Home Film “A Thousand and One” – der Existenzkampf einer Schwarzen im New Yorker Wandel

“A Thousand and One” – der Existenzkampf einer Schwarzen im New Yorker Wandel

Autor: Mick

"A Thousand and One" Filmplakat (© Courtesy of Focus Features)

A Thousand and One

Darsteller: Teyana Taylor, Aven Courtney, Josiah Cross, William Catlett
Regie: A. V. Rockwell
Dauer: 117 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.upig.de/micro/a-thousand-and-one
Facebook: facebook.com/Focus.Features.DE


Eigentlich hat man alle Dramen über Schwarze in den prekären Verhältnissen der einschlägigen amerikanischen Ghettos schon gesehen. Und doch bemüht sich die afroamerikanische New Yorker Regisseurin A. V. Rockwell, mit der ihrem Spielfilmdebüt „A Thousand and One“ zugrunde liegenden Idee der Thematik neue Aspekte abzugewinnen. Fast fühlt man sich an den mit ebensoviel Herz an New York hängenden Spike Lee erinnert, wenn sie parallel zum Mikrokosmos ihrer ständig ums Überleben kämpfenden Protagonistin einen intensiven Blick auf die Entwicklung der Stadt über den Zeitraum eines ganzen Jahrzehnts wirft.

Sie steigt ein in Harlem im Jahr 1994, als das Leben der 22-jährigen Inez (Teyana Taylor) eigentlich schon verpfuscht ist, bevor es richtig begonnen hat. Gerade aus dem Knast entlassen stromert die Obdachlose durch die Backsteinschluchten des Viertels, unermüdlich auf der Suche nach einer Bleibe und ein wenig Halt. Den findet die junge Mutter wenig später, als sie hört, dass ihr 6-jähriger Sohn von seiner amtlich bestimmten Pflegefamilie vernachlässigt wird. Schnell packt sie ihre Chance beim Schopfe und holt den kleinen Terry (Aaron Kingsley Adetola) bei einer Krankenhausbehandlung kurzerhand zu sich. Ein neues Projekt ist erschaffen, dem sie fortan all ihre Energie widmen will, um wenigstens ihrem Sohn einen besseren Start ins Leben zu ermöglichen, der bei ihr ja gründlich in die Hose gegangen ist.

Feinfühlig bringt uns das A. V. Rockwell näher, stellt mit ihrer grandiosen Hauptdarstellerin, der R&B-Musikerin Teyana Taylor aus Harlem (passt!) schnell klar, dass das keineswegs ein Zuckerschlecken wird, sondern vielmehr einen zähen Kampf der von der Gesellschaft Stigmatisierten gegen die Unbill des Lebens darstellt. Das kleine Geheimnis von Terrys neuer Identität jedoch schweißt das Mutter-Sohn-Gespann zusammen, lässt sie bei der immer präsenten Gefahr der Entdeckung so manche Widrigkeit gemeinsam überwinden, die sonst leicht das Ende ihrer Beziehung bedeutet hätte. Trotz allem neuen Daseinssinn aber kann die temperamentvolle Inez nicht ganz mit ihrer Vergangenheit abschließen und lässt schließlich den unsteten Lucky (William Catlett) in ihr Leben.

"A Thousand and One" Szenenbild (© 2023 eOne Features LLC. All Rights Reserved.)

(© 2023 eOne Features LLC. All Rights Reserved.)

Obwohl sich Rockwell alle Mühe gibt, uns in das Schicksal der Kleinfamilie eintauchen zu lassen, betrachtet man das jedoch merkwürdig distanziert, kann es an gar nichts festmachen, warum uns ihr Drama nicht richtig packen will und etwa ab der Halbzeit etwas dahinplätschert, ehe es mit der empörenden Verdrängung der Bewohner aus den Altbauten und Terrys Entdeckung an der weiterführenden Schule wieder Fahrt aufnimmt. Das aber gelingt ihr wirklich gut, bringt sie als Nebenschauplatz gekonnt nicht nur die systematische Gentrifizierung, die dann auch Inez‘ Familie unmittelbar betrifft, sondern auch die sich zeitlich ändernden Politikstile unterschwellig ins Spiel. So wird im Wandel von Rudy Giulianis Zero-Tolerance-Strategie Mitte der Neunziger bis zu Michael Bloombergs visionärer Ausrichtung in den 2000ern New York fast zu etwas wie einem zweiten Hauptdarsteller und erlaubt uns einen angenehm aufgeweiteten Blick auf das ansonsten auf Inez‘ täglichen Überlebenskampf eingeschränkte Geschehen.

Dafür teilt die Regisseurin ihr Werk in drei Stücke, zwischen denen sie schonungslos scharfe Zeitsprünge unternimmt, um uns die unterschiedlichen Lebensabschnitte und sozialen Verhältnisse zu präsentieren, unter denen Terry als 6-Jähriger, als 13-Jähriger (Aven Courtney) und kurz vor der Volljährigkeit (Josiah Cross) verbunden mit der jeweiligen veränderten Problematik aufwächst. Dass sie dabei nicht so sehr auf die von der ständig unter dem Radar des Jugendamts fliegenden Inez erzeugten Spannung setzt, sondern mit jeder Einstellung die Atmosphäre des New Yorker Viertels verströmt, ist ansehnlich und lässt einiges an Lokalpatriotismus erahnen. Auch dank ihrer Hauptdarstellerin, die ihrer kämpferischen Inez gleichzeitig eine wankelmütige Ambivalenz verleiht, lässt man ihrem Film so selbst die zeitweiligen Längen durchgehen.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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