Catch the Killer
Darsteller: Shailene Woodley, Ben Mendelsohn, Jovan Adepo, Ralph Ineson
Regie: Damián Szifron
Dauer: 119 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: tobis.de/titel/catch-the-killer
Facebook: facebook.com/TobisFilm
Kinostart: 5. Oktober 2023
Es scheint eine ganz gewöhnliche, eisige Silvesternacht zu sein in Baltimore. Die Leute feiern feuchtfröhlich und stoßen in bester Stimmung auf das neue Jahr an, als übertönt von der üblichen Böllerei plötzlich Schüsse fallen und mit fast schon chirurgischer Präzision 29 Menschen in den verschiedensten Situationen aus dem Leben reißen. Schon mit der Anfangssequenz seines ersten englischsprachigen Films baut der argentinische Regisseur Damián Szifron (mit „Wild Tales – Jeder dreht mal durch!“ 2015 sogar Oscar®-nominiert) enorme Spannung auf. Woher und vor allem warum kommen die Projektile, die brutal in die Körper einschlagen? Schnell ist klar, dass es sich um einen perfiden Anschlag handelt. Und die mittels Lasertechnik ermittelten Flugbahnen lassen darauf schließen, dass wohl ein Scharfschütze als Einzeltäter die Schüsse vom Balkon eines Hochhauses abgegeben hat, der kurz darauf wegen einer Detonation samt aller Spuren bereits Geschichte ist.
Das Ausgangsszenario für seinen Thriller arrangiert Szifron wirklich imposant, dessen Plot ansonsten so außergewöhnlich nicht ist, denn wie so oft soll hier anschließend Jagd auf einen Massenmörder gemacht werden, der droht weitere Menschen zu töten. Ähnlich wie der ebenfalls hochspannende „Das Schweigen der Lämmer“ (1991) stellt der Streifen mit der Polizistin Eleanor (Shailene Woodley) allerdings eine überaus charismatische Figur in den Mittelpunkt des Geschehens und hebt sich dadurch angenehm von der breiten Masse ähnlich angelegter Werke ab. Die wird zum Einsatz am Tatort gerufen und zeichnet sich nicht nur durch enorme Gedankenschnelligkeit aus, sondern trifft dort zufällig auf den eilig hinzugezogenen FBI-Ermittlungsleiter Lammark (Ben Mendelsohn). Durch ihre beiläufig hingeworfene psychologische Beschreibung des Täters weckt sie sofort das Interesse des erfahrenen FBI-Manns, der sie daraufhin unbedingt in seinem Ermittler-Team haben will.
Das ist durchaus ungewöhnlich, denn auch sie hat eine auffällige Vorgeschichte und mehrere Jahre mit psychischen Problemen in Behandlung verbracht. Normalerweise würde das FBI solche Leute „nicht einstellen sondern verhaften“, wie es Lammark eingangs treffend formuliert. Dennoch setzt er voll auf ihre intuitiven Analysefähigkeiten und bildet mit ihr ein Gespann, welches den packenden Thriller bei der folgenden Tätercharakterisierung – neudeutsch so schön als Profiling bezeichnet – tragen soll. Wunderbar harmoniert hier Shailene Woodleys junge Eleanor mit ihrem väterlichen Vorgesetzten Lammark, den Ben Mendelsohn mit stoischer Abgeklärtheit gibt. Eventuelle romantische Interessen, die ihm auch Eleanor bei einer abendlichen Einladung unverblümt unterstellt, werden da schon mal genauso humor- wie wirkungsvoll durch das gemeinsame Abendessen mit seinem Ehemann ausgeschlossen.
Mit derart geklärten Fronten machen sich die beiden an die fesselnde Verfolgung eines psychopathischen Täters, dessen Identität sie durch Heranziehen verschiedener Datenquellen und den untrüglichen empathischen Instinkt von Eleanors angeknackster Psyche immer näherkommen, bevor ihnen das Kompetenzgerangel im Haifischbecken FBI in die Quere kommt. So ist auch der nächste, spektakulär in Szene gesetzte Anschlag nicht zu verhindern, führt aber zur Identifizierung des gestörten Attentäters, der dann auch bald als Einleitung des Showdowns aufgespürt werden kann.
Was jedoch in aller Regel einen augenblicklichen Spannungsabfall zur Folge hat, macht hier einer eingehenden Beschäftigung mit der Motivation des Täters Platz, der nicht einfach platt als durchgeknallter Serienkiller dargestellt wird, sondern ebenfalls eine Historie als Mensch und Teil der Gesellschaft besitzt. Zwar kann der Thriller seine trotz ruhiger Erzählweise aufgebaute unheimliche Spannung nicht ganz halten, packt uns aber gerade zum Schluss hin durch seinen Blick auf Missstände der amerikanischen Gesellschaft, wie ihn vielleicht nur ein Außenstehender wie der Argentinier Szifron haben kann. Das macht seinen Hochspannungsfilm nicht nur ungeheuer unterhaltsam sondern sorgt am Ende sogar für tiefe Nachdenklichkeit.
Trailer:
Bewertung: 8 von 10 Punkten