Home MusikCD-Rezensionen Deaf Havana gleiten mit “Rituals” in den Mainstream-Pop ab

Deaf Havana gleiten mit “Rituals” in den Mainstream-Pop ab

Autor: Tobi

Deaf Havana "Rituals"

Deaf Havana

“Rituals”

(CD, So Recordings, 2018)

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Dass Deaf Havana mit den 45 Minuten ihres fünften Albums “Rituals” einen völlig neuen Weg einschlagen, den auch nicht alle ihrer Fans mitgehen werden, das ist ihnen durchaus bewusst. Das Quintett aus dem britischen Norfolk entfernt sich vom Alternative Rock, in dem sie vier durchaus ansprechende Longplayer veröffentlicht haben, und tauscht seine Progressivität gegen Konformität ein.

Das klingt nicht nur kritisch, es ist es auch. Statt Kante zu zeigen wird das Profil der Band dem Mainstream geopfert und die 13 neuen Stücke klingen, als hätte man den Jungs den Energie-Stecker rausgezogen und sie einem gewaltigen Weichspüler-Waschgang unterzogen. Das, was hier dann aus der Trommel kam, ist Popmusik mit rockigen Elementen, aber geprägt von Ohr-schmeichelnden Melodien, fast Boyband-tauglichen Gesängen und effekthaschender Abmischung.

Frontmann und Songwriter James Veck-Gilodi zeigt sich überzeugt von der neuen Ausrichtung: “Ich glaube, das sind die besten Songs, die ich bisher geschrieben habe, von den Texten her ehrlich und sehr tiefgehend.” Die Begründung kommt durchaus etwas selbstfokussiert daher: “Sicherlich ist es eine Platte der gesamten Band, aber das Ganze ist eine sehr persönliche Sache, ein Alleingang, der mir einiges von der Seele genommen hat. Ich schreibe normalerweise über dieselben Dinge, also eher persönliche Erfahrungen, aber diesmal wusste ich, dass ich dem Ganzen ein übergreifendes Thema geben wollte. Also habe ich religiöse Themen als Metaphern benutzt – eine Metapher auch für mich. Ich bin nämlich manchmal ein richtiges Arschloch.”

Auch in der sonstigen Entstehung der Scheibe konzentrierte sich das meiste auf Veck-Gilodi: “Tatsächlich muss man sagen, dass alles an diesem Album absolut neu für mich war. Normalerweise komponiere ich auf einer akustischen Gitarre, aber diesmal habe ich viel am Computer gearbeitet und einen Großteil der Produktion selbst übernommen.” Nachdem Deaf Havana für das letzte Album “All These Countless Nights” fünf Jahre benötigten, wurde “Rituals” in weniger als drei Monaten geschrieben und aufgenommen. Der neue Stil scheint also einfacher zu funktionieren, und so klingt er ja dann zumindest auch.

Nein, diese neue Ausrichtung weiß nicht zu gefallen, Pop-Bands gibt es schon genug, und hier auch durchaus bessere. Das Fatale ist, dass einige Kompositionen gar nicht mal so übel sind und in alter, härterer Prägung vermutlich sehr anhörbar gewesen wären, jetzt aber in der aktuellen Instrumentierung und Abmischung wie eine Karikatur ihrer selbst daher kommen, vor allem flottere Songs wie “Sinner”, “Holy” und “Pure”. Da ist die Balladen-Breitseite am Ende der Scheibe noch am zugänglichsten, aber auch hier viel zu effektreich angerichtet. Vielleicht finden Veck-Gilodi und seine Mitstreiter hiermit neue Fans, aber die alten dürften eher kopfschüttelnd abwinken.

www.deafhavana.com
facebook.com/deafhavana

Bewertung: 3 von 10 Punkten

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