Home Film “A Different Man” – inspirierendes Psychogramm zur Wandlung eines entstellten Menschen

“A Different Man” – inspirierendes Psychogramm zur Wandlung eines entstellten Menschen

Autor: Mick

"A Different Man" Filmplakat (© Universal Pictures)

A Different Man

Darsteller: Sebastian Stan, Renate Reinsve, Adam Pearson, Miles G. Jackson
Regie: Aaron Schimberg
Dauer: 112 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.upig.de/micro/a-different-man
Facebook: facebook.com/focus.features.de
Instagram: instagram.com/universalpicturesde
Kinostart: 5. Dezember 2024


Schon in seinem Vorgänger „Chained for Life“ (2018) interessierte sich Regisseur Aaron Schimberg, einst selbst mit einer Gaumenspalte geboren, für den Umgang mit entstellten Menschen, als er an einem Filmset eine schöne Darstellerin auf ihren deformierten Schauspielerkollegen treffen ließ. Diesen Diskurs setzt er jetzt in seinem neuen Werk „A Different Man“ nahezu nahtlos fort, in dem er die psychische Wandlung eines Entstellten seziert, dem sich unvermittelt die Chance auf ein Leben ohne Defizit bietet.

Weniger Selbstvertrauen als Edward (Sebastian Stan) kann man wohl kaum haben. Wen wundert es, hat seine Neurofibromatose sein Gesicht doch über die Jahre mit unförmigen Wucherungen überzogen? Schüchtern bewegt sich der Gezeichnete durch den New Yorker Großstadtdschungel, nimmt jeden noch so beiläufigen angewiderten Blick wahr und würde deswegen am liebsten jedem zwischenmenschlichen Kontakt aus dem Weg gehen, und sei es auch nur der mit dem Hausmeister, der sich endlich um den ekligen Wasserschaden in seinem Wohnzimmer kümmern soll.

Mit Zurückgezogenheit aber kommt er nicht weiter, als neben ihm die attraktive, aufgeschlossene Europäerin Ingrid (Renate Reinsve) einzieht, die mit seinem deformierten Gesicht überhaupt kein Problem zu haben scheint. Vielmehr interessiert sie sich extrem für das Leben des Schauspielers, das sie in ihr gerade erst ins Leben gerufenes Drehbuchprojekt einfließen lassen will. Doch so sehr er Ingrid auch Offenheit signalisieren lässt, letztendlich lässt Regisseur Schimberg auch sie zumindest unterschwellig eine rote Linie ziehen. Niemals käme für sie eine romantische Beziehung mit Edward in Betracht, den sie bei ihren wechselnden Liebhabern regelmäßig eher bemitleidet. Und selbst die Rollen, die Edward angeboten bekommt, übersteigen selten das Niveau von Compliance-Clips, mit denen Unternehmen ihre Mitarbeiter im korrekten Umgang mit Behinderten schulen.

Gut nachvollziehbar ist es da, dass Edward den Strohhalm einer neuen, noch in der Erprobungsphase befindlichen Behandlungsmethode ergreift, die bei ihm tatsächlich schon nach kurzer Zeit einschlagende Wirkung erzielt. In bester Bodyhorror-Manier mit Anleihen an David Cronenbergs „Die Fliege“ zieht er sich da die Geschwüre in Fetzen vom Gesicht, dass es eine wahre Freude ist. Seine Metamorphose zu einem zumindest äußerlich völlig anderen, überaus attraktiven Mann jedenfalls hätte Schimberg nicht eindrucksvoller in Szene setzen können. Nun stehen Edward mit neuer Identität plötzlich alle Türen offen, er ist der Vorzeigemakler einer Immobilienfirma und selbst Ingrid ist dem Sex mit ihm alles andere als abgeneigt.

"A Different Man" Szenenbild (© Faces Off LLC)

(© Faces Off LLC)

Die hat inzwischen ihr Theaterstück über Edward fertiggestellt und besetzt die Hauptrolle jetzt nichtsahnend mit ihm, der sein altes Leben eigentlich nur noch in Form einer Maske beisteuern kann. Ganz anders als der unvermittelt auftauchende, ebenfalls durch Neurofibromatose entstellte Oswald (der tatsächlich daran erkrankte Adam Pearson), der nonchalant und selbstbewusst so gegensätzlich damit umgeht, dass er Edward bald allein durch seine innere Schönheit und Charakterstärke aussticht. Ein Zustand, der vom nun gutaussehenden Edward kaum zu ertragen ist und ihn schleichend in alte Verhaltensmuster des Minderwertigkeitskomplexes zurückwirft.

Das aber soll längst nicht alles sein. Denn anders als vorher entwickelt Edward jetzt beim ständigen Vergleich mit dem trotz seines Äußeren charismatischen Oswald überaus unschöne Charakterzüge. Die produzieren irgendwann genügend Unzufriedenheit und Selbsthass um ihn in eine tiefere Seelenkrise zu stürzen, als er sie auch als Ausgegrenzter jemals erlebt hat.

Schimberg gelingt hier eine herrlich groteske Psychostudie, die nicht nur zum Nachdenken über den Umgang mit gesellschaftlichen Normen von Äußerlichkeiten anregt, sondern vor allem die Frage nach der Wertigkeit von Aussehen und Charakter stellt. Leider dreht sich seine Geschichte zum Ende hin bei Edwards Konfrontation mit Oswald ein wenig im Kreis, sein Gedankenexperiment zum möglichen parallelen Wandel von Erscheinungsbild und Psyche jedoch sorgt allein schon für genug Impulse um uns insgesamt wirklich bestens zu unterhalten.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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