Home MusikInterviews Robert Görl (D.A.F.) im Interview zu seinen jetzt veröffentlichten Demos aus Paris 1987 (04/18)

Robert Görl (D.A.F.) im Interview zu seinen jetzt veröffentlichten Demos aus Paris 1987 (04/18)

Autor: Tobi

Robert Görl feierte in den frühen 80er-Jahren zusammen mit Gabi Delgado als D.A.F. (Deutsch-Amerikanische Freundschaft) einige beachtliche Erfolge, ihr größter Hit “Der Mussolini” gehörte damals zu den Stücken, die auf keiner guten Fete fehlen durften. So richtig harmonisch lief das Ganze allerdings nicht ab, und so trennte sich das Duo 1982 erstmals, und nach einer gescheiterten Wiedervereinigung 1986 dann erneut.

Nach begonnenem Schauspiel-Studium in New York wurde Görl auf Grund der Tatsache, dass er nur ein Touristenvisum besaß, von den USA heim geschickt, und um seinen Wehrdienst nicht antreten zu müssen, floh er mit einem Synthesizer unter dem Arm nach Paris. Dort arbeitete er ein dreiviertel Jahr lang an Songs, zu einem Album kam es aber auf Grund eines tragischen Unfalls nie. Jetzt veröffentlicht er die alten Demos als “The Paris Tapes”, lies unsere Kritik und die ausführliche Entstehungsgeschichte hier. Zur Veröffentlichung stellen wir Robert einige Fragen.

Rober Görl "The Paris Tapes" Jetzt bestellen bei Amazon.de

“Ich wollte nicht, dass das Zeug in der Schublade bleibt – dafür sind die Sachen dann doch zu gut.”

MUM: Die Songs des nun erscheinenden Albums “The Paris Tapes” stammen aus der Zeit nach der ersten DAF-Trennung und nach deiner Zeit in New York. Das müsste also 1987 gewesen sein, oder?

RG: Ja, genau, 1987.

MUM: Wie kam es zu der Entscheidung, die alten Bänder jetzt noch zu veröffentlichen?

RG: Die waren einfach zu gut, diese alten Lieder. Ich habe die Original-Tapes aus Paris aufbewahrt und immer mal wieder angehört, und war immer wieder überzeugt davon, irgendwann muss ich das rausbringen. Vor einem Jahr habe ich sie das letzte Mal gehört und mich endgültig entschieden: die müssen raus. Dann habe ich sie Grönland angeboten, und jetzt kommen sie raus.

MUM: Damals wolltest du ja eigentlich weiter Schauspiel in den USA studieren, wurdest mit deinem Touristenvisum aber dann ausgewiesen. Außerdem hattest du die Bundeswehr an der Backe, die dich zum Wehrdienst einziehen wollte, und gingst daher nach Paris. War es also eher eine Frustentscheidung, wieder Musik zu machen?

RG: Nein, eine Frustentscheidung war es nicht. Ich war zwar sehr gefrustet, weil alles irgendwie schief lief und alles irgendwie nicht positiv war. Ich war also sozusagen ausgebrannt von dem Frust. Ein positiver Moment kam aber dazu, ich sah nämlich die Chance, neu anzufangen. Ich hatte mich zwar vom Acker gemacht vor der Bundeswehr, in Paris habe ich dann aber einen Neuanfang gesucht und den dann auch gefunden. Was dann kam, war kein Frust mehr. Ich habe zwar ein sehr isoliertes Leben geführt, während ich die Paris Tapes machte, aber ich fühlte mich dabei im Endeffekt sehr wohl.

MUM: Du hast damals mit einem Ensoniq ESQ-1 an Songs gearbeitet – ein geiles Gerät zu dieser Zeit. Wie sehr hat der Sound des Synthesizers die Songs beeinflusst?

RG: Es ist ja bekannt, dass Musikinstrumente auch viel mit der Musik zu tun haben. Musikinstrumente spielen immer eine Rolle, welches Ergebnis heraus kommt. Klar, du kannst auch Musik machen mit einem Joghurt-Becher und da drauf klopfen, dann machst du Plastik-Klopf-Musik. Wenn du einen Korg MS 20 hast, dann klingt das im Endeffekt nach einem Korg, auch wenn noch so sehr versuchst, anders zu klingen – das wird jeder erkennen, das ist irgendwie Korg-Musik. Aber das ist gut, damit lebt man ja eh. Wenn jemand Geige spielt, klingt es eben nach seiner Geige. Jedes Instrument hat einen großen Einfluss auf das, was raus kommt. Aber ich fand das Ensoniq-Teil schon sehr gut – was dann raus kommt, das hat mir schon gefallen. Mit den Klängen konnte ich echt was anfangen. Die Klänge vom Ensoniq  haben mich dann verführt und inspiriert, dass ich geradezu orchestral gearbeitet habe.

MUM: Mir gefallen “Part 3” und “Part 9” deiner Demos am besten, da sie am meisten Stimmung transportieren. Welches ist dein Favorit?

RG: Hmm, ein Favorit … ich habe jetzt die Parts nicht genau im Kopf. Ein Favorit ist, wo es ganz orchestral wird, ganz dramatisch – ich weiß leider nicht, was das für ein Part ist. Da wird die Nummer ganz, ganz breit, über mehrere Phasen, ganz breite, orchestrale Sounds. Das ist ein Favorit von mir, und der andere ist der, wo es so ganz zart ist, wie ein klassischer, ganz zarter Ballett-Tanz – ich weiß jetzt aber leider auch nicht die Part-Nummer.

MUM: Folgen die Parts eigentlich einer Ordnung, einer Dramaturgie oder Chronologie?

RG: Das Ganze folgt der Chronologie der tatsächlichen Aufnahmen. Da habe ich mich dann dran gehalten, als wir das gemastert haben, ich hatte die Tapes ja numeriert. Die Reihenfolge der Parts ist also wie in Paris aufgenommen, aber dramaturgisch spiegeln sie die jeweiligen Stimmungen wider.

MUM: Wen siehst du als Zielgruppe des Albums? Gegen heutige Sound-Standards fällt das Ganze natürlich mächtig ab, und auch die gebotenen Rhythmusschläge kommen recht eintönig daher. Ist das ein Album für alte oder auch neue D.A.F.-Fans, oder für Anhänger deiner Musik?

RG: Ich könnte mir da alle möglichen Leute vorstellen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich D.A.F.-Fans die Paris Tapes holen, weil sie ja auch wissen, dass ich damals die Musik gemacht habe und das hat ja eine eigene Handschrift, auch wenn das jetzt was ganz anderes ist. Robert Görl Soloarbeiten-Fans aber natürlich auch, ein neues Solo-Album. Ich glaube, dass das beide Gruppen gleichermaßen interessiert.

MUM: Da du ja auch Techno-Musik aufgenommen und als DJ gearbeitet hast – siehst du die alten Demos irgendwie auch klanglich in der Mitte zwischen D.A.F. und Techno?

RG: Die Paris Tapes sehe ich ganz separat, als ganz eigenes Ding. Deshalb war es mir auch so wichtig, dass die raus kommen, die haben ihren eigenen Platz.

MUM: Eigentlich wolltest du ja damals die Demos zu einem Album ausproduzieren, dann hattest du einen schlimmen Autounfall, bei dem du fast gestorben wärst. Ist es auch deshalb für dich wichtig, die Stücke noch zu veröffentlichen, weil ansonsten noch eine musikalische Wunde zurück geblieben wäre?

RG: Ja klar, das ist natürlich eine nostalgische Veröffentlichung, die jetzt 30 Jahre zurück greift. Na ja, Wunde ist jetzt vielleicht ein übertriebenes Wort, aber wie ich vorhin schon sagte, es ist mir schon wichtig, dass das raus kommt. Ich wollte nicht, dass das Zeug in der Schublade bleibt – dafür sind die Sachen dann doch zu gut.

MUM: Nach deiner Genesung wurdest du mehr als drei Jahre lang in Thailand Mönch in einem buddhistischen Kloster. Was war die wichtigste Erfahrung in dieser Zeit, und warum hast du dich dann irgendwann entschieden, wieder nach Deutschland zurück zu kehren?

RG: Um es ganz kurz zu fassen, die wichtigste Erfahrung auf diesem buddhistischen Weg, den ich in Thailand beschritten habe – aber nicht nur in Thailand, ich war auch im Nepal unterwegs, am Himalaya, in Nord-Indien, habe mich teilweise mit Mönchen zusammen getan, habe in verschiedenen Klostern gelebt, dann wieder alleine in Guest Houses u.s.w. – da habe ich noch gesucht, was das alles so bedeutet, habe das aber auch alles in Erfahrung gebracht. Die wichtigste Erfahrung aber, das kann ich in einem Satz sagen: Ich habe zu mir gefunden und wusste dann Bescheid.

MUM: War es für dich eine logische Entscheidung, dann nach der Rückkehr wieder zu musizieren? Hast du in Asien eigentlich auch irgendwie musiziert?

RG: In Asien habe ich keine Musik gemacht, das war sogar komplett weit weg. Ich habe nicht mal an Musik gedacht. Ich war so weit in der spirituellen Welt, und die hat mich auch komplett ausgefüllt – die war so interessant und auch so intensiv, was ich da alles erfahren habe, und gesehen, und gefühlt – wie gesagt, ich habe da auch zu mir selbst gefunden mit der Zeit. Wie war das mit der Musik nochmal?

MUM: Ob es eine logische Entscheidung war, nach der Rückkehr wieder Musik zu machen.

RG: Genau. Nach der Rückkehr nach Deutschland habe ich mich erst einmal bewusst entschieden, wieder in die weltliche Welt zurück zu kehren. Und in der weltlichen Welt gibt es für mich nichts Besseres als die Musik. Das war dann für mich ganz klar, das war wie 1 + 1 = 2. Wenn ich schon zurück gehe, werde ich auf alle Fälle wieder Musik machen. Was soll ich sonst machen?

MUM: Würdest du sagen, dass Musik auch eine Brücke zwischen den Welten ist, zwischen der spirituellen und weltlichen?

RG: Für mich schon. Musik ist irgendwie auch meine Erfüllung. Die spirituelle und buddhistische Welt erfüllt mich auch sehr, rein von der Balance und den Gedanken her, und wie ich auf gewisse Sachen reagiere – das gefällt mir schon sehr gut. Aber die Musik ist im Grunde auch ähnlich, das ist wie eine Parallele, aber die Musik ist dann doch ein weltliches Ding, sie ist ein bisschen verrückter, ein bisschen mehr crazy. Die Musik ist aber auch sehr frei. Wenn Spiritualität richtig ist, dann ist sie auch frei – da sehe ich die Freiheit in der Musik aber auch.

MUM: Dein letztes Album “Dark Tool Symphony” erschien 2007, nun hören wir Demos von etwas 20 Jahren davor. Was machst du heute musikalisch, wenn ihr euch nicht wieder gerade mal als D.A.F. wiedervereint?

RG: Ich arbeite seit vielen Jahren kontinuierlich. Ich habe ein Home-Studio, und da arbeite ich eigentlich immer an irgendwelchen Tracks, mal intensiver, mal mit mehr Pausen, weil ich bin auch oft in der Natur und so. Die meisten Sachen landen dann auf Festplatten, ich habe das alles, das Material. Ich habe mir schon gedacht, die Paris Tapes sind ja irgendwie auch sowas wie eine alte Festplatte, natürlich aber waren das Kassetten, damals gab es ja keine Festplatten. Die anderen Sachen, an denen ich jetzt arbeite, sind natürlich wesentlich neuer. Wenn du immer an irgendwelchen Ideen arbeitest, dann speicherst du die ab, und das meiste findet gar keine Veröffentlichung. Ich habe mir schon oft Gedanken gemacht: ‘Robert, was machst du eigentlich mit diesem ganzen musikalischen Zeug, was du in den Nächten aufgenommen hast, in diesen, vor zwei Jahren, vor sechs?’ Manchmal verbringe ich auch ein paar Tage und gucke mir die Festplatten an, numeriere sie, so dass eine gewisse Ordnung existiert. An manchen Tage denke ich mir: ‘Hey Robert, was machst du eigentlich mit so viel Musik? Die wird ja nie das Licht der Welt erblicken, außer für dich.’ Also Musik hab ich ganz viel.

MUM: Da die letzte Frage schon etwas ketzerisch andeutete, dass ihr ja als D.A.F. eine Art On-Off-Formation seid, die schon viele Reunions erlebte – wann steht die nächste an?

RG: Die Reunion hat es ja schon gegeben. Wir sind ja wieder zusammen, aber die Wahrheit ist, dass wir mit D.A.F. jetzt eigentlich nur eine Live-Band sind. Man kann nicht sagen, dass wir in einem kreativen Prozess sind, speziell Gabi und ich zusammen. Das haben wir vor einem Jahr mal für eine Single geschafft, da haben wir eine neue Single für diese D.A.F.-Box gemacht mit den Songs “Die Sprache der Liebe” und “Ich bin nicht da”. Das war gut, wir haben uns so abgecheckt gegenseitig, aber wie gesagt, das war die einzige Single, die wir in ganz vielen Jahren gemacht haben. Ich kann im Moment nicht hundertprozentig sagen, wann wir das nächste D.A.F.-Album machen. Das ist so in der Luft. Das ist nicht aus der Welt, also wir haben schon einmal drüber gesprochen, dass wir erneut was auf Platte machen wollen, aber wir haben kein Datum, wir haben uns nicht festgelegt, wann.

MUM: Welches sind deine drei Lieblingsalben aller Zeiten?

RG: “II” von Led Zeppelin, “Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band” von den Beatles und alles von Otis Redding.
_____________________
MUM: Mucke und mehr
RG: Robert Görl

Mehr Informationen zu Robert Görl findet man auf www.robert-goerl.de und facebook.com/goerl.

Related Articles