Home Film “Daddio – Eine Nacht in New York” – eine Taxifahrt wird zum intensiven Seelenstriptease

“Daddio – Eine Nacht in New York” – eine Taxifahrt wird zum intensiven Seelenstriptease

Autor: Mick

"Daddio – Eine Nacht in New York" Filmplakat (© LEONINE)

Daddio – Eine Nacht in New York

Darsteller: Sean Penn, Dakota Johnson
Regie: Christy Hall
Dauer: 101 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.leoninedistribution.com/filme/173761/daddio-eine-nacht-in-new-york.html
Facebook: facebook.com/LEONINEStudios
Kinostart: 27. Juni 2024


Zufallsbekanntschaften haben es oft in sich und entwickeln sich besonders dann in kürzester Zeit zu intensiven Beziehungen, wenn bei der Begegnung eine räumliche Trennung der Personen kaum möglich ist. Genau das hat hier auch die Regiedebütantin Christy Hall bei der Entwicklung ihres Drehbuchs fasziniert, und so präsentiert sie uns mit ihrem klassischen Kammerspiel „Daddio – Eine Nacht in New York“ ein ursprünglich eigentlich fürs Theater vorgesehenes Zwei-Personen-Stück, dessen Dialog in seinen gut anderthalb Stunden eine fast schon philosophische Tiefe erreicht.

Den begrenzten Raum stellt hier ein New Yorker Taxi dar, welches eine junge Businessfrau (Dakota Johnson) nachts am Flughafen JFK besteigt, um möglichst schnell nach Hause zu kommen. Daran ist zweifelsohne auch Fahrer Clark (Sean Penn) gelegen, der mit der letzten Fuhre seiner anstrengenden Schicht schon eine gewisse Vorfreude auf den Feierabend verspürt. Das allerdings stellt für den kommunikativen Senior keinen Grund dar diese schweigend zu verbringen. Also verwickelt er seinen attraktiven Fahrgast in ein Gespräch, obwohl sich die Frau anfangs zwischen Müdigkeit und Ablenkung durch ihr Smartphone zu einer Beteiligung nur wenig motiviert zeigt. Kein Problem für den erfahrenen Clark, der nach kurzem Small Talk auch desinteressiert einsilbige Antworten von der Rückbank mit mehr oder weniger geistreichen Monologen zu einem Gespräch über den Untergang der guten alten Zeiten ausbaut.

Feinfühlig führt uns Regisseurin Hall hier ein in das Szenario ihres Films, in dem sie zwei Charaktere zusammenführt, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Und doch zeigen sich bei Clarks anfänglichem Philosophieren über die Digitalisierung und die Abschaffung des Bargelds erstaunliche Gemeinsamkeiten mit der jungen Programmiererin, die auch ihr Interesse an einer Unterhaltung langsam wecken. Das freilich gilt immer noch viel mehr den eindeutigen Textnachrichten ihres Freundes auf ihrem Handy, die uns Hall zur Information immer wieder einblendet und damit den Grund für die zeitweilige Ablenkung der jungen Frau nur allzu deutlich macht.

"Daddio – Eine Nacht in New York" Szenenbild (© LEONINE)

Girlie, gespielt von Dakota Johnson (© LEONINE)

Und doch gelingt es dem charismatischen Clark mit fortschreitender Fahrzeit und geschickter Gesprächsführung immer mehr, ihr intime Details zu entlocken, die den Austausch der beiden auch für uns immer intensiver und enorm unterhaltsam machen. Denn je länger die Fahrt dauert – dramaturgisch darf natürlich die Verzögerung durch einen Stau nicht fehlen –, desto mehr lenkt vor allem Clark ihre Unterhaltung mit der geballten Weisheit seines einfachen Arbeiterlebens in die Richtung einer Diskussion sexueller Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Da hat er ihr eine Menge voraus, ist mit den Schilderungen seiner eigenen Erfahrungen zeitweilig zwar gefährlich nahe an der Westentaschenphilosophie, trifft damit trotz Verallgemeinerungen jedoch die Realität hinreichend genau. So holt er die offensichtlich in einer toxischen Beziehung mit einem älteren Mann gefangene Passagierin nach und nach komplett ab und beeindruckt sie mit seiner überraschend präzise zutreffenden Psychoanalyse, die für sie langsam sogar therapeutische Wirkung entfaltet.

Es ist schon erstaunlich, wie es Hall gelingt uns mit einer einfachen Unterhaltung zu fesseln, in der wir uns alle in der einen oder anderen Situation wiedererkennen werden, ob wir uns nun mit einer ihrer Figuren identifizieren können oder nicht. Die verkörpern Sean Penn und Dakota Johnson dabei derart authentisch, dass wir zeitweilig fast vergessen, dass sie hier nur in ihre jeweilige Rolle geschlüpft sind. Das haben wir Penn selbstverständlich zugetraut, die eigentliche Überraschung aber ist Johnson, die ihm mit der Zerrissenheit ihrer Beziehungsgeschädigten wirklich in nichts nachsteht und hiermit endgültig das „Fifty Shades of Grey“-Girlie hinter sich lässt.

Überhaupt stimmt hier einfach die Chemie zwischen den beiden, lassen sie ihre Charaktere während des Gesprächs ständig zwischen erotischer Attraktion und Vater-Tochter-Beziehung oszillieren und machen den Dialog damit nicht nur unheimlich spannend sondern zum Ende hin sogar hoch emotional. Wunderbar, dass es manchmal eben nur einer Taxifahrt, eines intelligent aufgebauten Dialogs und zweier wundervoll harmonierender Schauspieler:innen bedarf, um uns über anderthalb Stunden zu packen.

Trailer:

Bewertung: 8 von 10 Punkten

 

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