Home Film “Candelaria” – eine poetische Annäherung an die Mangelverwaltung im Kuba der 90er

“Candelaria” – eine poetische Annäherung an die Mangelverwaltung im Kuba der 90er

Autor: Mick

"Candelaria – Ein kubanischer Sommer"

Candelaria – Ein kubanischer Sommer

Darsteller: Verónica Lynn, Alden Knight, Manuel Viveros, Philipp Hochmair
Regie: Jhonny Hendrix Hinestroza
Dauer: 88 Minuten
FSK: freigegeben ab 6 Jahren
Website: dcmworld.com/portfolio/candelaria
Facebook: facebook.com/dcmworld


Nachdem sich der kolumbianische Independent-Regisseur Jhonny Hendrix Hinestroza in seinem “Cocó”, der auch im Panorama der Berlinale von 2012 lief, mit dem Schicksal der Minderbemittelten im kolumbianischen Drogenkrieg beschäftigte, wagt er jetzt mit “Candelaria – Ein kubanischer Sommer” den Sprung übers Wasser auf die sozialistische Karibikinsel. Treu bleibt er dabei aber seinem Interesse an den Underdogs der Gesellschaft, deren Geschichten ja tatsächlich zumeist berührender sind als das Leben der Schönen und Reichen.

Im Kuba der 90er Jahre – mit dem Zusammenbruch des Ostblocks ist auch die wirtschaftliche Unterstützung fast schlagartig eingestellt worden, und die Sanktionen der USA schlagen in der sogenannten “Sonderperiode” voll durch – lernen wir die 75-jährige Candelaria (Verónica Lynn) kennen, die ihr karges Leben eigentlich nur dem regelmäßigen Gesang in einer Bar und der Aufzucht ihrer frisch erworbenen Küken widmet. Um einigermaßen über die Runden zu kommen verdingt sie sich auch in ihrem Alter noch in der Wäscherei eines Hotels und auch bei ihrem gesundheitlich angeschlagenen Ehemann Victor Hugo (Alden Knight) kann von wohlverdientem Ruhestand keine Rede sein. Zumindest steht durch seine Schwarzmarktgeschäfte mit den Zigarren, die er immer wieder aus der Fabrik mitgehen lässt, in der er den Akkordarbeitern während des Rollens aus der Zeitung vorliest, abends immer etwas zu essen auf dem Tisch, auch wenn das schon mal tagelang Karottenpüree ist.

Mit seiner genauen Zeichnung des ritualisierten Alltags unseres sympathischen Pärchens gelingt es Hinestroza ausgezeichnet, im Kontext der damaligen wirtschaftlichen Situation die Nöte der Bevölkerung widerzuspiegeln. Gleichzeitig aber erzählt er eine Geschichte von Lebensfreude, Überlebenswillen und Liebe, die bei Candelaria und Victor Hugo trotz ihres respektvollen Umgangs miteinander ob der vordergründigen Probleme schon lange eingeschlafen scheint. Als aber Candelaria von der Arbeit eine gefundene Videokamera mitbringt, entdecken sie ihre sexuelle Anziehung noch einmal neu und erschaffen sich durch ihre spielerischen Erotikwerke sogar zufällig eine zusätzliche Einnahmequelle.

Das alles inszeniert Hinestroza ruhig und mit verblüffender Leichtigkeit, sorgt für keinerlei peinliche Momente und lässt das Thema Sex bei unserem nicht mehr ganz jungen Pärchen ganz natürlich erscheinen. Dass die beiden sich und ihre Situation dabei selbst nicht allzu ernst nehmen, lässt sie uns, herzerwärmend transportiert durch die beiden wunderbaren Schauspieler, gleich ans Herz wachsen und mit ihnen die Bedeutung intensiver Beziehungen in schwierigen Zeiten nachempfinden. Die trotz aller Entbehrungen ausgestrahlte menschliche Wärme und Lebensfreude macht den Film gerade in seinen intimen Einstellungen so zu einer geradezu poetischen Betrachtung einer Gesellschaft, deren Mitglieder die Hoffnung nie aufgeben.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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