25 km/h
Darsteller: Bjarne Mädel, Lars Eidinger, Sandra Hüller, Jella Haase
Regie: Markus Goller
Dauer: 116 Minuten
FSK: freigegeben ab 6 Jahren
Website: www.25kmh-film.de
Facebook: facebook.com/25kmhfilm
Mit “25 km/h” beschert uns Regisseur Markus Goller eine der besten deutschen Produktionen des Kinojahres 2018. Dass er eine Affinität zur Kombination von Roadmovies mit Komödien besitzt, erkennt man an seinen bisherigen Arbeiten, genügte “Friendship!” 2010 doch ebenso beiden Genres wie – noch weit deutlicher – “Frau Ella” im Jahr 2013. Es ist schön, zu sehen, dass “25 km/h” nicht nur der nächste Streifen ist, in dem Goller den Zuschauer auf witzige Weise mit auf Reisen nimmt, sondern mit Abstand der beste seiner bisherigen Filme.
Der Anfang erinnert einen etwas an die letztjährige, weit dürftigere US-Komödie “Wer ist Daddy?”. Auch hier trafen sich zwei ungleiche Brüder nach mehreren Jahrzehnten auf einem Familienfest wieder und gingen dann schließlich zusammen auf Reisen. Das war es aber auch schon mit den Parallelen. Schließlich ist es in “25 km/h” keine Hochzeit, die Georg (Bjarne Mädel) und Christian (Lars Eidinger) wieder zusammen führt, sondern die Beerdigung ihres Vaters – und so müssen sie diesen auch tragischerweise nicht mehr suchen, sondern haben andere Gründe für ihren Trip.
Früher waren sie ein Herz und eine Seele, in den vergangenen 30 Jahren aber haben die beiden sich völlig konträr entwickelt. Während Georg im Heimatort Löchingen im Schwarzwald blieb, Tischler wurde und sich um seinen alternden Vater kümmerte, stieg Christian nach dem Weggang aus der Heimat zum Top-Manager auf, der inzwischen in Singapur lebt. Die Wiedersehensfreude könnte größer sein, denn da Christian, der sich auch sonst sehr rar gemacht hat, es nicht einmal pünktlich zur Trauerfeier schafft, gibt es statt einer Umarmung erst einmal eine Rauferei.
Im Laufe des Abends kommen sich die beiden dann doch noch näher, und nach diversen Drinks landen sie auf dem Dachboden, der noch so aussieht wie in ihrer Kindheit und sie auch in die alte Zeit zurück katapultiert. Also hören sie The Cure, trinken weiter und spielen wie damals Tischtennis, bis sie irgendwann schlapp unter der Platte liegen. Und siehe da, an dieser klebt noch ihr Plan von damals, wo sie 16 waren, mit dem Mofa durch Deutschland zu fahren, mit einigen zusätzlichen Trip-Regeln von “Sex haben” über “Beim Griechen die ganze Speisekarte bestellen und essen” bis zu “Eine schlafende Kuh umstoßen”. Erschlagen von Erinnerungen, genervt von der Gegenwart und angetrieben durch ihren Alkoholpegel holen Georg und Christian die alten Mofas aus der Scheune und fahren einfach los.
Die Story von “25 km/h” klingt nicht sonderlich innovativ oder außergewöhnlich, und doch ist Goller, der hier wie schon in “Friendship!” mit Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg zusammen gearbeitet hat und erstmals auch produzierte, ein wundervoller Film gelungen.
Was diesen so außergewöhnlich macht, sind zum einen die Protagonisten Bjarne Mädel und Lars Eidinger, die man natürlich schon in einigen guten Rollen sehen konnte, aber noch nie so gut. Die Chemie zwischen beiden stimmt zu 100% und man nimmt ihnen das Bruderpaar voll ab, mit allen Sehnsüchten, Flausen, Frustrierungen und ihren Geschichten – denn sie haben sich natürlich auch einiges zu erzählen nach all den Jahren, und die Bruderliebe tut ihr Übriges, ob sie nun wollen oder nicht.
So geht es mal beschwingt und fröhlich, mal traurig und sentimental, mal ernst schweigend oder sogar auch wieder streitend auf den Mofas durch Deutschland, mit dem Ziel, in die Nordsee zu pinkeln. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, denn mit schwindender Promillezahl holt natürlich die Realität zum Gegenschlag aus, und da wartet das Business auf Christian und zumindest mal eine offen gelassene Scheune auf Georg. Trotzdem fahren sie weiter, machen so einige Bekanntschaften und erleben sehr spezielle Situationen. Diese könnten aufdringlich und erzwungen konstruiert daher kommen, das tun sie aber selbst dann nicht, wenn man meint, Gefahr hierfür sei gegeben. Goller schafft es stets, so zu inszenieren, dass der Streifen einen packt – emotional umso mehr, wenn man Geschwister hat und sich so noch leichter identifizieren kann. Und doch wird man nicht traurig, regiert doch zumeist eine wunderbare Leichtfüßigkeit, gespickt mit tollen Dialogen und Momenten. Bestes Wohlfühl-Kino, Daumen nach oben.
Trailer:
Bewertung: 9 von 10 Punkten