Was gehört zu Pfingsten wie Babs zu Boris (har, har)? Richtig, “Rock am Ring” (und das Pendant “im Park” im Nürnberger Frankenstadion, um welches es hier aber nicht gehen soll). Natürlich war es auch 2001 wieder so, dass Massen zum Nürburgring in die Eifel pendelten. Die Hoffnung, dass die üblen Wettervorhersagen nicht eintreffen würden und eine plötzliche, unerwartete Schönwetterfront das Wochenende zu einem richtig guten werden lassen würde, trug wohl jeder im Herzen – geholfen hat es letztendlich nichts. Am Donnerstag waren die Zeltplätze abends trotzdem völlig voll – ein Zustand, den sie mit einer Großzahl der Anwesenden teilten. Der zu einem Festival wie Nicole Kidman zu Tom Cruise gehörende (har, har), weit erhöhte Alkoholpegel konnte so wenigstens auf die Witterungsbedingungen geschoben werden, obwohl es bei prächtiger Hitze keinesfalls anders ausgesehen hätte. Im Gegenteil, die Stimmung war zwar gut, jedoch nicht wirklich ausgelassen, dafür war es einfach zu kühl.
Freitag hatte man – ob man sich nun mit jeder Menge Pullovern und Mütze eingehüllt oder eher leicht bekleidet in den Schlafsack gehüllt hatte – wenigstens schon einmal eine der mindestens drei eisigen Nächte hinter sich. Vor allem aber hatte man die Konzerte vor sich – das Festival konnte beginnen. Wir entschieden uns dafür, die Hauptbühne zu unserem Ziel zu machen, auf der man ein gutes, buntes Programm an den Start gebracht hatte. K’s Choice aus Belgien eröffneten um 15.15 Uhr das Festival und spielten vor nicht unbedingt einer Masse, aber doch einer guten Menge an Zuschauern ein solides Set an ruhigem, oft melancholischem Folkpop, wobei Sängerin Sarah Bettens nicht nur stimmlich, sondern auch mit ihrer positiven Ausstrahlung überzeugen konnte. Leider dauerte es nicht lange, bis sie sich am Knie verletzte, trotzdem wurde das Konzert zuende gebracht, mit einer auf dem Bühnenrand sitzenden Frontfrau. Ach ja, nicht zu vergessen: die Sonne war heraus gekommen und ließ für ein paar Stunden die Kälte der Nacht in Vergessenheit geraten.
Um 16.15 Uhr folgten die Queens Of The Stone Age, letztes Jahr auch schon am Start, damals allerdings noch im Talent Forum, der kleinesten der drei Bühnen (okay, vier Bühnen, das House of Comedy gibt es ja ebenfalls). Eine neue Platte der Jungs gab es inzwischen zwar nicht, trotzdem war das Debüt der aus einigen Mitgliedern von Kyuss hervor gegangenen Formation anscheinend gut genug (war es ja auch), um sie noch einmal einzuladen und diesmal auf die großen Bretter der Centerstage zu stellen. Der Gig der Queens litt dann leider aber an diversen Soundproblemen, so dass ihr Stonerrock nicht so recht zur Geltung kam.
Einen Mangel an Abwechslung konnte man in Bezug auf die große Bühne nicht beklagen, folgte nun doch HipHop. Outkast hatten sich mit nur einem Song, “Ms. Jackson”, monatelang in jedermanns Ohr festgesetzt. Nun bewiesen die schwarzen Rapper, dass sie viel mehr auch nicht auf dem Kasten haben, mangelte es den meisten der dargebotenen Songs doch an wirklicher Klasse. Dem inzwischen schon recht zahlreichen Publikum war dies egal, zu den zweifelsohne fetten Beats wurde gehüpft und gejubelt, die Stimmung war gut. Mit einer temporeichen Mixtur aus HipHop und Metal verabschiedeten sich Outkast, um den Manic Street Preachers Platz zu machen, was auch gut so war. Die drei Jungs aus Wales gehören seit Jahren zu der Riege der beständig lohnenswerten Livebands und bewiesen diesen Status nun einmal mehr. Nach dem etwas schmalzig mainstreamigen Vorgänger hatten die Manics mit “Know Your Enemy” wieder ein abwechslungsreiches, gutes und knackiges Rockalbum aktuell veröffentlicht und zelebrierten nun eine Mischung aus selbigem und alten Hits. Ob “Found That Soul”, “A Design For Life” oder eben auch Songs wie “If You Tolerate This”, die Waliser legten einen starken Auftritt hin.
Weiter ging es mit Alanis Morissette, deren neues Album zwar noch einige Monate auf sich warten lässt, die die Gelegenheit aber natürlich nutzte, bereits einige neue Stücke vorzustellen. Vor der Bühne war es inzwischen natürlich rappelvoll, und auch wenn aufgrund der stellenweise vorhanderen Verquertheit ihrer Stücke sicher nicht jeder ein Fan der Songwriterin ist, so überzeugte sie doch die meisten durch Ausstrahlung und Stimme. Ein gutes Konzert von Alanis, das die aufkommende Kälte noch etwas in den Hinterkopf verbannte.
Es muss schon einen guten Grund geben, sich Tool auf der AlternaStage, der mittelgroßen Bühne, entgehen zu lassen – Radiohead sind mit Sicherheit solch ein Grund. Die Jungs um Thom Yorke wollten eigentlich keine großen Bühnen mehr betreten und waren daher zuletzt nur in Berlin an zwei Abenden in einem kleinen, bestuhlten Saal aufgetreten, und dies auch noch vor der Veröffentlichung ihres Albums “Kid A”. Nun eine Überraschung nach der anderen – Radiohead haben nicht nur urplötzlich wieder Lust auf Massenkonzerte, sondern schießen mit “Amnesiac” auch noch eine weitere Platte auf den Markt. Wer die Band kennt, der weiß, dass man ihre Musik entweder liebt oder damit wenig anfangen kann, schließlich ist sie extrem experimentell und setzt auf Intelligenz und Individualität in Texten und Musik, wobei letzteres in viel Soundgetüftel und ungewöhnlichen Takschemata zum Ausdruck kommt. Thom Yorke wackelte wieder einmal wie Rumpelstilzchen, während er in unnachahmlicher Manier alte und neue Songs mit seinen Mannen zum besten gab, in rote und blaue Lichter gehüllt, von Wind und Nebelschwaden (aus der Maschine, ganz so übel meinte es der Wettergott dann doch nicht) umgeben. Großartiges Konzert einer großartigen Band, die es dem “Rock am Ring”-Besuchern aber nicht gönnte, mit “Creep” ihren Kulthit zu hören, das Stück wurde wieder einmal (das kennt man ja schon) ausgelassen. Apropos Wettergott – dass es ihn trotz der nun doch zweifelsohne existenten Kälte doch gibt, bewies die Tatsache, dass die ersten Regentropfen genau in dem Moment zu fallen begannen, als Radiohead ihren Gig beendet hatten.
Um diesen Bericht mal etwas abzukürzen, gehe ich jetzt mal nicht mehr auf jede Band im einzelnen ein. Der Samstag stand vor allem unter einem Eindruck: ist das kalt! Die Nacht war schon der Horror, der Tag sollte nicht viel Besserung bringen. “Rock am Ring 2001” wurde durch arktische Temperaturen zum ungemütlichen Event, und einige Besucher entschlossen sich sogar, das Festival aus Gänsehautgründen vorzeitig zu verlassen. Zur Musik. Es hatte sich herum gesprochen, dass Papa Roach ihren Auftritt in der Nacht zum Samstag aufgrund von anhaltenden Soundproblemen nach kurzer Spieldauer abgebrochen hatten. Veranstalter Marek Lieberberg wies in der Pressekonferenz zum Festival darauf hin, dass die Verantwortlichkeit für die Probleme in Reihen der Papa Roach-Soundtechniker lag, also die äußeren Umstände oder das Festivalequipment nicht Schuld trugen. Der Samstag stand auf der Alternastage im Zeichen der deutschen HipHopper, mit Acts wie Samy Deluxe, Torch, Afrob oder den Söhnen Mannheims. Im Talent Forum spielten mit Uncle Ho, 4Lyn und den Emil Bulls hoffnungsvolle Nachwuchsbands des Landes auf, später auswärtige Bands wie Amen oder Mudvayne. Auf der Hauptbühne kurbelten Briskeby, Turin Brakes, Toploader und Reamonn (deren Sänger – stets mit einer Bierpulle ausgerüstet – den Abend vorher noch ständig den Pressebalkon per Kickboard rauf und runter rollte) die Stimmung an, bevor mit Anastacia der erste weltweit bekannte Topact auftrat. Die Sängerin war anscheinend Regenfestivals nicht so recht gewohnt und versuchte daher, mit Regenjacke und Handtuch ihr Aussehen irgendwie in gewünschtem Zustand zu halten – ja, ja, die Frauen!
Es folgten HIM. Die Jungs um Ville Vallo boten einen soliden Auftritt und ließen natürlich ihre letztjährigen Hits wie “Join Me” nicht vermissen. So richtig warm wurde es einem aber auch jetzt nicht, dafür war es einfach zu eisig, beinahe schon nordisch. (Man beachte die in stundenlanger Denkarbeit ausgetüftelte, grimmepreiswürdige Überleitung zur nächsten Band). Apropos nordisch, den Abschluss lieferten auf der Centerstage am Samstag die Nordlichter von A-ha. Nach ihrem erfolgreichen Comeback im letzten Jahr ließen Morten Harket, Magne Furuholmen und Pal Waaktaar-Savoy ihrer Tournee nun noch etwas Festivalpräsenz folgen und boten einen gelungenen Querschnitt aus neuen Songs und Klassikern, die jeder noch im Ohr hat. Das sollte für Samstag dann auch reichen, schließlich musste man sich noch für die Nacht einmummeln und warm trinken.
Den Sonntag-Vormittag nutzten viele der Festivalbesucher, ihre Zelte schon einmal abzubauen und ins Auto zu werfen, damit man nachts dann gleich abhauen kann, bevor man nochmals mit Eiszapfen an der Nase aufwachen würde. Die Stimmung war irgendwie auf den Nullpunkt gesunken, nur vereinzelt ließen sich Gruppen nicht die Laune vom Wintereinbruch (übertreibe ich etwa???) verderben. Von einem Übel zum nächsten. Die Veranstalter ließen verlauten, dass Slipknot, die brachialen Masken-Männer aus den Staaten, ihren für 1 Uhr nachts geplanten Auftritt nicht spielen würden. In einer Pressemitteilung hieß es hierzu: “Anlage und Band erreichten das Nürnberger Festival aus bisher unbekannten Gründen nicht rechtzeitig. Trotz umfassender Bemühungen … war es nicht möglich, die Gruppe oder Mitglieder ihrer technischen Crew zu lokalisieren. Bis Samstag gab es keinen konkreten Hinweis auf den Aufenthaltsort der Band. Später wurde bekannt, dass sich Slipknot vertragswidrig zur Rückreise in die USA entschieden hatten” Nun gut, um es kurz zu machen: bei Slipknot gab es Zoff, daher ist man in die Staaten abgehauen. Marek Lieberberg machte auf der Pressekonferenz klar, dass man die Band natürlich verklagen werde.
Zu denen, die auftraten. Boy Hits Car eröffneten auf der Centerstage, gefolgt von OPM – und es gab sogar etwas Sonnenschein zur kalifornischen Skatermucke. Danach präsentierten sich 3 Doors Down in überzeugender Manier – starke Musik, mit viel Ausdruck vorgebracht, nicht nur beim Hit “Cryptonite”. Linkin Park gaben den Kickoff für die härtere Riege, mit einem sehr geilen, energetischen Konzert, das zu Recht gut gefeiert wurde. Nach ihnen lieferte Kid Rock seine Posershow ab, mit knapp bekleideten Mädels in zwei Käfigen, einigen Pyroeffekten, viel Selbstbeweihräucherung und Musik zwischen Metal-Rock und ruhigem Country.
Höhepunkt des Abends – Guns ‘n’ Roses hatten ja bekanntlich lange abgesagt (ob sie allerdings sonst Höhepunkt gewesen wären, ich weiß ja nicht) waren Limp Bizkit. Die Mannen um Fred Durst fuhren zu Beginn zu apokalyptischem Grollen eine Riesenfahne langsam hoch und eine Stimme kündigte sie an. Dann lieferten Limp Bizkit ein großartiges Konzert ab, ließen es richtig knallen. Frontmann Durst suchte den Kontakt zum Publikum, holte einmal ein Mädel, dann gleich eine ganze Horde von etwa 30 Personen zu “My Way” auf die Bühne, wobei er sich von einem Zuruf eines Kerls provoziert fühlte, ihn zuerst in die Mangel nahm, dann nach dem Song von der Bühne werfen ließ. Ansonsten eine perfekte Show, die die Jungs aus Florida boten, mit allen Hits, die man erwarten konnte – zum Schluss auch noch mit sexy Tänzerinnen bei “Rollin'” gewürzt. Ein abschließendes Feuerwerk beendete das Festival – wenigstens für die Hauptbühne. Bleibt zu hoffen, dass “Rock am Ring 2002”, für das Marek Lieberberg Rammstein fest einplant und Depeche Mode sowie Santana für gut möglich hält, bei besserem Wetter stattfindet – dann bereits Mitte Mai, und da sah es dieses und letztes Jahr ja durchaus gut aus. Dieses Jahr aber gab es nur noch eine Devise: schnell ab ins Auto und nach Hause ins warme Bett…
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