#Female Pleasure
Dokumentarfilm
Regie: Barbara Miller
Dauer: 97 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.femalepleasure.org
Facebook: facebook.com/aglobalissue
In Zeiten genereller Diskriminierungen war das vergleichsweise alte Thema der weiblichen Unterdrückung fast schon etwas in den Hintergrund geraten, bis die #MeToo-Welle – die ja eigentlich gar nicht nur Frauen betraf, sondern generell sexuelle Übergriffe anprangerte und dies noch tut – noch einmal das Bewusstsein stärkte, dass man selbst über seine Sexualität bestimmen muss und niemand anderes … natürlich nur eine Facette von vielen. Zugleich wurde Mut plötzlich wieder groß geschrieben, über Vergehen öffentlich zu reden, Täter anzuklagen – und generell auf Missstände hinzuweisen. Hiervon handelt auch “#Female Pleasure”, der neue Dokumentarfilm von Barbara Miller, am bekanntesten für “Forbidden Voices” (2012).
Die Regisseurin aus der Schweiz beleuchtet anhand von sehr unterschiedlichen Geschichten fünf Frauen, die sich nicht hinter Tabus verstecken, sondern in der Öffentlichkeit Probleme ansprechen, um für Veränderung zu sorgen und für die Selbstbestimmung von Frauen zu kämpfen – auch schon vor #MeToo.
Deborah Feldman wuchs in einer ultraorthodoxen jüdischen Familie im New Yorker Quartier Williamsburg auf und konnte sich nicht dagegen wehren, mit 17 Jahren verheiratet zu werden – ihren Mann hatte sie zu diesem Zeitpunkt lediglich ein einziges Mal vorher gesehen und von Liebe war da natürlich keine Spur. Zusammen mit ihrem Sohn fand sie einen Weg aus der abgeschotteten Gemeinschaft und führt inzwischen ein selbstbestimmtes Leben in Berlin, wobei sie mit Büchern wie “Unorthodox” andere ermutigt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Leyla Hussein wuchs in einer strenggläubigen muslimischen Familie auf und wurde im Alter von sieben Jahren genital verstümmelt, obwohl der Koran diese Praxis nicht kennt. Nach der Geburt ihrer Tochter begann sie, in Afrika und Europa als Aktivistin für körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung muslimischer Frauen zu kämpfen – und für das Recht auf eine lustvolle Sexualität. Hierbei trat sie schon vor der UNO und dem Englischen Parlament auf.
Die Japanerin Rokudenashiko ist in der Heimat gut bekannt. Nachdem sie in einem traditionell-buddhistischen-schintoistischem Elternhaus aufwuchs, begann sie, als Manga- und Aktionskünstlerin mit Vagina-Performences gegen die Verteufelung der weiblichen Lust und Sexualität in Japan zu kämpfen. Hierfür wurde sie verhaftet und wegen “Obszönität” angeklagt, ihr drohen zwei Jahre Haft.
Doris Wagner wuchs in einer strenggläubigen protestantisch-katholischen Familie in Bayern auf und trat mit 19 Jahren in ein erzkatholisches Ordenskloster ein. Hier erlebte sie sexuellen Missbrauch und kämpft seither gegen Doppelmoral und sexuelle Übergriffe in der katholischen Kirche, engagiert sich als studierte Theologin und promovierte Philosophin für Missbrauchsopfer der katholischen Kirche und kirchlicher Sekten.
Vithika Yadav wuchs als Mädchen in einer traditionellen hinduistischen Familie im nordindischen Rajasthan auf. Von klein auf lernte sie, keinem Mann in die Augen zu schauen und sich nie allein auf die Straße zu wagen, denn in Indien sind sexuelle Belästigungen und Vergewaltigungen an Mädchen und Frauen an der Tagesordnung. Vithika wollte dies nicht hinnehmen und war Mitgründerin der indischen Sexualaufklärungsplattform “Love Matters”, die Millionen von Nutzern hat und alle Opfer ermutigt, sich zu wehren. 2013 gewann sie hierfür den “Award for Excellence & Innovation in Sexuality Education” der World Association for Sexual Health (WAS).
Der Dokumentarfilm von Barbara Miller ist gut gemacht und zeigt, dass auch heute noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden muss, viele Missstände angesprochen werden müssen. Die fünf Protagonistinnen stehen mit ihren sehr interessanten Geschichten sinnbildlich für viele mehr und verkörpern in ihrer Zusammensetzung natürlich auch die Globalität der Probleme.
Es ist bewundernswert, wie die Frauen ihren Weg aus einem fremdgesteuerten Leben oder der entstandenen Scham eines erlittenen Missbrauchs gefunden haben und sich nun nicht verstecken, um ihre Ruhe zu haben, sondern aufstehen und mit unglaublich positiver Energie für Selbstbestimmung kämpfen, auch wenn sie hierfür teilweise angefeindet werden – die Faust auf dem Plakat symbolisiert es bestens.
Bewegend sind natürlich vor allem die Interviewszenen, in denen die fünf Frauen aus der Vergangenheit erzählen, ihre eigene Geschichte darstellen und die Werte erläutern, für die sie aufstehen. Und es erzeugt natürlich Kopfschütteln beim Zuschauer, wenn man sieht, wie in Japan ein Fest zu Ehren des Penis öffentlich gefeiert wird und selbst Kinder freudig an Phallus-Lutschern lecken, während Rokudenashiko für kunstvolle 3D-Umsetzungen ihrer Vagina, teilweise sogar verspielt in großer Form als Kanu funktional realisiert, mit der Justiz kämpft. Hierbei ist ihre Geschichte in Bezug auf erlittenen Schmerz ja bei weitem nicht mit den anderen zu vergleichen. Die Geschichten sind es wert, einer Masse erzählt zu werden, somit ist “#Female Pleasure” ein wichtiger Film.
Trailer:
Bewertung: 8 von 10 Punkten