Kaum ein Komödiant aus deutschen Landen spaltet das Volk so in zwei Lager wie Helge Schneider. Die einen lieben ihn, lachen sich über seinen Schwachsinn krank und können nicht genug von ihm bekommen – die anderen finden ihn total bescheuert und verstehen überhaupt nicht, wie man über solchen Mist auch nur schmunzeln kann.
Helge hat sich im letzten Jahrzehnt zum vielleicht bekanntesten Komödianten hochgearbeitet. Songs wie “Katzeklo” oder “Es gibt Reis, Baby” kletterten die Charts hoch, Filme wie “Texas” oder “Praxis Dr. Hasenbein” lockten nicht wenige Besucher ins Kino, Bücher wie “Zieh dich aus, du alte Hippe” oder “Eiersalat in Rock” fanden reißenden Absatz. Seine wahre Klasse allerdings zeigt Helge nur live, wo er – mal alleine nur mit Klavier, mal mit den Stammpartnern Peter Thoms und Buddy Casino, mal mit Bigband – lustige Songs darbietet, vor allem aber zwischen selbigen so viel Schwachsinn improvisierend erzählt, dass man nur noch am Lachen ist. Ein weiterer Vorteil ist, dass man live auch oft vom musikalischen Können des Herrn Schneider ein wenig sehen kann, ist er doch ein begnadeter Jazzmusiker, was viele nicht einmal ahnen.
Momentan ist er mal wieder mit Hardcore, also mit Peter und Buddy, auf Tour. Was er da so verzapft, kann man sich auf der sehr spaßigen Live-CD “Hefte raus – Klassenarbeit!” anhören. Eigentlich sollte die Scheibe “Ich habe mich vertan” heißen, genauso wie einer der beiden abschließenden Studiotracks, die nun aber doch nicht enthalten sind, also auch “Allgemeine Verkehrskontrolle” nicht. Nun heißt die CD anders, und auch Helge weiß gar nicht so genau, was die Plattenfirma eigentlich macht, ob “Ich habe mich vertan” als Single erscheint, wie geplant, oder nicht. Gewiss hingegen ist, dass er keine Lust mehr hat auf Studioproduktionen und vom ganzen Business ziemlich genervt ist, wie er beim Gespräch in einem Berliner Hotel deutlich machte.
“Ich lache viel, vor allem auch viel über Sachen, wo andere Leute nicht drüber lachen. Dafür lache ich über Sachen, wo andere drüber lachen, oft nicht.”
MUM: Helge, du bist ja gerade auf Tour. Bist du durchgehend unterwegs, viele Pausen hast du ja nicht im Plan?
H: Ja, seit Jahren eigentlich öfter mal. Manchmal habe ich aber auch zwei, drei Wochen frei. Ich muss ja arbeiten, nicht? Muss ja jeder.
MUM: Warum wurde deine neue CD von “Ich habe mich vertan” in “Hefte raus – Klassenarbeit!” umbenannt?
H: Och, weiß ich jetzt gar nicht. Ich wollte nicht so eine Zentrierung auf den Song “Ich habe mich vertan”. Das ist ein Livealbum und ich finde es als Ganzes gut, aber so eine Zentrierung auf einen Song, das wollte ich nicht.
MUM: Die beiden Studiotracks hast du auch runternehmen lassen.
H: Ja, die sind da nicht drauf. Den letzten finde ich zwar gut, aber den verwahr ich für ein anderes mal. Den davor, mit dem sogenannten Single-Hit, den finde ich nämlich nicht so gut, den finde ich live besser.
MUM: Als Single kommt der Song aber trotzdem jetzt?
H: Ich weiß nicht. Das ist ein bisschen durcheinander. Egal.
MUM: Dann steht hier ja noch, das Album gäbe es als limitierte Erstauflage mit Bonus-CD. Stimmt das wenigstens?
H: Ich weiß dat nicht. Die machen immer so Sachen. Das ist bei Plattenfirmen so üblich, dass die immer so locken wollen. Die fragen mich, sagen mir das dann – verstehen tu ich das nicht. Da gibt’s dann vier verschiedene Ausfertigungen von Schallplatten. Mal fehlt das, dann ist was anderes drauf – das kann ich nicht verstehen, das ist auch nicht mein Job. Ich kann da auch nichts dran ändern.
MUM: Ist das, was man hier zu hören kriegt, dein aktuelles Programm oder was älteres?
H: Nö, das ist schon aktuell. Wir gehen noch mit der Band auf Tournee bis Ende des Jahres, und das ist, sagen wir mal, ein Dokument von dem, was wir so machen, diese Schallplatte. Das ist ein guter Auftritt gewesen, den habe ich aufgezeichnet zufällig, und dann habe ich gedacht: “Das ist doch mal ganz gut, ein reelles Album zu dem, was wir so machen.”
MUM: Ist danach musikalisch wieder was anderes geplant, vielleicht wieder ohne Buddy und Peter?
H: Vielleicht gehe ich mal wieder alleine auf Tournee. Entweder mit Buddy und Peter, oder alleine. Sonst wüsste ich nicht.
MUM: Wenn du alleine auf Tour gehst, die der Akzent da mehr auf der Musik?
H: Das ist ähnlich, würde ich mal sagen.
MUM: Kratzt es dich nicht aber, mal auf Tour zu gehen und den Leuten zu zeigen: “Hey, ich bin ein super Musiker”?
H: Nö, so eitel bin ich nicht. Ich spiel’ genug während meiner Konzerte – das heißt, immer weniger. Ich habe die letzten Wochen auch viel erzählt, das mache ich aber auch gerne.
MUM: Den Reiz, Helge Schneider zu sehen, macht ja eigentlich das aus, was man zwischen den Songs zu hören bekommt. Ist das einigermaßen einstudiert, oder ist das alles improvisiert?
H: Nö, das ist völlig improvisiert.
MUM: Das heißt, da kommt auch jeden Abend was völlig anderes.
H: Ja, genau. Deshalb hab’ ich aber trotzdem eine Schallplatte live gemacht, weil das eben improvisiert ist, das kannst du im Studio nicht so gut. Da fehlt dann einfach dat Publikum, das ist total wichtig.
MUM: Eigentlich ist es doch schön, du kannst sagen, was du willst, und die Leute lachen.
H: Das ist schön, ja. Ich pass’ trotzdem auf. Ich sag’ mal, ohne Publikum würde dat nicht funktionieren, das geht gar nicht.
MUM: Die Songs, die du zuhause erarbeitest, wie gehst du da ran? Hast du da zuerst irgendwelche Texte oder probierst du rum?
H: Ich weiß das gar nicht. Meist habe ich einfach so eine Überschrift, und viele Songs sind auch beim Auftritt entstanden. Ich habe aber schon länger nichts mehr komponiert. Ich muss ja auch mal Urlaub machen.
MUM: Du hast ja auch genug Material, um jahrelang durch die Lande zu ziehen.
H: Genau.
MUM: Würdest du denn auch mal größere Hallen spielen wollen?
H: So 1000 bis 2000 Leute, das kann man schon machen. 2000 sind auch schon viel. Je nachdem, wie die Halle gebaut ist. Es gibt Clubs, da sind 800 Leute drin, davon können nur 300 was sehen, und es gibt Hallen, wo 3000 Leute reinpassen, die alle gut sehen und hören können. Das kann man nie wissen.
MUM: Hast du schon Festivalauftritte gemacht?
H: Ja. Mache ich aber nicht so gerne. Ich mache lieber im geschlossenen Rahmen.
MUM: Weil du dann dein eigenes Publikum nur da hast?
H: Ja, erstmal das, und dann ist da auch nicht so eine Hektik. Ich hasse Festivals.
MUM: Als Besucher…
H: Als Besucher auch. Man steht ja doch nur ‘ne Stunde vor’m Klo.
MUM: Und dann ist es auch noch vollgeschissen, das kennt man ja.
H: Hmm.
MUM: Arbeitest du, wenn du Songs erarbeitest, eigentlich auch mit Buddy und Peter zusammen?
H: Entweder entsteht ein Song auf der Bühne, dann mache ich kurze Angaben, oder ich mache das schon alleine und üb’ dat dann mit den Jungs ein.
MUM: Du würdest aber schon sagen, dass ihr ein Dream Team seid, aufeinander eingespielt eben?
H: Ja. Ich kann auf der Bühne improvisieren, und dafür muss man einen eben gut kennen. Das ist mit denen möglich und mit vielen anderen eben nicht. das hängt aber auch von der Tagesform ab. Peter ist manchmal tüttelig, ne. Oder Buddy Casino hat schlechte Laune, das kann auch passieren.
MUM: Aber wie du damals mal angekündigt hast, Peter wäre zu alt – ist er nicht, oder?
H: Nö. Ich mein’, der ist jünger, wie er aussieht.
MUM: Fragt sich nur, ob er nun so alt aussieht oder so jung ist. Wie kommst du auf den Titel “Hefte raus – Klassenarbeit!”?
H: Weiß ich gar nicht. Das passt so gut zu dem Foto.
MUM: Hast du gerade noch andere Projekte – Filme, Bücher?
H: Nur eine Buch.
MUM: Was für eines?
H: Einen Kriminalroman schreibe ich wieder, meinen vierten. “Kommissar Schneider ermittelt”, ne!?
MUM: Wann kommt der raus?
H: Im Frühjahr.
MUM: Aber Filme sind keine geplant?
H: Nö.
MUM: Oder irgendwas anderes, was Neues?
H: Nö. Oder? Lass mal überlegen. Urlaub.
MUM: Urlaub ist immer gut. Bist du jemand, der wegfährt, oder igelst du dich ein?
H: Ich war neulich sogar schonmal weggefahren. Nach Spanien. Vielleicht fahr’ ich nächste Woche auch wieder weg. Eigentlich müsst’ ich zu “Hermann und Tiedjen”, das ist so eine Fernsehsendung in Hamburg, aber ich kann nicht, weil ich in Urlaub bin.
MUM: Da kannst du dich aber frei bewegen?
H: Ja, im Ausland kennt mich ja keiner, in Spanien. Man muss ja nicht nach Sevilla fahren.
MUM: Wie kommt es eigentlich, dass man über den Privatmenschen Helge Schneider in der Yellow Press nie was liest? Lassen die dich in Ruhe?
H: Ich will mit denen eigentlich nichts zu tun haben, das ist ja so langweilig.
MUM: Die wollen aber bestimmt was mit dir zu tun haben.
H: Jo, lass se doch.
MUM: Kriegst du das so gut hin, dass die bei dir nicht auf der Matte stehen?
H: Ja, weil die Angst haben. Dat, was sie noch hinkriegen, ist dat da mit dem Welfenprinzen sich anzulegen.
MUM: Na der ist ja auch nicht so ein hohes Tier wie du.
H: Ja, mit mir, da legt sich keiner an, habe ich schon gemerkt. Ist auch gut so.
MUM: Lässt du Festivitäten dann auch eher aus, ja?
H: Ja, auf jeden Fall.
MUM: Du lässt dich also nicht mit Jenny Elvers blicken.
H: Nee, bloß nicht.
MUM: Magst du es, in Fernsehshows aufzutreten?
H: Das mache ich ganz gerne. Fernsehen finde ich schon ganz gut, aber nicht alles, eigentlich mehr ernsthafte Sendungen. Also, wat weiß ich – gibt’s ja kaum noch, ernsthafte Sendungen, soll ja alles lustig sein. Dat find’ ich dann so ein bisschen langweilig.
MUM: Aber du spielst das doch auch gerne mal mit.
H: Nö, ich sag’ auch viel ab.
MUM: In einer Sendung wie “TV Total” zum Beispiel gibst du dir aber auch nicht unbedingt Mühe, Anspruch rein zu bringen.
H: Wenn so eine Schallplatte rauskommt, dann löchern die mich von der Plattenfirma, ob ich da nicht hingehen will. Dann sag ich: “Na gut, Stefan Raab, wir kennen uns ja auch”, und dann gehe ich da hin und bereite mich auch nicht vor, genauso wie bei Harald Schmidt. Aber ich muss das auch nicht machen, sage jetzt auch wieder was ab.
MUM: Einen ernsthaften politischen Talk, würdest du den auch mal mitmachen, oder passt das nicht zur Person Helge Schneider?
H: Och, das passt eigentlich sehr gut zur Person Helge Schneider, aber ich habe da nicht so die Lust. Im Fernsehen wird alles nur so angerissen, in diesen bunten Gazettensendungen wie “Sabine Christiansen”. Da wird was angerissen, dann wird sich kurz drüber unterhalten, aber das ist nicht so interessant. Da hast du einen eineinhalb Stunden Senderahmen, man fängt an zu diskutieren, und mittendrin musst du wieder aufhören. Das ist doch blöd. Da kommt dann Werbung immer, das ist das Letzte, finde ich.
MUM: Wann hast du eigentlich angefangen, aufzutreten?
H: So ca. 30 Jahre ist das schon her.
MUM: Damals alleine, oder wie?
H: Ja, alleine.
MUM: War das vom Stil her völlig anders.
H: Nee, dat hat schon so angefangen. Quatschmachen. Klavierspielen und Quatschmachen.
MUM: Musste sich das Publikum damit erst einmal anfreunden?
H: Ja. Als ich meinen ersten Auftritt in München hatte, da war eine Person im Zuschauerraum. Am zweiten Abend waren es drei, am dritten sechs. Jo, und so kam das dann.
MUM: Inzwischen hast du ja das Publikum soweit, dass sie dich in derselben Stadt gerne auch mehrere Abende sehen wollen, dass sie mehrmals kommen. Da hat man dann doch sicher den Ehrgeiz, auch jeden Abend was Neues bieten zu wollen.
H: Den habe ich sowieso immer, weil ich immer denke, das seien die selben Leute.
MUM: Gibt es Helge-Hardcore-Freaks, die mitreisen?
H: Gibt es auch, ja, aber mehr im Hintergrund. Man wird ja heutzutage auch sehr abgeschirmt von seinem Publikum. Das ist ja unglaublich, das ist ja wie im Krieg. Da kommt ja die eigene Tochter nicht hinter die Bühne, wird ja von Security zusammengeschlagen. Der eigene Opa.
MUM: Wenn du vor dem Publikum stehst, gibt es Abende, wo du gar keine Lust hast, aufzuhören, wo du dann noch ein Stündchen dranhängst?
H: Nö, das geht einfach nicht. Beim letzten Auftritt in Leipzig habe ich beim letzten Stück geschwankt. Das halte ich nicht durch. Kreislaufmäßig und energiemäßig kann man das nicht durchhalten. Ich habe schon eine Wahnsinnskondition gegenüber anderen Künstlern. Ich sag mal, Udo Jürgens wäre nach eine halben Stunde zusammengeklappt.
MUM: Aber Peter ist noch besser drauf, meinst du?
H: Peter? Peter ist super drauf.
MUM: Wie ist das, wenn du dir deine Sachen anhörst. Lachst du da drüber, oder sagst du dir: “Was hab’ ich da bloß wieder für’n Scheiß erzählt?”?
H: Also dat jetzt hier zum Beispiel, das habe ich mir einmal angehört. Ich habe da nicht drüber gelacht, weil ich das ja kenne. Ich kann da drüber lachen, aber ich habe da nur zugehört. Ich habe überlegt, was man da wegschneiden muss, wo Pausen sind, und dann habe ich das freigegeben. Dann habe ich das nie wieder gehört, ich würde das auch nicht wollen.
MUM: Ist denn auch mal wieder ein Studioalbum geplant?
H: Nö, da habe ich gar keine Lust drauf. Aber ich mache für andere Leute was. Ich hatte neulich so eine Sängerin da, die Eva. Oder dann habe ich für so einem Mundharmonikaspieler Studioaufnahmen gemacht. Ich habe so ein altes Röhrenstudio, weißt du? Für mich selber? Wenn ich mal wieder einen Film mache, dann Filmmusik, aber sonst? Ich glaube nicht. Man muss nicht immer alles wiederholen. Die Zeit damals, wo ich “Katzeklo” im Studio gemacht habe, diese Improvisationen, das war eine schöne Zeit. Heute muss man das auf einmal alles noch perfekter machen. Damals habe ich mit einer kleinen Hi-8-Videokamera einen Film gedreht, heute verlangen sie mindestens 16mm, wenn nicht 35mm, da mache ich nicht mit. da hast du eine Vorbereitungszeit von drei Wochen, dann musst du das alles schneiden. Das ist nicht mehr spontan, das mache ich nicht mit. Mein Hauptding ist, auf der Bühne aufzutreten, und die Liveplatte ist ein Dokument davon. Aber ins Studio gehe ich mit Sicherheit nicht mehr. Ich mache wahrscheinlich auch gar keine Platten mehr, aus bestimmten Gründen. Vielleicht reiße ich das Studio auch ab. Das hat jetzt mit Interviews zu tun, vielleicht.
MUM: Weil du darauf keine Lust mehr hast.
H: Ja, man muss ja immer, wenn man einen neue Platte rausbringt, muss man so Interviews machen. Man rast von einer Stadt zur anderen – darauf fall’ ich nicht nochmal rein. Darum mache ich auch keinen Film mehr. Aber Bücher schreibe ich immer noch. Da mach’ ich dann so Lesetourneen, da lese ich aus den Büchern, das ist immer schön. Das mache ich unheimlich gerne. Aber Filmgeschäft und Schallplattengeschäft mache ich überhaupt nicht gerne. Das ist viel zu viel Arbeit geworden. Seitdem es Internet gibt und seitdem die Leute nur noch Fernsehen gucken, hat sich da so wat verändert, dass du unglaublich die Werbetrommel rühren musst für eine Schallplatte, und noch mehr für einen Film, damit die Leute ins Kino gehen.
MUM: Du musst das doch gar nicht so extrem, dich kennt man doch.
H: Doch, ich muss dat immer mitmachen. Jeder Produzent hängt sich an mir auf, weil ich der einzige bin, der mich vertreten kann, die können das ja nicht. Denen sind ja phantasiemäßig alle Hände gebunden. Die haben ja keine Zeit dafür. So ein Filmproduzent sitzt ja nur zuhause und zählt Geld.
MUM: Das machst du nicht?
H: Nö. Ich guck’ nur auf mein Konto und denk’: “Oh, jetzt muss ich aber arbeiten”, weil, ich mach’ ja Minus. Wenn du so einen Beruf hast wie ich, dann musst du ja wahnsinnig Steuern zahlen. Und wenn du da mal ein halbes Jahr aussetzt, dann bist du wahnsinnig zurück. ich habe zum Beispiel ein dreiviertel Jahr auf sehr viel Geld vom Finanzamt gewartet, weil ich zuviel gezahlt hatte. Deshalb habe ich mir überlegt, vielleicht aus Deutschland weg zu ziehen und gar keine Steuern mehr zu bezahlen hier, was ja auch ganz günstig wär für mich. Aber was ist dann mit den alten Leuten?
MUM: Nett, dass du an Peter denkst. Aber ab und an immer mal eine Liveplatte rauswerfen, das ist doch optimal. Das ist doch auch das, was das Publikum am liebsten hören will.
H: Wenn man sagen könnte, die Interviews jetzt wären gleich auch mit für die nächsten zehn Livealben, dann würde ich das machen.
MUM: Kannst du doch sagen, weil die Fragen ja nicht so anders aussehen werden, wenn es nur noch Livealben gibt.
H: Nächstes Jahr mach’ ich nochmal eine Solo-Tournee, dann auch ein Livealbum solo. Danach das Jahr mache ich nochmal wieder mit Peter und Buddy. Da mache ich dann auch ein Livealbum, das wäre dann das dritte. Und dann setze ich mich zwei Jahre zur Ruhe und gucke, ob ich irgendwas anderes mache. Dachdecker oder irgend sowas mach’ ich dann. Da kauf ich ein Grundstück, dann mach ich irgendwie sowas. Oder Linde-Gas vermieten.
MUM: Meinst du, du könntest das, dich einfach zur Ruhe setzen?
H: Nö, ich muss immer arbeiten, immer was tun.
MUM: Wenn du aber keinen Bock mehr hast auf das ganze Business, warum hörst du nicht auf?
H: Nö. Ich kann mir vorstellen, immer mit meinem Flügel durch die Gegend zu fahren und zu spielen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, das mit der Band zu machen, weil ich da zu viel Verantwortung habe, und mir wird die Verantwortung auch nicht abgenommen. Das hängt alles an mir. Da ich für mich alleine auch verantwortlich bin, werde ich auch alleine wieder auf Tournee gehen, und das dann so dosieren. Die Veränderung muss ich haben. Um kreativ zu sein, muss ich zwischendurch alleine auf Tournee gehen. Da habe ich dann die meisten Ideen.
MUM: Inwiefern hast du eine große Verantwortung für die Band? Die sind doch sicher froh, dich zu haben.
H: Ja, aber du hast trotzdem Verantwortung. Mann muss vorher klipp und klar sagen: “Wir gehen auf Tournee, von dann bis dann”, und dann muss man das auch tun. Alleine könnte ich sagen: “Ach, weißte wat, lass uns mal Dezember nicht spielen”, und das verstehen die nicht. Alleine versteh ich dat. Wenn ich ehrlich wäre, würde ich sagen: “Komm, wir spielen mal dieses Jahr gar nicht mehr”, aber dat geht nicht.
MUM: Das heißt, es würde deiner Laune entsprechen momentan.
H: Ja, weil ich hab’ sehr viel gespielt. Und das Drumherum hier, wenn man eine Platte rausbringt, ist sehr anstrengend. Aber nächste Woche geht es mir wahrscheinlich wieder besser. dann bin ich nicht mehr so gestresst und freue mich, das Jahr mit Peter und Buddy zuende zu bringen, Konzerte zu spielen. Nur möcht’ ich nichts anderes mehr machen dann.
MUM: Wie ist das, wenn du dann so einem Abend auf der Bühne stehst und mal wirklich schlecht drauf bist?
H: Das ist nie so. Dazu sind mir die Leute zu wichtig, die da hin kommen, also mein Publikum. Selbst wenn ich persönlich Schwierigkeiten habe, der Auftritt wird dadurch nicht benachteiligt.
MUM: Siehst du dich eigentlich als Comedian oder als Musiker?
H: Ja, das weiß ich leider auch nicht.
MUM: Wie siehst du die ganzen aufstrebenden Comedians?
H: Das ist ein ganz anderer Beruf. Da hab’ ich kein Verständnis für, da habe ich nichts mit zu tun.
MUM: Worüber lachst du?
H: Das kann ich dir in einem Satz nicht sagen. Ich lache viel, vor allem auch viel über Sachen, wo andere Leute nicht drüber lachen. Dafür lache ich über Sachen, wo andere drüber lachen, oft nicht. Hört sich ein bisschen kompliziert an, ist aber richtig. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
MUM: Gibt es denn auch mal Anfragen für Kooperationen, die du ablehnst?
H: Hmm, ist auch schonmal passiert, aber ich weiß nicht mehr, wat dat war. Die Ärzte wollten mit mir ein Lied singen, oder – wie heißt dat nochmal – wie heißen die denn nochmal – nicht Deutsch Amerikanische Freundschaft.
MUM: Das wäre doch mal was.
H: EAP oder so.
MUM: EAV.
H: Ja, Erste Allgemeine Verunsicherung, sowat. Ich weiß nicht. Ich bin zufrieden mit meinen Liveauftritten und dem, was dazugehört, die verdammte Fahrerei und die Hotelzimmer. Aber man darf nicht zuviel auftreten, sonst verbraucht man sich.
MUM: Was hörst du privat für Musik?
H: Gar nichts.
MUM: Keine Zeit, oder keine Lust?
H: Ich höre das Geplätscher, ich habe da so ‘nen Brunnen. Ich höre eigentlich gar nichts mehr. Hühner, Hundebellen, ab und zu spiel ich selber Klavier. Ich lege nie Platten auf.
MUM: Wohnst du ländlich?
H: Nö, ist nicht ländlich. Türkische Großbäckerei ist vor der Tür.
MUM: Wenn du sagst, die Ruhe ist dir wichtig, könntest du es dir vorstellen, mal auf einen Bauernhof zu ziehen oder so?
H: Nein, ich find’ Stadt gut, nur habe ich keine Lust, mir zuhause Platten aufzulegen. Ich habe das früher gemacht. Ich bin jetzt 45. Dat geht nicht mehr. Ich kann das nicht mehr hören. Ich kann das nicht ertragen. Das nervt mich. Je älter ich werde, umso mehr wende ich mich von den Konserven ab. Klar habe ich früher Sonny Rollins gehört, und Jazzmusik habe ich aufgelegt, um davon zu lernen, darauf habe ich aber jetzt keine Lust mehr. ich würde mir nie ‘ne Platte auflegen. Extra die Arbeit machen, den CD-Player aufzumachen, das Ding da rein zu tun. Dann läuft dat Ding, und du musst die richtige Lautstärke finden…
MUM: Ja, das ist schon anstrengend.
H: Ja, das ist total anstrengend. Dann ist das Ding ausgelaufen und fängt vielleicht nochmal von vorne an. Oder man muss eine neue Platte reinmachen, ist doch furchtbar, total nervend. Ich spiel lieber Tischtennis, das ist schöne Musik.
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MUM: Mucke und mehr
H: Helge Schneider