Home Film “Annette” – das düstere Musical gerät allzu avantgardistisch

“Annette” – das düstere Musical gerät allzu avantgardistisch

Autor: Mick

"Annette" Filmplakat (© Alamode Filmverleih)

Annette

Darsteller: Adam Driver, Marion Cotillard, Simon Helberg, Devyn McDowell
Regie: Leos Carax
Dauer: 140 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: annette-derfilm.de
Facebook: facebook.com/annette.derfilm


Wer die vor Kurzem erschienene Dokumentation „The Sparks Brothers“ (lies unsere Filmkritik hier) über die amerikanische Band „Sparks“ gesehen hat, weiß genau, wie sehr sich die Brüder Ron und Russell Mael die Verwirklichung eines musikalischen Filmprojekts wünschten und wie lange sie daran zu knabbern hatten, dass sich Anfang der 90er die Produktion ihres Manga-Musicals „Mai, the Psychic Girl“ unter der Leitung von Regisseur Tim Burton kurzfristig zerschlagen hatte. Nun haben sie in dem ebenso extravaganten Leos Carax („Die Liebenden von Pont-Neuf“, „Holy Motors“) endlich einen Bruder im Geiste gefunden, mit dem sie ans Ziel ihrer Träume gelangt sind und mit ihm zusammen das Musical „Annette“ realisieren konnten, zu dem sie außer der Musik auch gleich noch das Drehbuch beigesteuert haben.

Dementsprechend ambitioniert gehen sie auch gleich vom Start weg zu Werke und nehmen uns in ihrer furiosen, ungeschnittenen Eröffnungssequenz zum melodiösen, im unverwechselbaren elektronischen Sparks-Stil gehaltenen „So, May We Start?“ mit auf einen Spaziergang direkt aus ihrem Tonstudio hinaus auf die Straße, an dem sie sich gleich höchstselbst ihrem Schauspielerensemble anschließen. Ein erster Höhepunkt inszenatorischer Freiheit, bei dem Carax virtuos zwei Ebenen künstlerischen Schaffens ineinanderfließen lässt, nur um draußen angekommen seine beiden Protagonisten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, in ihre jeweiligen Leben zu entlassen.

Den erfolgreichen Stand-up-Comedian Henry (Adam Driver) treibt es auf seinem Motorrad ins Theater, um sich wie jeden Abend auf der Bühne mit beißendem Zynismus zu verausgaben, während sich die gefeierte Opernsängerin Ann (Marion Cotillard) gediegen in einer Limousine zu ihrer abendlichen Vorstellung chauffieren lässt. So verschieden sie aber auch sein mögen, so sehr sind sie doch einander verfallen, lieben sich grenzenlos und blenden dabei sogar alle Unwägbarkeiten und Bedrängnisse aus, die die Öffentlichkeit ihrer Promi-Beziehung bereithält. Und doch ist Carax‘ Inszenierung alles andere als eitel Sonnenschein, bildet mit der düsteren, rastlosen Selbstzerfleischung Henrys so etwas wie das Gegenstück zum gerade angelaufenen, bunten Feelgood-Musical „West Side Story“, da hier das nahende Unheil unschwer zu erahnen ist.

"Annette" Szenenbild (© Alamode Filmverleih)

(© Alamode Filmverleih)

So sehr Marion Cotillard und vor allem Adam Driver jedoch mit ungeheurer schauspielerischer Präsenz ihr Äußerstes geben, so können sie doch ein Verflachen der Handlung nach dem virtuosen, mit der den Maels so eigenen augenzwinkernden Ironie versehenen, Einstieg nicht verhindern. Dabei bietet Carax‘ aufwühlende Inszenierung eigentlich alle Facetten der durch Henrys innere Dämonen langsam dem Abgrund entgegentreibenden Beziehung auf, die spätestens mit der Geburt der Tochter Annette endgültig zum Scheitern verurteilt ist. Die ist bedeutungsschwanger erstmal nur eine Puppe und stellt damit noch einen gelungenen Spross künstlerischen Anspruchs dar, der sich schon bald in bildgewaltigen Gesangsorgien, die teilweise stark wie antikes Theater anmuten, etwas verlieren soll. Eine simple Komposition aus wenigen Akkorden wird eben durch stetige Wiederholung einzelner Zeilen, deren Bedeutung man schon beim ersten Mal erfasst hat, doch nicht besser. Ja, die Darbietung driftet manchmal fast ins Dadaistische ab und wirkt damit zunehmend ermüdend, wo man gerade dabei war, sich auf das durch den Niedergang von Henrys Karriere befeuerte Schicksal der beiden einzulassen.

Das Ganze wirkt dann doch ein wenig gezwungen avantgardistisch, wo ein bisschen weniger sicherlich mehr gewesen wäre. Auch wenn die geschmackvoll arrangierten Szenen immer wieder etwas fürs Auge bieten, und die gesanglichen Performances – gesprochen wird hier so gut wie gar nicht – gerade von Marion Cotillard erstaunliche Qualität aufweisen, kann das Stück dabei musikalisch nicht konstant überzeugen. Somit hinterlässt das Musical trotz aller inszenatorischer Einfälle, die erfreulich viel Interpretationsspielraum lassen, vor allem einen etwas unausgegorenen Eindruck.

Trailer:

Bewertung: 5 von 10 Punkten

 

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