Heldin
Darsteller: Leonie Benesch, Aline Beetschen, Urs Bihler, Jürg Plüss
Regie: Petra Volpe
Dauer: 92 Minuten
FSK: freigegeben ab 6 Jahren
Website: tobis.de/titel/heldin
Facebook: facebook.com/TobisFilm
Instagram: instagram.com/tobisfilm
Kinostart: 27. Februar 2025
Der Ausdruck „Helden des Alltags“ ist schon lange zu einem geflügelten Begriff geworden. Und besonders in der gar nicht so weit zurückliegenden Coronazeit war gerade die Leistung der Mitarbeiter in der Krankenpflege gar nicht hoch genug einzuschätzen, die dafür von offizieller Seite mit einem Lob und einem feuchten Händedruck honoriert wurden. Dass nach den anerkennenden Balkon-Ovationen nicht viel passieren würde, war nicht anders zu erwarten, zu schwach ist einfach die Lobby der oft sogar prekär Beschäftigten. Das ist auch der Schweizer Regisseurin Petra Volpe („Die göttliche Ordnung“) nicht verborgen geblieben, die mit ihrem gerade erst im Berlinale Special vorgestellten, ernüchternden Drama „Heldin“ den Finger in die Wunde legt und allen Alltagsheld:innen in der Pflege ein Denkmal setzt.
Wir treffen Krankenschwester Floria (Leonie Benesch), wie sie gutgelaunt nachmittags ihren Spätdienst auf der Onkologie eines Schweizer Krankenhauses antritt. Ein kurzer Plausch in der Umkleide darf noch sein, und ab geht es auf die Station, wo schon das eilige Übergabegespräch mit der Frühschicht nichts Gutes verheißt. Die Flut an patientenspezifischen Informationen scheint für Floria Routine zu sein, bei uns aber löst die im Trubel des Schwesternzimmers schon mal ein leichtes Gefühl der Überforderung aus. Fast beiläufig erfährt sie von ihrer Kollegin auch noch, dass sie heute nur zu zweit für über zwanzig Patienten zuständig sind – ihre Reaktion lässt vermuten, das ist kein Einzelfall.
Dann saust sie auch schon über die Gänge zu ihrer Einführungsrunde durch die Zimmer, immer hautnah verfolgt von der Kamera, die uns früh spüren lässt, ab jetzt gibt es keinen Moment der Entspannung mehr. Dabei kann sie anfangs rein gar nichts aus der Ruhe bringen, nicht das Stationstelefon in ihrer Tasche, das ihr ständig neue Sonderaufgaben stellt, und auch nicht die Angehörigen, die verständlicherweise Auskunft erbitten. Ja, selbst für die junge Schwesternschülerin, die mal in die Praxis reinschnuppern will, fühlt sie sich motiviert als Ansprechpartnerin zuständig.
Es wirkt fast wie eine Dokumentation, so authentisch führt uns Regisseurin Volpe hier mit Floria ein in den stressigen Pflegealltag. Und man merkt schnell, die wunderbare Leonie Benesch weiß ganz genau, was sie tut, hat sie doch zur Vorbereitung tatsächlich mehrere Tage im Krankenhaus hospitiert. So ganz nebenbei macht sie ihren guten Geist Floria sofort zur absoluten Identifikationsfigur, die ungeheuer empathisch und respektvoll auf nahezu alle Anliegen eingeht und obendrein sogar die Kids einer Patientin mit Süßigkeiten versorgt. So stellt man sich eine ideale Pflegekraft vor.
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(© TOBIS Film GmbH)
Doch bald erhöht Volpe die Schlagzahl, stellt Herausforderungen, die selbst die routinierte Floria mit übermenschlichem Einsatz nicht bewältigen kann. Denn kaum hat sie ihre Runde begonnen, muss auch schon ein Patient aus dem OP abgeholt werden, eine andere benötigt dringend eine Infusion, eine Demente muss wie ein Kind beruhigt werden und als Krönung beschwert sich auch noch der bornierte Privatpatient aus dem Einzelzimmer über die Missachtung seiner Pfefferminztee-Bestellung. Wir spüren praktisch unmittelbar, wie minütlich das Stresslevel wächst und sich Floria ihrer Belastungsgrenze nähert, an der wir uns schon ganz am Anfang befunden hätten.
Was aber die verantwortungsvolle Pflegerin und damit auch uns am meisten mitnimmt, ist der Vertrauensverlust, den sie empfindet, wenn sie Zusagen, sei es auch unverschuldet, nicht einhalten und damit ihren selbst auferlegten Pflichten gegenüber ihren Patienten unter der hohen Arbeitslast nicht nachkommen kann. Bei ständig wachsendem Druck wird dann auch die Schülerin schon mal ihr ganz untypisch angeblafft, verliert sie bald komplett die Contenance und fast unvermeidlich kommt es selbst bei der äußerst gewissenhaften Floria zu einem fatalen Fehler.
Unglaublich mitreißend, wenn auch etwas überspitzt und von einem manchmal ein wenig zu theatralischen Soundtrack unterstützt, gelingt es Regisseurin Volpe, exemplarisch mit einem einzigen, auf anderthalb Stunden komprimierten Dienst, die katastrophalen Zustände in der Krankenpflege aufzuzeigen. Die schultert Leonie Beneschs Sympathieträgerin hier aufopferungsvoll und ist durch die gewaltige Überlastung am Abend doch am Ende ihrer physischen und auch psychischen Kräfte, was für sie zu Hause kaum zu verarbeiten ist. Das ist nicht nur ungeheuer ernüchternd, sondern würdigt mit „Heldin“ Floria vor allem die tägliche, kaum dauerhaft zu erbringende Leistung des chronisch unterbesetzten Pflegepersonals. Denn selbst bei der so engagierten Floria hält sich am Ende des auslaugenden Tages die Vorfreude auf die nächste Schicht in Grenzen.
Trailer:
Bewertung: 9 von 10 Punkten
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