik denken, ich sei morbid oder ernst, dann irren sie sich. Ich weiß auch nicht, warum meine Musik immer so klingt, ich folge da einfach meinen Instinkten, und dies kommt heraus. Vielleicht ist das auch eine Seite von mir, die nur in der Musik durchkommt, ich weiß auch nicht, das kann ich nicht begründen.

MUM: Was denkst du zurückblickend über einen Track wie “Fools”, den du für Depeche Mode geschrieben und auch gesungen hast?

A: Er klingt nach mir, wie ich versuche, einen Popsong zu schreiben. Das ist etwas, was nicht normal aus mir heraus kommt, deswegen habe ich es auch gelassen, für Depeche Mode Stücke zu schreiben oder es zu versuchen. Ich habe mich damals dazu gezwungen, es mal zu versuchen, aber es fällt mir nicht einfach, Texte zu einem Popsong zu schreiben, ich mag das nicht.

MUM: Es gab aber viele Fans, die den Song klasse fanden.

A: Ja, das stimmt.

MUM: Wann hast du dich entschlossen, Depeche Mode zu verlassen?

A: Während der “Songs Of Faith And Devotion”-Tour, ich hatte darüber aber auch schon während der Arbeit an dem Album nachgedacht. Das Verhältnis innerhalb der Band war sehr schlecht geworden. Ich wusste schon eine ganze Weile, dass ich nicht mehr so lange in der Band bleiben wollte. Ich wollte generell, mein ganzes Musikerleben lang, nicht in einer Band sein, lieber alleine arbeiten, und ich dachte, dies wäre ein guter Zeitpunkt, diesen Schritt nach vorne zu gehen.

MUM: Die zeit mit Depeche Mode hat dir aber natürlich die Grundlage gegeben, jetzt viele Platten zu verkaufen.

A: Absolut. Sie hat mich in eine hervorragende Position gebracht, wo ich auch finanziell abgesichert genug bin, um das zu machen, was mir wirklich Spaß macht. Dafür bin ich auch dankbar. Ich kann zuhause arbeiten, habe mein eigenes Studio, und ich habe eine gute Beziehung zu Mute Records, die mir den Freiraum geben, zu tun und lassen, was ich will, ich bin in einer wunderbaren Situation.

MUM: Was haben denn die anderen Jungs von Depeche damals über deine ersten Recoil-Scheiben gesagt?

A: Eigentlich haben sie dazu nie etwas gesagt. Das ist schon etwas komisch, ich weiß wirklich nicht, was sie darüber dachten, bis heute.

MUM: Du hast sie auch nie gefragt?

A: Nein.

MUM: Hat es dich nicht interessiert?

A: Ich bin nicht die Art Person, die herumläuft und andere fragt, was sie von meiner Musik halten. Das hat vielleicht etwas mit Bescheidenheit zu tun. Wenn jemand die Musik mag, dann wird er es mir auch sagen, wenn nicht, dann vielleicht lieber nicht.

MUM: Hast du denn noch irgendeinen Kontakt zu den Jungs?

A: Ich habe noch etwas Kontakt, hauptsächlich zu Dave. Da er in New York lebt, sehen wir uns aber nicht gerade oft. Mit Martin und Fletch habe ich nicht wirklich viel Kontakt, nur etwas, und wir kommen auch miteinander aus. Normalerweise spielt sich das aber auf geschäftlicher Ebene ab.

MUM: Zurück zu Recoil. Hat dich Trent Reznor selbst gefragt, ob er deine neuen Stücke als Warm Up-Musik für seine Konzerte benutzen kann?

A: Ja, er hat mich angerufen und gefragt, und ich fand das toll und habe zugesagt. Es ist prima, überhaupt von ihm gefragt zu werden und war ja auch eine Chance, die Recoil-Musik seinem Publikum näher zu bringen.

MUM: Magst du die Musik von Nine Inch Nails?

A: Ja, nicht alles, aber einiges. Das neue Album enthält zum Beispiel sehr gute Stücke, aber auch welche, die mehr Lückenfüller sind. Es ist aber bei einem Doppelalbum auch schwer, nur gute Tracks zu haben. Ich mag die Tatsache, dass Trent sich sehr genau um alles kümmert, was er tut.

MUM: Welche Bands magst du sonst so?

A: Ich habe keine Lieblingsband, ich höre eigentlich alles mögliche, Klassik, Soundtracks, einigen Pop, einige elektronische Sachen, das ist ganz verschieden.

MUM: Vielleicht ein Album, das dir zuletzt sehr gut gefiel?

A: Das letzte Blur-Album “13” war sehr gut, und die Radiohead-Scheibe war toll. Die neue Kraftwerk-Single habe ich noch nicht gehört.

MUM: Sie ist nicht so toll, bietet nichts Neues.

A: Weißt du, ob da ein Album herauskommt?

MUM: Geplant ist ein neuer Longplayer ja schon seit Jahren, aber da ist auch jetzt noch nichts bestätigt. Hast du ein Lieblingsalbum aller Zeiten?

A: Das wäre wahrscheinlich das “White Album” der Beatles, und “Strawberry Fields” ist meine Lieblingssingle. Das ist keine ungewöhnliche Wahl, aber eben so großartige Popmusik.

MUM: Wenn du jetzt Beatles sagst, meinst du, du kehrst vielleicht irgendwann zurück zu typischen Songstrukturen anstelle von klangraum- und stimmungsorientierten, soundtrackähnlichen Sachen?

A: Wahrscheinlich nicht, aber man weiß ja nie, was noch alles passiert. Vielleicht, wenn ich mit jemandem zusammenarbeiten würde, der diese Art der Musik bevorzugt, aber ich habe wirklich keine Pläne, so etwas zu tun. Wie gesagt, ich denke nicht, dass ich im Schreiben von Pop-Songs gut bin.

MUM: Welche Reaktionen erhältst du denn so? Hast du nicht auch Leute, die kommen und – meinetwegen per Webseite – sagen, dass sie mit dieser Art Musik, die du jetzt machst, nichts mehr anfangen können?

A: Die meisten Leute, die mir schreiben, wollen nette Dinge mitteilen. Ab und zu sagt mal jemand, dass er die Musik jetzt so nicht mag, aber generell höre ich, dass sowohl meine jetzige Musik als auch die Sachen, die ich mit Depeche Mode gemacht habe, gemocht werden.

MUM: Hast du eigentlich einen Depeche Mode-Lieblingssong?

A: Das wäre wahrscheinlich ein Track von “Songs Of Faith And Devotion”, vielleicht “In Your Room” oder “Walking In My Shoes”, aber ich mag auch “Never Let Me Down Again” und “Stripped” sehr. Dies wären meine Top 4.

MUM: Gibt es Pläne, vielleicht mal mit Recoil eine Show zu machen?

A: Nein, momentan nicht. Das wäre auch sehr schwer mit all den verschiedenen Vokalisten, rein logistisch schwer zu organisieren. Ich verspüre auch nicht unbedingt ein großes Verlangen, live aufzutreten.

MUM: Du arbeitest also lieber im Studio, bringst eine Platte raus, machst Promo – und dann? Arbeitest du gleich an neuen Sachen oder lehnst du dich erst einmal gemütlich zurück und genießt das Leben?

A: Beides. Ich werde sicher bald schon wieder ins Studio gehen, vielleicht im Frühling, aber ich weiß nicht, wie lange ich dort arbeite, und woran. Ich würde sehr gerne einen Soundtrack für einen Film machen, aber ich müsste erst einmal jemanden finden, der mich hierfür haben will. Mal sehen.

MUM: Gibt es Regisseure, für deren Filme du dir eine Arbeit sehr gut vorstellen könntest, wie David Lynch oder so?

A: Lynch wäre gut, klar, oder auch David Fincher, der “Sieben” und “Fight Club” gemacht hat. Die neuen, frischeren Regisseure wie Tarantino könnten sich sicherlich am ehesten mit den Sachen, die ich mache, anfreunden. Ich bin da aber sehr offen, wenn jemand eine gute Idee hat, dann würde ich so etwas wie gesagt gerne machen.

MUM: Hast du noch einen Lebenstraum, den du dir eines Tages erfüllen möchtest?

A: Vom musikalischen Gesichtspunkt her bin ich sehr glücklich mit meinen Möglichkeiten, meinem Studio und meiner Musik. Ansonsten habe ich meine Familie und mein Haus, ich bin glücklich, brauche nicht mehr. Ich habe auch nur in künstlerischer Hinsicht Ambitionen, ich bin sehr musikverrückt, Musik war meine erste Liebe. Wie gesagt, eine Filmmusik würde ich gerne mal machen.

MUM: Du bist also auch noch hungrig, weiter Musik zu machen.

A: Oh ja, auf jeden Fall.

MUM: Erinnerst du dich noch an das erste Konzert, auf dem du mal warst?

A: Ich denke, das müssten The Who gewesen sein, in den früher 70ern, im Hammersmith Odeon in London. Meine damalige Freundin hatte Kontakt zur Familie des Bassisten, so bekamen wir Freikarten, daher habe ich The Who auch ziemlich oft gesehen.

MUM: Hat es dir eigentlich Spaß gemacht, live zu spielen, oder speziell, die Drums auf der “Songs Of Faith And Devotion”-Tour zu spielen, oder war das eher Stress?

A: Das war noch das, was am meisten Spaß gemacht hat, das Spielen der Drums, weil das auch eine Herausforderung für mich war. Die Keyboardparts waren doch sehr viel einfacher, wenn du das ein paar Mal gemacht hast, dann ist das ziemlich automatisiert.

MUM: In all den Jahren Musik, mit deinen ersten Bands, dann mit Depeche Mode, nun mit Recoil, was war der beste Moment für dich?

A: In der “Violator”-Periode zu Beginn der 90er-Jahre war es sehr schön, zu Depeche Mode zu gehören. Nicht nur, dass wir viele Platten verkauft haben, wir haben uns in dieser Phase am besten verstanden. Wenn du die Leute fragen würdest, was Depeche Mode für sie ist, dann fänden die meisten sicher diese Periode musikalisch am typischsten für die Band, als Höhepunkt, was ich allerdings nicht denke. Wir hatten aber eine richtig tolle Zeit damals, das Verhältnis war gut, wir hatten sehr viel Erfolg, wir hatten die Wherehouse-Krawalle in Los Angeles, wir haben riesige Shows gespielt. Das war die aufregendste Phase.

MUM: Wenn aber damals die Stimmung in der Band so gut war, warum ist sie den Bach herunter gegangen?

A: Schwer zu sagen, da gibt es verschiedene Gründe, ich weiß gar nicht so recht. Ich könnte jeden Tag darüber sprechen, würde aber nie zu einem Schluss kommen, was denn nun der Auslöser war.

MUM: Wenn das Verhältnis innerhalb der Band richtig gut geblieben wäre, würdest du dann noch zu Depeche Mode gehören?

A: Vielleicht, aber ich denke nicht. Auch bei besserer Stimmung hätte ich den Wunsch gehabt, die Band zu verlassen, weil alles sehr festgefahren war, immer mit den gleichen Jungs zusammen zu arbeiten, immer Pop zu machen, was ja nichts Falsches ist, aber ich wollte das nicht mein ganzes Leben lang machen. Ich wollte mich verändern.

MUM: Du hast dich aber doch nach den vielen Jahren nicht mehr als Füllstoff gesehen, den man nur gesucht hat, um nach Vince Clarkes Weggang wieder ein Quartett aus Depeche Mode zu machen, oder?

A: Am Anfang habe ich mich ein wenig als Außenseiter gesehen, und es hat eine ganze Weile gedauert, um dies abzulegen. Nach ein paar Jahren habe ich mich aber als vollwertiges Mitglied gefühlt.

MUM: Du warst ja auch sehr wichtig für den Sound von Depeche Mode.

A: Ja, das stimmt. Das ist es auch, was ich am besten kann, Strukturen und andere Details für die Sounds zu erarbeiten. Die anderen waren an der Arbeit im Studio nie so richtig interessiert, besonders Martin. Ihm wurde immer sehr schnell langweilig, also hat er es mir überlassen, die Musik mit demjenigen, der uns produziert hat, zu erarbeiten. Martin kam dann irgendwann herein und hörte sich das an, was wir gemacht hatten, hatte aber eine außenstehende Perspektive, was durchaus nützlich war. So hat er alles dann kommentiert und ist wieder verschwunden.

MUM: Du hast ja auch mal Nitzer Ebb produziert, andere Sachen auch?

A: Nur Kleinigkeiten, mal einen Remix oder eine zusätzliche Produktion, aber Nitzer Ebb waren die einzigen, mit denen ich ein ganzes Album produziert habe.

MUM: Wirst du vielleicht mal wieder jemanden produzieren?

A: Das ist nichts, was ich wirklich anstrebe. Ich werde öfters mal gefragt, sage aber immer ab. Das müsste schon etwas ganz Spezielles sein, was mich richtig interessiert, damit ich wieder produzieren würde.

MUM: Hast du eigentlich noch Kontakt zu Douglas McCarthy?

A: Ja, habe ich.

MUM: Aber du wolltest ihn nicht auf dem neuen Album haben.

A: Ich habe schon viel mit ihm gemacht und wollte diesmal andere Stimmen benutzen. Ich mag ihn als Person aber immernoch sehr.

MUM: Was macht er denn eigentlich so?

A: Nicht viel. Ich glaube, er hat ein- oder zweimal Kollaborationen mit irgendwem gemacht. Soweit ich weiß ist er wieder an der Universität von Sussex und studiert Grafik. Ist schon schade, dass er nicht mehr als Sänger in Erscheinung tritt.

MUM: Ja, er war schon klasse. So, ich habe keine Fragen mehr. Wie hast du eigentlich Silvester gefeiert?

A: Weihnachten war komisch, da wir starke Stürme hatten und unser Haus unter Wasser stand. Als habe ich Heiligabend draußen an Abflussrohren herumgewerkelt, das war nicht so toll. Silvester war aber phantastisch, wir hatten eine kleine Party für vielleicht 20 Leute bei uns, das war toll.

MUM: Alan, vielen Dank für das Interview.

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MUM: Mucke und mehr
A: Alan Wilder alias Recoil

 

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